Wall Street Straßenschild vor einer amerikanischen Flagge.
marktbericht

Nach neuen Konjunkturdaten Zinsfantasie stützt die Wall Street

Stand: 21.12.2023 22:19 Uhr

Neue, etwas schwächere Konjunkturdaten haben Zinshoffnungen an der Wall Street geschürt. Die großen US-Aktienindizes legten zu und holten Verluste vom Vortag wieder auf.

Anders als in Europa haben die US-Börsen heute freundlich tendiert. Am Ende legten die großen Wall Street-Indizes unisono zu. Verluste vom Vortag wurden damit teilweise wieder wett gemacht. Der heimische DAX konnte von der guten Stimmung in New York heute allerdings nicht profitieren.

Der Leitindex Dow Jones gewann am Ende des Tages 0,87 Prozent auf 37.404 Punkte. Der marktbreite S&P-500 legte 1,03 Prozent zu, an der Nasdaq lagen die Gewinne am Schluss bei gut 1,2 Prozent, ebenso beim Auswahlindex Nasdaq 100.

Immer wieder sind es Zinserwartungen, die die Wall Street antreiben. Zuletzt hatten sich Experten zufrieden darüber geäußert, dass sich die US-Wirtschaft nach den kräftigen Zinserhöhungen der Notenbank im Kampf gegen die Inflation zwar abschwäche, ohne aber in eine Rezession zu verfallen. Davon profitiert derzeit die Börse.

Die heutigen Daten bestätigen den Trend. So ist die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe weniger als erwartet gestiegen. Sie seien in der vergangenen Woche um 2.000 auf 205.000 geklettert, teilte das Arbeitsministerium heute mit. Analysten hatten im Schnitt einen Anstieg auf 215.000 erwartet. Die Daten deuten weiterhin auf einen robusten Arbeitsmarkt hin, da die Erstanträge auf Arbeitshilfe auf vergleichsweise niedrigem Niveau rangieren.

Zudem wuchs die Wirtschaft im Sommer laut einer dritten Schätzung mit 4,9 Prozent etwas schwächer als bisher bekannt. Außerdem trübte sich das Geschäftsklima in der US-Region Philadelphia im Dezember kräftig ein. Schwache Wirtschaftsdaten heizen die Hoffnung auf Zinssenkungen an.

"Die Wirtschaftsdaten deuten auf eine Abschwächung hin", sagte Peter Cardillo, Chefökonom beim Finanzdienstleister Spartan Capital Securities. Er zeigte sich allerdings vorsichtig. "Die Märkte steigen, weil die Renditen sinken, und die Renditen sinken, weil der Markt von einer wirklich schwachen Wirtschaftstätigkeit im nächsten Jahr ausgeht und davon, dass die Fed die Zinssätze senken wird.

Die Anteilscheine von Salesforce gewannen im Dow 2,7 Prozent und profitierten damit von einer positiven Studie der Bank Morgan Stanley. Analyst Keith Weiss sieht entgegen den gedämpften Investorenerwartungen Umsatztreiber für den Softwarekonzern. Dazu gehörten etwa Preiserhöhungen und das Cloud-Geschäft.

Micron-Papiere legten an der Nasdaq deutlich um 8,6 Prozent zu. Die starke Nachfrage nach Speicherchips für die Künstliche Intelligenz (KI) lässt Micron Technology optimistisch in die Zukunft blicken. "Die Nachfrage nach KI-Servern ist stark", sagte Konzernchef Sanjay Mehrotra.

Betreiber von Rechenzentren würden ihre Budgets von traditionellen Servern zu inhaltsreicheren KI-Servern verlagern. Im zweiten Quartal erwartet Micron deshalb einen Umsatz von rund 5,3 Milliarden Dollar, mit einer möglichen Abweichung von plus oder minus 200 Millionen Dollar. Damit übertraf der Konzern die Erwartungen der Analysten, die Erlöse von 5,03 Milliarden Dollar prognostiziert hatten.

Der US-Sportartikel-Hersteller Nike hat mit seinen Aussagen zur Umsatzentwicklung für Enttäuschung unter Anlegern gesorgt. Nike-Aktien geben nachbörslich fast sieben Prozent nach.

Zwar legten die Erlöse des Adidas-Erzrivalen insgesamt um ein Prozent auf 13,4 Milliarden Dollar zu. Analysten hatten allerdings etwas mehr erwartet. Der Umsatz in der Region Groß-China verpasste trotz eines Anstiegs um vier Prozent ebenfalls die Erwartungen. Investoren betrachten die Verkäufe in der Volksrepublik China und Taiwan sehr genau. Befürchtet wird ein Rückgang der Konsumausgaben dort.

