Hauptsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt

Inflationsbekämpfung der EZB Auf den letzten Metern wird es zäh

Stand: 02.04.2024 17:21 Uhr

Im Kampf gegen die Inflation könne die "letzte Meile" die schwierigste werden - jene Schlussphase also, bis die zwei Prozent Teuerungsrate erreicht sind, die die EZB anpeilt. Dabei hat sie das Ziel schon vor Augen.

Von Sebastian Schreiber, ARD-Finanzredaktion

Spitzensport und Geldpolitik haben auf den ersten Blick nicht viel gemein - eines aber schon: Es geht um das richtige Timing beim Start. Mit Blick auf die Notenbanken steht die Frage im Raum, wann sich die Zinsschraube wieder nach unten dreht. Die Europäische Zentralbank sitzt schon im Startblock, zögert aber noch loszulaufen.

Im Sommer dürfte es so weit sein, da ist sich Carsten Mumm sicher. Er ist der Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel. "Wir gehen fest davon aus, dass wir im Juni die erste Leitzinssenkung durch die EZB sehen", sagt Reuschel. "Das wurde von Seiten der Notenbank, von Christine Lagarde, der Präsidentin der EZB, und auch von ihren Kolleginnen und Kollegen schon relativ deutlich angekündigt oder zumindest in Aussicht gestellt."

Börsen stellen sich auf Zinssenkungen ein

An der Börse hat diese Erwartung schon für steigende Kurse gesorgt - denn sinkende Zinsen dürften die Konjunktur anschieben. Die Folge: Der DAX notiert weiterhin auf Rekordniveau, obwohl die deutsche Wirtschaft gegen die Rezession kämpft. Neue Daten aus dem statistischen Bundesamt stärken die Aussicht auf bald sinkenden Zinsen: In Deutschland hat sich die Inflation im März weiter abgeschwächt. Nach vorläufigen Zahlen lag sie bei 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Es ist das niedrigste Niveau seit knapp drei Jahren, und die Inflationsrate ist damit sehr nah dran an der Zielmarke von zwei Prozent. Warum also senken die Währungshüter nicht schon früher die Zinsen, etwa beim Zinsentscheid in der kommenden Woche? Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management, betont die Sorge davor, dass sich die Konjunktur zu stark erholt - und ein neuer Inflationsschub entsteht.

"Deshalb lieber nochmal bis Juni warten, sicher sein, dass der Abwärtstrend der Inflation sich weiter fortsetzt, und dann einen Leitzinssenkungszyklus einleiten, der dann auch Bestand haben kann", erläutert Walk das Vorgehen der Notenbanker. "Die Angst ist groß, einen Fehler zu machen mit einer zu frühen Leitzinssenkung."

Kerninflation bleibt hartnäckig hoch

Das liegt auch daran, dass sich einige Bereiche der Inflation noch immer hartnäckig halten. Das zeigt sich in der Kerninflation. Sie lag im März in Deutschland noch bei 3,3 Prozent. Schwankungsanfällige Elemente wie Nahrungsmittel und Energie werden an dieser Stelle herausgerechnet. Treiber der Kerninflation waren zuletzt etwa die Preise für Dienstleistungen, sagt Mumm.

"Wenn wir uns mal zwei, drei Jahre zurückerinnern, dann wissen wir ja, die Inflation hat angefangen mit explodierenden Energiepreisen, Rohstoffpreisen und Lieferkettenengpässen", so der Volkswirt. "In der nächsten Stufe sind Waren und Dienstleistungen sehr stark gestiegen. Und die letzte Stufe, die wir jetzt sehen, sind deutlich steigende Löhne, die dafür sorgen, dass insbesondere Dienstleistungspreise weiterhin steigen."

Unterschiede innerhalb der Eurozone

Dazu kommt: Die Währungshüter der EZB haben bei ihren Entscheidungen nicht nur die Bundesrepublik im Blick, auch wenn Deutschland die größte Volkswirtschaft der Eurozone ist. Wie sich die Durchschnittsrate in den 20 Mitgliedsstaaten im März entwickelt hat, wird am Mittwoch bekannt. Länder wie Kroatien oder Österreich hatten zuletzt noch Inflationsraten von mehr als vier Prozent zu kämpfen.

Volkswirt Walk geht aber davon aus, dass sich Abwärtstrend der Inflation auch auf mit Blick auf die Währungsgemeinschaft bestätigen wird. "Wir sehen jetzt schon seit einigen Monaten, dass die Inflation in der Eurozone fällt. Wir erwarten, dass sie weiter fallen wird, dass wir bald Inflationsraten von unter zwei Prozent haben werden", stellt er in Aussicht.

"Dementsprechend gibt es die Erwartung, dass die EZB nicht nur im Juni die Leitzinsen senkt, sondern auch in den Sitzungen danach." Wie niedrig der Zins der Eurozone dann im Laufe des Jahres fallen könnte, lässt sich noch nicht sicher sagen. Klar ist schon jetzt: Für die Notenbanken ist die Inflationsbekämpfung alles andere als ein Sprint - sie bleibt ein Dauerlauf.

Sebastian Schreiber, ARD-Finanzredaktion, tagesschau, 02.04.2024 15:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. April 2024 um 17:06 Uhr.