Eine Frau untersucht einen Bogen mit Hundert-Rubel-Banknoten, die in der Moskauer Druckerei von Goznak hergestellt wurden.
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Russische Währung unter Druck Was hinter der Rubel-Schwäche steckt

Stand: 16.08.2023 15:03 Uhr

Die russische Zentralbank versucht, den Rubel-Verfall mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Doch damit dürfte sie nur wenig Erfolg haben. Warum der Rubel es auch künftig schwer haben wird.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Wie schlimm ist der Rubel-Kurssturz?

Die russische Währung steht seit dem Jahreswechsel unter Druck. Zuletzt hatte sich der Kursverfall des Rubel beschleunigt, Experten sprechen von einem regelrechten "Kollaps". Binnen Jahresfrist hat die russische Devise zum Dollar um 40 Prozent abgewertet.

Zum Euro fällt das Kursminus mit 45 Prozent sogar noch etwas höher aus. Zu Wochenbeginn war der Rubel auf die niedrigsten Stände seit März 2022 gefallen. Zeitweise wurden mehr als 100 Rubel für einen Dollar und mehr als 110 Rubel für einen Euro fällig.

Was ist der Grund für den drastischen Kursverfall des Rubel?

Eine plausible Erklärung dafür ist in erster Linie die sich verschlechternde Handelsbilanz Russlands. Die russischen Exporte sind massiv gesunken - dahinter stecken fallende Einkünfte aus dem Verkauf von Öl und Erdgas im Ausland. Zugleich haben die Importe, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine komplett eingebrochen waren, wieder angezogen.

Die logische Folge: Der russische Handelsbilanzüberschuss (Exporte minus Importe) ist deutlich gefallen, das drückt wiederum den Wechselkurs des Rubel. Die russische Zentralbank rechnet mit einem Einbruch des Handelsbilanzüberschusses im laufenden Jahr um fast 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Welche Rolle spielen dabei die westlichen Sanktionen?

Die russischen Exporte sind vor allem wegen der gesunkenen Energiepreise, des Stopps russischer Gas-Verkäufe nach Europa und wegen des westlichen Boykotts russischen Öls gefallen. Der Preisdeckel für russisches Öl von 60 Dollar je Barrel trug ebenfalls dazu bei - auch wenn Russland diese Preisgrenze offenbar mithilfe eines Schlupflochs in Form von höher veranschlagten Transportkosten teils umgehen konnte. Vor allem Indien und China zeigten eine große Bereitschaft, russisches Öl abzunehmen.

Gibt es noch andere Gründe für die Rubel-Schwäche?

Experten vermuten, dass neben der schlechteren Handelsbilanz auch eine zunehmende Kapitalflucht aus Russland verantwortlich ist. Zwar hatte die russische Zentralbank die Kapitalverkehrskontrollen - ursprünglich 2022 eingeführt, um den Devisenmarkt zu stabilisieren - erst im Frühjahr verlängert.

Doch die Kapitalverkehrskontrollen sollen zunehmend löchrig geworden sein. Immer mehr reichen Russen soll es so möglich sein, ihr Geld ins Ausland zu bringen. "Der Anreiz, Kapital aus Russland abzuziehen, dürfte gewaltig sein", betont denn auch Commerzbank-Experte Tatha Ghose.

Was tut die russische Notenbank gegen den Rubel-Kurssturz?

Die russische Zentralbank (CBR) hat auf den Kurssturz des Rubel mit einer außerordentlichen Zinssitzung reagiert, auf der sie den Leitzinses drastisch von 8,5 auf 12,0 Prozent erhöhte. Diese Entscheidung sei getroffen worden, "um die Risiken hinsichtlich der Preisstabilität zu minimieren", erklärte die Zentralbank und schloss weitere Zinserhöhungen ausdrücklich nicht aus.

Was bringt die Zinserhöhung der Notenbank?

Fakt ist, dass ein schwacher Rubel natürlich das Potenzial dazu hat, die Inflation weiter anzuheizen. Insofern ist die Reaktion der Zentralbank nachvollziehbar. Fakt ist aber auch, dass bereits ein Leitzins von 8,5 Prozent sehr hoch war angesichts einer Inflationsrate von 4,3 Prozent. Das entsprach nämlich einem positiven Realzins - also Nominalzins abzüglich Inflation - von 4,2 Prozent.

Nach der gestrigen Zinserhöhung liegt der Realzins nun sogar bei 7,7 Prozent. Zum Vergleich: In der Eurozone lag der Realzins zuletzt bei minus 1,1 Prozent. Mit anderen Worten: Das Problem des Rubel sind sicherlich nicht die heimischen Zinsen - die waren auch schon vor der jüngsten Zinserhöhung bereits hoch genug.

Warum hat dann aber die Zentralbank die Zinsen überhaupt erhöht?

Devisen-Experten wie Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank sind überzeugt, dass die Notenbank damit in erster Linie auf politischen Druck reagiert hat. Als am Montag die 100-Rubel-Marke zum Dollar überschritten wurde, war für die Regierung offenbar eine Grenze erreicht. Ein Wirtschaftsberater des Kreml hatte den Rubel-Verfall öffentlich kritisiert.

Dass die russische Zentralbank aber überhaupt auf politischen Druck reagiert, ist allerdings ein bemerkenswerter Wandel, war sie doch seit dem Amtsantritt von Notenbankchefin Elwira Nabiullina ein Hort der wirtschaftspolitischen Vernunft und Unabhängigkeit gewesen. Das scheint nun vorbei zu sein.

Wie sind jetzt die weiteren Perspektiven für den Rubel?

Der Rubel hat von der Leitzinserhöhung nur wenig profitieren können. Zur Wochenmitte liegt er aber immerhin wieder unter der Marke von 100 Rubel pro Dollar. Marktbeobachter und Ökonomen zeigen sich wenig verwundert. Da die Leitzinserhöhung die eigentlichen Ursachen des Rubel-Verfalls nicht beseitigt, rechnen sie mit einer längerfristigen Schwächephase der russischen Devise.

So erwartet etwa Chris Weafer von Macro Advisory Partners einen Kurs um die 95 Rubel zum Dollar für die kommenden Monate - also ungefähr da, wo die Regierung den Rubel gerne sehen würde. Laut Ekaterina Zolotova, Russland-Analystin beim US-Thinktank "Geopolitical Futures", strebt die Regierung einen Wechselkurs von 80 bis 90 Rubel je US-Dollar an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 16. August 2023 um 12:37 Uhr.