Nike-Manager haben sich in diesem Jahr wiederholt zuversichtlich hinsichtlich einer Erholung geäußert. Nun kündigte Nike-Finanzchef Matt Friend einen abgeschwächten Umsatzausblick für die zweite Hälfte des laufenden Geschäftsjahres an. Der Gewinn legte unter dem Strich um 19 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar zu, wie das Unternehmen nach US-Börsenschluss mitteilte. Die Lagerbestände sanken um 14 Prozent auf 8 Milliarden Dollar.

Nike kündigte Kostensenkungen von zwei Milliarden Dollar an, welche zu einer Vorsteuerbelastung von 400 bis 450 Millionen Dollar führen werden. Diese hauptsächlich für Abfindungen entlassener Mitarbeiter anfallenden Kosten dürften vor allem im laufenden Quartal verbucht werden.

Der DAX ist heute den ganzen Tag nicht aus dem Minus gekommen und schloss letztlich bei 16.687 Punkten um 0,27 Prozent moderat schwächer. Bei einer überschaubaren Handelsschwankung zwischen 16.624 und 16.708 Punkten scheuten die Anleger kurz vor der Weihnachtspause neue Risiken.

Damit rückt die in der Vorwoche markierte neue Rekordmarke bei 17.000 Punkten erst einmal in weitere Ferne, ohne aber dass es bisher eine größere Korrektur gegeben hätte. Gestern hatte der DAX ebenfalls im Minus bei 16.733 Punkten geschlossen. Der MDAX der mittelgroßen Werte gab 0,49 Prozent nach auf 27.219 Punkte.

Das Fehlen vieler Marktteilnehmer vor den Feiertagen und dem Jahresende macht sich inzwischen bemerkbar: "Das Handelsvolumen ist stark ausgedünnt und die Volatilität weiterhin auf einem geringen Niveau", schrieb Marktbeobachter Andreas Lipkow. "Die bevorstehenden Feiertage werfen bereits ihre Schatten voraus und in den noch restlichen vier Handelstagen werden sich kaum noch größere Ereignisse oder Handelsimpulse ergeben."

Trotz der aktuellen Schwäche liegt das Plus im Börsenjahr 2023 derzeit aber immer noch bei rund 20 Prozent. Massive Zinshoffnungen, die den Anstieg im Schlussquartal maßgeblich befeuert haben, sind nun aber längst eingepreist, und ohne neue Impulse mieden die Investoren größere neue Risiken.

Insbesondere die Frage, wann die Notenbanken konkret mit Zinssenkungen beginnen, bleibt weiter offen. Hier ist die Stimmung an der Börse offenbar besser als die Lage. "Angesichts der historischen Höchststände an den Aktienmärkten und der niedrigen Arbeitslosigkeit scheint aus unserer Sicht ein seltsamer Zeitpunkt für eine geldpolitische Lockerung zu sein", sagte Mark Dowding, Chefanleger beim Vermögensverwalter RBC BlueBay.

Update Wirtschaft vom 21.12.2023

tagesschau24, 21.12.2023 09:00 Uhr

Der Euro legte heute zu. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung im US-Handel 1,0994 Dollar. Am Morgen hatte sie noch rund einen halben Cent niedriger notiert. Kurzzeitig war der Euro über 1,10 Dollar gestiegen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0983 (Mittwoch: 1,0944) Dollar fest.

Der Euro profitierte von einer Dollar-Schwäche. Die US-Währung gab zu allen wichtigen Währungen nach. In den USA fiel das Wirtschaftswachstum im Sommerquartal niedriger aus als bisher bekannt. Zudem wurde der Preisauftrieb schwächer, gemessen an dem von der US-Notenbank Fed besonders beachteten Indikator PCE. Die Daten machen Zinssenkungen der Fed etwas wahrscheinlicher.

Sowohl der Preis für die Nordseesorte Brent als auch für die US-Sorte WTI geben am späten Nachmittag rund 0,7 Prozent nach. Zuvor hatte Angola seinen Rücktritt aus der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) angekündigt. Die Mitgliedschaft sei nicht im nationalen Interesse des afrikanischen Landes, sagte Öl-Minister Diamantino Azevedo heute in einer Fernsehansprache.

Zudem habe Angola, das dem Ölkartell erst seit 2007 angehört, innerhalb des Energie-Kartells keine relevante Rolle gespielt. Würde man weiter Mitglied bleiben, könnte man früher oder später zu Produktionskürzungen gezwungen werden. Dies würde den Zielen des Landes entgegenstehen. Eine Stellungnahme der OPEC lag nicht vor. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur Angop den Schritt gemeldet.

Zuletzt hatten sich insbesondere afrikanische Länder gegen Produktionskürzungen im Kartell ausgesprochen, die maßgeblich von den Großproduzenten Saudi-Arabien und auch Russland initiiert worden waren. Im vergangenen Monat hatte die (um Russland) erweiterte OPEC+ Ölproduzentengruppe das Förderziel von Angola auf 1,11 Millionen Barrel pro Tag (bpd) gesenkt. Azevedo schickte daraufhin eine Protestnote an die OPEC.

