Schatten von Passanten vor der Fassade der new York Stock Exchange
marktbericht

Aktien und Renten verlieren Dunkle Wolken über der Wall Street

Stand: 26.09.2023 22:26 Uhr

Eine Mischung aus Zins- und Konjunkturängsten sorgt derzeit für viel Verunsicherung an der Börse und bescherte dem DAX heute einen weiteren Verlusttag. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Aussicht auf längerfristig höhere Zinsen sowie womöglich weitere Zinserhöhungen belastete auch heute die Aktienmärkte in New York deutlich. Die Anleger hätten weiterhin mit den Aussichten einer anhaltenden restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft zu kämpfen, sagten Börsianer.

"Es herrscht so viel Unsicherheit am Markt", sagte Chris Giamo, Finanzexperte bei der TD Bank. Die Kursrichtung werde maßgeblich von dem Zinsthema bestimmt.

Zur ohnehin schlechten Stimmung an der Wall Street kommen angesichts des bald endenden Haushaltsjahres Sorgen um einen möglichen Regierungsstillstand. Sollten sich das von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus und der von den Demokraten geführte Senat nicht einigen, droht dieses Szenario zum vierten Mal innerhalb eines Jahrzehnts.

Nachdem sich die US-Börsen gestern in einer Gegenbewegung noch leicht ins Plus gerettet hatten, gelang ihnen dies heute nicht. Alle großen Indizes schlossen klar im Minus und weiteten dabei im Verlauf ihre Verluste aus. Auch der Dow-Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte. Dieser verlor 1,14 Prozent und musste bei einem Schlussstand von 33.618 Punkten die gestern knapp erreichte Marke von 34.000 Punkten wieder abgeben.

An der technologielastigen und zinssensitiven Nasdaq ging es 1,57 Prozent bergab, der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor 1,51 Prozent. Der marktbreite S&P-500-Index ging um 1,47 Prozent auf 4273 Punkte schwächer aus dem Handel.

Das Zinsthema bestimmte erneut auch die Tendenz am Anleihemarkt: die Rendite der US-Papiere mit zehn Jahren Laufzeit stieg auf bis zu 4,57 Prozent und damit auf ein 16-Jahres-Hoch. Anleger spekulieren auf höhere Zinssätze für einen längeren Zeitraum und trennen sich deshalb von Staatspapieren - im Gegenzug zieht die Rendite an.

Eine Wende am Rentenmarkt sei nicht absehbar, wie Chris Iggo, Chef-Anlagestratege bei Axa Investment Managers betonte: "Ohne weitere Hinweise auf eine nachlassende Konjunktur und eine Rückkehr der Inflation zum Zielwert wird die Fed die Geldpolitik entweder weiter straffen oder den aktuellen Zins noch länger beibehalten. Alle großen Notenbanken sprechen sich zurzeit für 'higher for longer' aus."

Damit drohe eine neue Situation an den Finanzmärkten, die sich von den vorangegangenen Dekaden unterscheide. "Investoren müssen beachten, dass die Zinsen in nächster Zeit höher sein könnten, als sie es aus den letzten 20 Jahren kennen", so Iggo. Hierdurch werde der Anleihemarkt aber zu einer ernsthaften Alternative zu Aktienanlagen.

Neue Konjunkturzahlen fielen uneinheitlich aus. Während der auch an der Börse beachtete Case-Shiller-Index im Jahresvergleich erstmals seit Februar wieder einen Preisanstieg von Immobilien in den 20 größten Großstadtregionen der USA anzeigte, sanken die Neubauverkäufe im August im Monatsvergleich um 8,7 Prozent - Experten hatten nur einen Rückgang von 2,2 Prozent prognostiziert. Auch das vom privaten Conference-Board-Institut ermittelte Verbrauchervertrauen sank im September überraschend auf 103 Punkte, hier war ein Wert von 105,5 Punkten erwartet worden.

