An einem Altbau wird mit Hilfe eines Baugerüstes während der Renovierung des Hauses eine Wärmedämmung an die Fassade angebracht.  | dpa

IW-Umfrage Pessimismus erfasst deutsche Firmen

Stand: 09.01.2023 10:08 Uhr

Steht die deutsche Wirtschaft vor einer Rezession? Einer aktuellen Umfrage zufolge rechnen 40 Prozent der Unternehmen dieses Jahr mit weniger Produktion. Vor allem die Bauwirtschaft erwartet ein schwieriges Jahr.

Die deutsche Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr mit einer schwierigen konjunkturellen Lage zu kämpfen haben. Unklar ist aber, wie kritisch die Situation tatsächlich werden wird. Aus einer Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 2500 Unternehmen geht nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hervor, dass vier von zehn Firmen in Deutschland in diesem Jahr mit einer Rezession rechnen. Nur gut ein Viertel der Betriebe geht von einer höheren Geschäftstätigkeit aus, rund 35 Prozent erwarten eine Stagnation.

Die Geschäftserwartungen der Firmen haben sich demnach im Jahresverlauf 2022 erheblich eingetrübt. "In der Bauwirtschaft wird eine ernste Rezession vorhergesehen, auch in der Industrie dominieren die Pessimisten", zitiert Reuters aus der Umfrage. Die verschlechterten Produktionserwartungen für 2023 seien in allen Wirtschaftsräumen nahezu gleichermaßen zu beobachten.

Finstere Lage in der Bauwirtschaft

Zum Jahresende 2022 bewerteten nur noch 32 Prozent der vom IW befragten Unternehmen ihre gegenwärtige Geschäftslage besser als vor einem Jahr. Der Anteil der Firmen mit einer schlechteren Lage stieg deutlich auf ein Drittel. "Die Belastungen durch hohe Energiekosten und anhaltende Materialprobleme haben somit bereits deutliche Spuren im Wirtschaftsleben hinterlassen", heißt es in der Umfrage. Die zunächst bestehende Zuversicht sei "zerrieben".  

Düster sieht es vor allem am Bau aus. Dort rechnen nur 15 Prozent der befragten Betriebe für 2023 mit einem Produktionsplus. Dagegen erwarten fast 54 Prozent einen Rückgang und fast ein Drittel eine gleichbleibende Wirtschaftsleistung. Die Branche leidet unter gestiegenen Preisen und höheren Zinsen.

Industrieproduktion erholt sich leicht

Auch in der Industrie sei der Anteil der pessimistisch gestimmten Unternehmen mit 39 Prozent deutlich höher als der der Optimisten (knapp 28 Prozent), so die Ökonominnen und Ökonomen des IW. "Dieser insgesamt negative Befund ergibt sich vor allem aus der erheblich zurückhaltenden Einschätzung in der Konsum- und Grundstoffindustrie."

Aktuellen Daten zufolge konnte sich die Industrie aber im vergangenen November ein wenig erholen. Die Gesamtproduktion stieg zum Vormonat um 0,2 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt heute mit. Hintergrund sind dicke Auftragspolster und schwindende Materialengpässe. Der Zuwachs folgt auf einen Rückgang um 0,4 Prozent im Oktober. Bankökonomen hatten aktuell mit einem etwas deutlicheren Anstieg um 0,3 Prozent gerechnet. Gegenüber dem Vorjahresmonat war die Produktion erneut rückläufig. Bei den Auftragseingängen hatte es zuletzt einen Rückschlag gegeben.   

Rezession oder nicht?

Überraschend sei, dass diese Zahlen so unauffällig seien, meint LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Vor ein paar Monaten musste man befürchten, dass die Industriekonjunktur angesichts einer drohenden Gasmangellage einknicken könnte. So kam es nicht. Das zeigt die bemerkenswerte Flexibilität der Industrie, die in einem erheblichen Maße zur Senkung des Gasverbrauchs beigetragen hat." Niklasch hält es für möglich, dass Deutschland ohne Rezession durch diesen Winter kommt.

"Dass eine tiefe Rezession wie nach der Finanzkrise oder Corona im Euroraum und in Deutschland ausbleibt, ist mittlerweile Konsens", urteilt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Schließlich sei eine Gasmangellage unwahrscheinlich geworden. Nicht zuletzt wegen des vergleichsweise milden Winters haben sich außerdem die Energiepreise trotz des anhaltenden Ukraine-Kriegs entspannt.

Preisbereinigtes Minus im Einzelhandel

Laut IW-Umfrage halten sich bei den Betrieben der Dienstleistungsbranche positive (29 Prozent) und negative (32 Prozent) Erwartungen aktuell fast die Waage. Knapp 40 Prozent gehen von stabilen Geschäften aus. "Einer negativen Stimmung im Handel stehen gute Aussichten in den Bereichen IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) und Medien entgegen."

Vor einigen Tagen hatte der Einzelhandel Umsatzdaten publiziert. Steigende Preise haben die Umsätze im Einzelhandel in Deutschland im abgelaufenen Jahr auf Rekordniveau gehoben. Nominal lagen die Erlöse um 8,2 Prozent über dem bisherigen Rekordjahr 2021, wie das Statistische Bundesamt auf Basis der Daten bis einschließlich November hochgerechnet hat. Rechnet man die Preiserhöhungen heraus, ergibt sich nach dieser Schätzung aber ein Minus von 0,3 Prozent zum Vorjahr.

Dies erklärt die geringe Zuversicht in der Branche. "Unsere aktuelle Trendumfrage im Einzelhandel zeigt, dass die Mehrheit der Händler nicht damit rechnet, dass die Umsätze sich im Jahr 2023 erholen werden", sagte jüngst der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth.

Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Januar 2023 um 11:00 Uhr.