Die Gewinnmitnahmen im Autosektor setzten sich heute fort. Im europaweiten Vergleich war die Branche der größte Verlierer. Im DAX gehörten Anteile an der Porsche-Holding zu den größten Verlierern, auch die Kurse der Hersteller Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz gaben nach.

Der Sektor hatte mit dem Gesamtmarkt in den vergangenen Wochen reichlich Auftrieb erhalten. Dabei beflügelte auch die Aussicht auf bald wieder sinkende Leitzinsen. Niedrigere Zinsen tun auch den Autoverkäufen der Hersteller gut, denn viele Fahrzeuge werden auf Kredit erworben.

Der Energiekonzern RWE übernimmt die vom schwedischen Energieversorger Vattenfall auf Eis gelegten Windpark-Projekte vor der Küste Großbritanniens. Für die drei Anlagen mit jeweils 1,4 Gigawatt legt RWE insgesamt 963 Millionen Pfund (umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro) auf den Tisch, wie der DAX-Konzern aus Essen heute mitteilte. Die Transaktion soll im ersten Quartal 2024 unter Dach und Fach sein. Alle drei Norfolk-Projekte will das Unternehmen noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb nehmen.

Vattenfall hatte sein begonnenes Projekt Norfolk Boreas wegen explodierender Kosten im Juli gestoppt. Dafür wollte der Konzern Wertminderungen auf sein Windkraftgeschäft in Norfolk vornehmen. "Dieser Verkauf bedeutet, dass wir die Wertminderung und die Anfang des Jahres gebildeten Rückstellungen rückgängig machen", teilte das schwedische Unternehmen mit.

Der britische Ölkonzern Harbour Energy will die BASF-Tochter Winterhall Dea übernehmen. Eine Vereinbarung zwischen BASF, dem weiteren Wintershall-Eigner LetterOne sowie Harbour zum Zusammenschluss der Geschäfte sei unterzeichnet worden, teilte der Ludwigshafener Chemiekonzern heute mit. BASF hält 72,7 Prozent an dem Öl- und Gaskonzern und LetterOne 27,3 Prozent.

Die beiden Eigner sollen insgesamt 2,15 Milliarden Dollar sowie einen Anteil an dem kombinierten Unternehmen erhalten. Der Baranteil für BASF liege dabei bei 1,56 Milliarden Dollar. Die Ludwigshafener sollen eine Beteiligung von 39,6 Prozent an dem fusionierten Konzern bekommen. Die Transaktion bewertet Wintershall Dea mit rund 10,2 Mrd Euro. Ein Abschluss des Geschäfts wird für das vierte Quartal 2024 angestrebt. Die BASF-Aktie gab anfängliche Gewinne nach Bekanntwerden der Transaktion im Verlauf wieder ab.

Die Commerzbank darf Aktien im Volumen von bis zu 600 Millionen Euro zurückkaufen. Das Geldhaus erhielt nach eigenen Angaben die Genehmigung der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Maßnahme. Zusammen mit der Zustimmung der Deutschen Finanzagentur seien damit alle Genehmigungserfordernisse erfüllt, teilte die Bank weiter mit. Der Vorstand beabsichtige, auf dieser Grundlage Anfang Januar die Umsetzung des Aktienrückkaufs zu beschließen. Die zurückgekauften Aktien der Commerzbank sollen eingezogen werden. Seit der Finanzkrise von 2008 ist der Bund mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt. Das Commerzbank-Papier legte rund 1,3 Prozent zu und war damit heute DAX-Primus.

Im Dow konnten Aktien des Flugzeugbauers Boeing anfangs höhere Gewinne nicht verteidigen und schlossen am Ende unter Tageshoch 0,68 Prozent höher. Sie setzen damit aber ihren jüngsten Höhenflug fort.

Das Boeing-Papier profitierte anfangs davon, dass der Flugzeugbauer laut einem Bericht des Fachportals "The Air Current" nach jahrelangem Stopp wieder Mittelstreckenjets der 737-Max-Reihe nach China liefern darf. Die chinesische Zivilluftfahrtbehörde CAAC habe die entsprechende Genehmigung erteilt, berichtete der abonnementbasierte Dienst und berief sich dabei auf zwei mit der Sache vertraute Personen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg gab China zudem die Auslieferung des ersten Großraumjets vom Typ 787 "Dreamliner" seit mehr als zweieinhalb Jahren frei.

Die Anleger deckten sich heute mit Papieren des E-Autobauers Tesla ein, die Aktie zog fast drei Prozent an. Die US-Regierung erwägt einem Medienbericht zufolge höhere Zölle für einige Waren aus China, darunter Elektrofahrzeuge. Das berichtete das "Wall Street Journal" am Mittwoch (Ortszeit) unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Demnach soll Anfang nächsten Jahres eine Überprüfung der Zölle abgeschlossen werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. Dezember 2023 um 09:00 Uhr.