Amazon Papiere gaben in einem ohnehin schwachen allgemeinen Marktumfeld für Techwerte gut vier Prozent nach. Ein Grund: Die US-Behörde Federal Trade Commission (FTC) hat heute eine lang erwartete Kartellklage gegen Amazon eingereicht. Darin beschuldigt sie den Online-Händler, den Verbrauchern durch höhere Preise zu schaden. Dies ist die jüngste Klage der US-Regierung, die darauf abzielt, die Vorherrschaft von großen Tech-Konzernen im Internet zu brechen.

Die Klage war nach jahrelangen Beschwerden erwartet worden. Amazon und anderen Tech-Riesen wird vorgeworfen, ihre Vormachtstellung in den Bereichen Suche, soziale Medien und Online-Einzelhandel zu missbrauchen, um die lukrativsten Aspekte des Internets zu kontrollieren.

Der Klage, der sich 17 Generalstaatsanwälte angeschlossen haben, gingen eine vierjährige Untersuchung und Bundesklagen gegen die Alphabet-Tochter Google und die Facebook-Mutter Meta voraus. Die FTC verlangt vom zuständigen Gericht, eine dauerhafte Verfügung zu erlassen, die Amazon sein mutmaßlich rechtswidriges Verhalten verbietet.

Die Stimmung an der heimischen Börse bleibt angeschlagen und Besserung scheint nicht in Sicht. Nach dem schwachen Wochenstart gab der DAX heute weiter nach und schloss am Ende bei 15.255 Punkten, ein Minus von 0,97 Prozent. Im Tagestief war der deutsche Leitindex schon bis auf 15.229 Punkten gefallen, im Hoch waren es 15.360 Zähler. Seit dem gestrigen Tageshoch sind damit über 300 Punkte verloren gegangen.

Noch stärker sackte der industrie- und exportlastige MDAX ab, der 1,74 Prozent schwächer aus dem Handel ging bei 25.676 Punkten. Erneut kamen heute aus der Industrie mahnende Stimmen nach einer Verbesserung der Standortbedingungen in Deutschland. Die düsteren fundamentalen Szenarien aus den Wirtschaftsverbänden lasten zunehmend auf der Börse.

Mit den deutlichen Verlusten von gestern seien beim DAX nun "alle Dämme gebrochen", meint Marktanalyst Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. "Nächster Anlaufpunkt sind nun die 15.000 Punkte", so der Experte mit Blick auf das angeknackste Chartbild im deutschen Börsenindex. Der DAX bewegt sich inzwischen unterhalb der viel beachteten 200-Tage-Durchschnittslinie.

Hauptbelastungsfaktor bleiben derzeit die mauen Zinsperspektiven. "Die Börsen müssen sich auf hohe Zinsen für längere Zeit einstellen", begründete Jochen Stanzl vom Brokerhaus CMC Markets die Risikoscheu der Anleger.

Update Wirtschaft vom 26.09.2023

Melanie Böff, HR, tagesschau24, 26.09.2023 09:00 Uhr

Erst gestern hat EZB-Chefin Christine Lagarde nochmals deutlich gemacht, dass bei der Inflationsbekämpfung alle Optionen weiter auf dem Tisch liegen. Auch die US-Notenbank Federal Reserve verfolgt den gleichen Ansatz, so dass sich die Anleger längerfristig mit hohen Zinsen arrangieren müssen. Immer im Hinterkopf dabei die Sorge, dass das hohe Zinsniveau die Konjunktur abwürgt.

Vor allem die Bau- und Immobilienwirtschaft haben hierzulande die Zinswende schon zu spüren bekommen, in den USA sind es vor allem die hochbewerteten Technologieaktien, die besonders im Feuer stehen. Im DAX standen Aktien des Wohnungsbaukonzerns Vonovia mit einem Verlust von über fünf Prozent am Indexende.

Ein starker Dollar drückt die europäische Gemeinschaftswährung derzeit unter die Marke von 1,06 Dollar. Zuletzt notierte der Euro im US-Handel bei 1,0575 Dollar, womit er sein kurzes Zwischenhoch am Nachmittag im europäischen Handel nicht halten konnte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0605 (Montag: 1,0633) US-Dollar fest. "Der Euro bleibt zum US-Dollar in der Defensive", schrieben die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

Die Gemeinschaftswährung leidet unter dem starken Dollar, der von der trüben Stimmung an den Aktienbörsen profitiert. In schwierigen Zeiten gilt der Dollar als sicherer Hafen. Übergeordnet stützt die US-Zinsperspektive den Greenback.

