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Konjunkturaussichten Deutsche Wirtschaft wird lange schwächeln

Stand: 29.01.2023 09:03 Uhr

Zu wenige Fachkräfte, zu abhängig von teuren Energieimporten, zu viel Bürokratie: Nach Einschätzung führender Wirtschaftsforschungsinstitute steht die deutsche Wirtschaft vor einer jahrelangen Schwächephase.

Der deutschen Wirtschaft steht nach Einschätzung von Ökonomen eine jahrelange Phase schwachen Wachstums bevor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Ifo-Institut gehen übereinstimmend davon aus, dass die jährlichen Wachstumsraten mittelfristig unter einem Prozent liegen werden - und damit sehr viel niedriger als im Schnitt der vergangenen 30 Jahre.

"Das Potenzialwachstum für die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahrzehnt auf unter 1,0 Prozent sinken", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Das sei vor allem dem Rückgang der Beschäftigung durch Demographie und Fachkräftemangel geschuldet.

"Innovative Technologien verschlafen"

Grund seien aber auch große wirtschaftspolitische Fehler: "Die Abschwächung des Wirtschaftspotenzials Deutschlands geht auf eigene Versäumnisse zurück und hat wenig mit dem Krieg in der Ukraine oder der Corona-Pandemie zu tun."

Als größtes Versagen kritisierte der DIW-Präsident die "bisher gescheiterte ökologische Transformation, die dazu geführt hat, dass Deutschland viel zu abhängig von fossilen und sehr teuren Energieimporten ist und die technologische Transformation zu nachhaltigen und innovativen Technologien verschlafen hat". Hinzu kämen überbordende Bürokratie und Besitzstandswahrung, die private Investitionen behinderten. Zudem habe das staatliche Investitionsdefizit dazu geführt, "dass der deutsche Staat seit langer Zeit von seiner Substanz lebt". Das Fachkräfteproblem werde in den kommenden Jahren für zahlreiche Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen.

"Noch nicht Ende der Fahnenstange"

Laut IfW wuchs die deutsche Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren im Mittel um jährlich 1,4 Prozent. Laut mittelfristiger Projektion des Instituts dürfte das bis 2027 auf unter 0,7 Prozent zurückgehen. "Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange", sagte Vizepräsident Stefan Kooths.

Die Einschätzung des RWI Essen ist ähnlich: "Die Krisen der vergangenen zwei Jahre haben das Wachstum der deutschen Wirtschaft zwar geschwächt, es hätte sich aber ohnehin in den kommenden Jahren verringert", sagte Konjunkturchef Torsten Schmidt. Laut Mittelfristprojektion des RWI dürfte das Wachstum des Produktionspotenzials von ein Prozent in diesem Jahr auf 0,6 Prozent im Jahr 2027 zurückgehen.

"Fachkräftemangel wird noch spürbarer"

Nach Erwartung des Ifo-Instituts dürften sich unter normalen Umständen die Wachstumsraten der deutschen Wirtschaftsleistung bis Ende des Jahrzehnts zwischen etwa 0,5 und 0,75 Prozent bewegen. Da die Baby-Boomer-Generation aus dem Arbeitsleben ausscheide und weniger Menschen nachrückten, könne das Fehlen der Älteren nicht mehr kompensiert werden. "Damit nimmt der bereits jetzt beobachtete Fachkräftemangel noch spürbarer zu in den kommenden Jahren", sagte Ifo-Konjunkturforscher Robert Lehmann.

In der Übergangsphase, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen, blieben die Konsumenten und deren Konsumlaune zunächst recht stabil, so Lehmann. Es könne auch sein, dass "die hohen Ersparnisse der dann lebenden Rentnergeneration zu einem deutlichen Konsumschub führen". Produktionsmöglichkeiten und Wirtschaftswachstum würden aber geringer ausfallen.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Januar 2023 um 06:49 Uhr und am 29. Januar 2023 um 08:00 Uhr in den Nachrichten.