Möglicher Standort für LNG-Terminal Hafen Brunsbüttel
Analyse

Flüssigerdgas aus Katar Was die neuen Lieferungen bringen

Stand: 29.11.2022 15:00 Uhr

Die Bundesregierung versucht seit Monaten, die russischen Gaslieferungen zu ersetzen. Experten sehen im LNG-Liefervertrag mit Katar einen Baustein - aber keine Rettung vor drohenden Engpässen.

Eine Analyse von Andreas Braun, tagesschau.de

Nach langen Verhandlungen hat der katarische Energieminister Saad Scharida al-Kaabi heute ein Abkommen über Flüssiggaslieferungen nach Deutschland verkündet. Es dürfte einen Teil der künftigen Versorgung Deutschlands mit Erdgas sicherstellen. Doch die Lösung für das aktuelle Gasproblem stellt es Experten zufolge nicht dar.

Lieferungen von Flüssigerdgas ab 2026 aus Katar

Kirsten Girschick, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 29.11.2022 22:45 Uhr

Deal nach monatelangen Verhandlungen

Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses überrascht viele Beobachter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in der vergangenen Woche in einem Interview erklärt, der Kauf von verflüssigtem Erdgas (LNG) in Katar sei nicht vom Tisch. Noch im Oktober aber hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Spekulationen angefacht, der Deal sei geplatzt. Katar habe sich entschieden, "kein gutes Angebot zu machen", so Habeck damals. Der Minister war bereits im März an den Golf gereist, um sich für LNG-Lieferungen aus dem Emirat einzusetzen.

"Gute Perspektive für Terminals"

Die Entscheidung für ein Abkommen könnte nun ein Indiz dafür sein, dass Katar seine Flüssiggasexporte nun insgesamt forcieren und langfristige Verträge schließen will. Mit China wurde fast zeitgleich ein Liefervertrag abgeschlossen.

Offenbar war unter anderem die Frage der Laufzeit zunächst strittig zwischen Deutschland und Katar. Nun haben beiden Parteien Lieferungen über mindestens 15 Jahre vereinbart. "15 Jahre ist super", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin. Und Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas, hält die Übereinkunft für "eine gute Perspektive für die landbasierten Terminals" für Flüssigerdgas, die in Deutschland in Betrieb gehen sollen.

Es hätte indes auch längere Verträge geben können. Allerdings plant Deutschland ab 2045 die Klimaneutralität. Entsprechend soll der Gasverbrauch spätestens ab 2040 verringert werden.

Tanker kommen erst 2026

Bei der Versorgung der deutschen Haushalte und der Industrie in den kommenden Wintern werden die vereinbarten LNG-Lieferungen aus Katar nicht helfen. Denn erst 2026 soll das verflüssigte Erdgas auf den Weg nach Deutschland gebracht werden. Dieser Startzeitpunkt sei spät, sagte Andreas Schröder, Energieexperte des Beratungsunternehmens ICIS. "Wenn sich deutsche Marktteilnehmer nicht genügend Mengen zu einem angemessenen Preis für 2023 sichern, werden sie auf die Spotmärkte für LNG ausweichen müssen, was sie den weltweiten Preisschwankungen aussetzt."

Experten rechnen vor allem im Winter 2023/2024 mit möglichen Engpässen bei der Gasversorgung. Die Gasspeicher könnten - vor allem bei einem harten Winter in diesem Jahr - zum Großteil geleert werden. Und für das Wiederauffüllen ab dem Frühjahr steht kein russisches Pipelinegas zur Verfügung.

Etwa drei Prozent des Gasbedarfs abgedeckt

Auch die Mengen an LNG, die Katar in vier Jahren liefern will, können bei Deutschlands Versorgung mit Erdgas nur ein Baustein von vielen sein. Katar will ab 2026 jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas bereitstellen. Das entspricht rund 2,8 Milliarden Kubikmetern Erdgas. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 90 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht.

Sebastian Gulbis, Enervis, zum Gasabkommen mit Katar

tagesschau24 14:00 Uhr

Selbst wenn der Verbrauch des laufenden Jahres und der Folgejahre um zehn bis 15 Prozent unter diesem Wert liegen sollte, kann das Flüssigerdgas aus Katar also nur drei bis vier Prozent des deutschen Gasbedarfs der kommenden Jahre abdecken. "Wir reden bei der deutschen Gasversorgung natürlich von großen Mengen, mit denen russisches Erdgas ersetzen werden soll", sagte Sebastian Gulbis vom Energieberatungsunternehmen Enervis gegenüber tagesschau24. "Der Vertrag mit Katar ist ein Baustein dazu."

LNG-Lieferanten aus vielen Ländern

Weitere Verträge müssen demnach noch abgeschlossen werden. Katar sei "nicht der einzige Anbieter auf dem Weltmarkt", sagte Wirtschaftsminister Habeck dazu heute.

In den vergangenen Monaten hatten vor allem LNG-Lieferungen aus den Niederlanden, Belgien und den USA zur Versorgung auf dem deutschen Energiemarkt beigetragen. Die eigenen LNG-Terminals in Deutschland, die den Plänen zufolge in diesem Winter mit der Verarbeitung des in Tankern angelieferten Flüssiggases beginnen, sollen insgesamt eine Kapazität von 25 Milliarden Kubikmetern Gas haben - und damit ein Viertel des gesamten Erdgasbedarfs des Landes abdecken können.

Das Flüssigerdgas aus Katar, das zunächst von Schiffen des US-Energiekonzerns Conoco nach Deutschland transportiert wird, soll in vier Jahren am LNG-Terminal in Brunsbüttel verarbeitet werden. Dort werden noch im Dezember dieses Jahres erste LNG-Lieferungen vom persischen Golf erwartet - allerdings vom Emirat Abu Dhabi, mit dem der deutsche Energiekonzern RWE eine Liefervereinbarung geschlossen hat. Mit 150.000 Kubikmetern Gas deckt aber auch diese nur einen kleinen Teil des deutschen Erdgasbedarfs ab. Viele weitere müssen noch folgen.

"Katar hat die Konditionen vorgegeben", Ramin Sina, ARD Kairo, zzt. Katar, zu den Flüssigerdgaslieferungen

tagesthemen, tagesthemen, 29.11.2022 22:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 29. November 2022 um 14:00 Uhr.