Nach den Preisanstiegen seit Anfang Juli um etwa 25 Prozent schnauften die Erdölpreise zunächst durch, sind mittlerweile aber wieder auf Klettertour. Anhaltende Unterstützung kommt seit Wochen zwar von dem knappen Angebot großer Förderländer wie Saudi-Arabien oder Russland. Ein Gegengewicht stellt aber der aufwertende US-Dollar dar, der Rohöl für viele Interessenten verteuert. Denn Rohstoffe werden zumeist in der amerikanischen Währung gehandelt. Zuletzt kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent 92,61 Dollar, ein Plus von 0,8 Prozent.

Die Inflationsrate in Deutschland ist nach Prognose von Ökonomen im September deutlich gefallen. Die Verbraucherpreise dürften im Schnitt nur noch um 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zulegen, erwarten die von Reuters befragten Volkswirte von 13 Banken im Schnitt. Im August lag die Teuerungsrate noch bei 6,1 Prozent. Das Statistische Bundesamt will am Donnerstag seine erste Schätzung dazu veröffentlichen.

Die Stimmung in der deutschen Exportindustrie ist so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr. Das Barometer für die Exporterwartungen fiel im September auf minus 11,3 Punkte, von minus 6,5 Punkten im August, wie das Münchner ifo-Institut meldete. Nach dem fünften Rückgang in Folge liegt der Indikator nunmehr auf dem tiefsten Stand seit Mai 2020, als die Corona-Pandemie belastete. "Die Exportwirtschaft befindet sich in einer Schwächephase", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Ohne Nachrichten standen Papiere des Laborausrüsters Sartorius gegen den Trend an der DAX-Spitze. Auch Versicherungsaktien hielten sich im Umfeld gut, profitieren sie als große Kapitalsammelstellen sogar von steigenden Zinsen.

Hinter Vonovia verlor Siemens Energy ebenfalls deutlich über vier Prozent. Wenig gefragt waren auch die Aktien von Porsche und VW, die klare Verluste einfuhren.

Die angekündigte Untersuchung der Europäischen Union zu Pekings Beihilfen für Elektroautos könnte Kreisen zufolge auch nicht-chinesische Hersteller wie Tesla und BMW treffen. Der US-Elektropionier dürfte von Elektroauto-Subventionen in der Volksrepublik profitiert haben, auch die Münchener dürften Gegenstand der Untersuchung sein, berichtete die Nachrichtenagentur "Bloomberg" heute unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte vor knapp zwei Wochen angekündigt, dass die EU eine Untersuchung wegen staatlicher Unterstützung für Elektroautos aus China einleiten werde. "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt - das verzerrt unseren Markt", sagte sie im Europaparlament in Straßburg. Das sei nicht akzeptabel.

Der Pharma- und Technologiekonzern Merck investiert Millionen in zwei neue Produktionsstätten für mRNA-Wirkstoffe. Die mRNA-Technologie verspreche ein großes Potenzial, verschiedene Erkrankungen wie Krebs, Herzkrankheiten und Muskeldystrophie nicht nur zu behandeln, sondern möglicherweise auch zu heilen, teilte das DAX-Unternehmen heute anlässlich der Eröffnung der Produktionsstätten mit. Die mRNA-Methode wurde besonders durch die Corona-Impfstoffe von Biontech bekannt.

Volkswagen drosselt für zwei Wochen die Produktion von Elektroautos an den Standorten Zwickau und Dresden. In Zwickau werde in den Herbstferien eine Fertigungslinie heruntergefahren, sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Begründet wird der Schritt mit der schwächelnden Nachfrage. Die Produktion der Modelle ID.4, ID.5, Audi Q4 e-tron sowie Audi Q4 Sportback e-tron laufe im Dreischichtbetrieb weiter, hieß es. Auch in der Gläsernen Manufaktur in Dresden wird die Produktion des ID.3 für zwei Wochen ruhen.

Die Air France-KLM-Gruppe will 50 Airbus A350 bestellen. Hinzu komme eine Kaufoption von 40 weiteren Flugzeugen, teilte das Unternehmen in Paris mit. Die ersten Auslieferungen seien für 2026 und weiter bis 2030 geplant. Mit diesem Schritt will die Luftfahrtgruppe ihre Langstreckenflotte erneuern. Der Auftrag komme zusätzlich zu den bereits bestellten 41 Airbus A350, von denen 22 bereits geliefert seien, hieß es.

Gestern Abend war bekannt geworden, dass die Fondsgesellschaft DWS wegen Falschangaben zu "grünen" Kapitalanlagen und nicht ausreichender Geldwäschekontrollen eine Strafe von insgesamt 25 Millionen US-Dollar an die US-Börsenaufsicht SEC zahlen muss. Der Deutsche-Bank-Tochter DWS war vorgeworfen worden, sogenannte grüne Finanzprodukte als "grüner" verkauft zu haben, als diese tatsächlich sind.

Der Keramikhersteller Villeroy & Boch bekommt Anfang kommenden Jahres mit Gabi Schupp eine neue Vorstandsvorsitzende. Der Aufsichtsrat habe sie heute für den Posten bestellt, teilte das Unternehmen in Mettlach am Abend mit. Schupp wird die Nachfolge von Vorstandschef Frank Göring antreten.

Schupp war den Angaben zufolge in den vergangenen fünf Jahren für den Unternehmensbereich «Dining und Lifestyle», der etwa Geschirr, Gläser oder Besteck umfasst, verantwortlich. Vor ihrer Zeit bei Villeroy & Boch war Schupp demnach mehr als 20 Jahre bei dem US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble.

Das Unternehmen mit Sitz im saarländischen Mettlach hatte zuletzt die Jahresziele nach unten geschraubt, weil ihm die schwächelnde Baubranche zu schaffen macht. 2022 machte Villeroy & Boch einen Umsatz von rund 995 Millionen Euro und beschäftigte weltweit etwa 6400 Mitarbeiter.

Der Strahlen- und Medizintechnikkonzern Eckert & Ziegler aus dem SDAX hat sich einen Großauftrag aus den USA gesichert. Dabei gehe es um die Lieferung von trägerfreiem Lutetium-177 an die US-Firma Point Biopharma. Die Vereinbarung habe eine Laufzeit von zehn Jahren mit einem gesamten Umsatzvolumen von mehr als 100 Millionen Euro. Der Vertrag steht noch unter dem Vorbehalt, dass sich der von den Deutschen produzierte Stoff als für das vom Auftraggeber ins Auge gefasste Präparat geeignet erweist.

Der Gesundheitsschuh-Hersteller Birkenstock will einem Bericht der Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge die Zeichnungsfrist für seinen Börsengang in New York starten. Birkenstock wolle am 2. Oktober mit der offiziellen Werbetour für die Emission beginnen, bei der das Traditionsunternehmen aus Linz am Rhein mit rund zehn Milliarden Dollar bewertet werden könnte, hieß es in dem heute veröffentlichten Bericht unter Berufung auf mit der Anlegenheit vertraute Personen. Die Zeichnungsfrist solle wohl bis zum 10. Oktober dauern, einen Tag später wäre die Erstnotiz geplant. Der Zeitplan könnte durch einen drohenden Haushaltsnotstand in den USA aber noch durcheinandergewirbelt werden.

Birkenstock gehört der Beteiligungsfirma L Catterton, hinter der der französische Milliardär und LVMH-Großaktionär Bernard Arnault steht. L Catterton hatte vor gut zwei Jahren die Mehrheit an dem damaligen Familienunternehmen gekauft, das dabei mit rund vier Milliarden Dollar bewertet worden war.

Der weltweit größte Online-Versandhändler Amazon schließt sein Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle. Nach einer entsprechenden Anpassung des Logistiknetzwerks sei die Schließung des Amazon-Air-Standortes geplant, begründete ein Sprecher des US-Konzerns heute den Schritt. Von dem Aus sind nach Unternehmensangaben 400 Beschäftigte betroffen. Der Zeitpunkt der geplanten Schließung ist den Angaben nach noch offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. September 2023 um 09:05 Uhr in der Börse.