Händler an der New Yorker Börse.
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Nach neuen Konjunkturdaten Der Wall Street fehlt der Kompass

Stand: 05.01.2024 22:18 Uhr

Ähnlich wie zuvor in Europa haben auch die US-Börsen zum Wochenschluss richtungslos tendiert. Neue Konjunkturdaten fielen uneinheitlich aus, so dass die Anleger Risiken scheuten.

Die US-Börsen haben auch zum Wochenschluss keine klare Richtung gefunden. Somit bot sich an der Wall Street heute ein ähnliches Bild wie zuvor in Europa. Die Anleger blieben vorsichtig, die großen Indizes schlossen am Ende nur mit moderaten Veränderungen noch leicht im Plus. Im Handelsverlauf hatten sie zuvor bei nervösem Handel mehrfach das Vorzeichen gewechselt.

Der Leitindex Dow Jones schloss am Ende bei 37.466 Punkten, ein Tagesgewinn von knapp 0,1 Prozent. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4.697 Zählern um 0,18 Prozent höher aus dem Handel. Auch die Technologiebörse Nasdaq gewann leicht um 0,1 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 0,15 Prozent.

An der Börse herrscht nach den heutigen Daten vom Arbeitsmarkt zwar verhaltener Optimismus, dass die Fed ihr Ziel einer Eindämmung der Inflation erreichen kann, ohne die Konjunktur abzuwürgen; offen bleibt damit aber weiterhin der Zeitpunkt und das Tempo von Zinssenkungen, was die Anleger bremst. Die Fed hat 2024 drei Zinssenkungen von je 0,25 Prozent in Aussicht gestellt.

Gestern war bereits aus dem Bericht der privaten Arbeitsmarktagentur ADP bereits eine robuste Tendenz am Arbeitsmarkt erkennbar gewesen, so dass die heutigen Regierungsdaten für die Anleger nicht völlig überraschend kamen. Neue Impulse für die Börse boten die Daten nicht, so dass sich die derzeitige Unsicherheitsphase fortsetzte.

Konkret sind im Dezember weitaus mehr Stellen geschaffen worden als erwartet. Es kamen 216.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem heute vorgelegten Arbeitsmarktbericht hervorgeht. Befragte Volkswirte hatten nur mit einem Zuwachs von 170.000 gerechnet. Auch die Stundenlöhne fielen mit einem Anstieg von 0,4 Prozent höher aus als erwartet. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote verharrte im Dezember auf dem Vormonatswert von 3,7 Prozent. Experten hatten einen Anstieg auf 3,8 Prozent erwartet.

Die US-Notenbank steckt nach den Zahlen damit weiter im Dilemma. Denn ein solider Arbeitsmarkt mit steigenden Löhnen spricht zwar für eine weiterhin solide Konjunktur, schiebt aber auch die Inflation an. Diese war zuletzt zwar gesunken, liegt aber immer noch deutlich über der Zielmarke der Fed von zwei Prozent.

"Mit einem erneut robusten Arbeitsmarkt in den USA im Dezember haben die Anleger ihre Zinssenkungserwartungen nun endgültig reduziert und sich gleichzeitig auf eine daraus erwachsende, weiterhin hohe Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft konzentriert", kommentierte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Broker CMC Markets.

Andere US-Konjunkturzahlen fielen uneinheitlich aus. So sind die Auftragseingänge der US-Industrie im November stärker gestiegen als erwartet. Die Bestellungen seien um 2,6 Prozent zum Vormonat geklettert, teilte das US-Handelsministerium in Washington mit. Analysten hatten im Schnitt lediglich mit einem Anstieg um 2,4 Prozent gerechnet. Im Vormonat waren die Bestellungen um revidiert 3,4 Prozent gefallen.

Die Stimmung im US-Dienstleistungssektor hat sich im Dezember hingegen deutlich stärker als erwartet eingetrübt. Der Einkaufsmanagerindex des Instituts for Supply Management (ISM) fiel zum Vormonat um 2,1 Punkte auf 50,6 Punkte, wie das Institut heute ebenfalls mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt lediglich mit einem leichten Rückgang auf 52,5 Punkte gerechnet. Der Stimmungsindikator liegt mit mehr als 50 Punkten aber immer noch knapp über der Wachstumsschwelle.

Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen schrieb, der Dienstleistungssektor habe im Verlauf des Jahres 2023 dazu beigetragen, die US-Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren. Nun trübten sich die Perspektiven ein und Marktteilnehmer dürften die ISM-Daten als Grund nehmen, das Auspreisen der Zinssenkungserwartungen zu beenden und diese wieder etwas zu intensivieren.

Unter den Einzelwerten bauten die Aktien von Peloton an der Nasdaq ihren hohen Kursgewinn vom Vortag nochmals deutlich aus, indem sie um 9,6 Prozent zulegten und damit die Kurslücke von August schlossen. Auslöser des Kurssprungs war die verkündete Partnerschaft des Herstellers vernetzter Fitnessgeräte mit der vor allem unter jungen Menschen weltweit sehr populären Social-Media-App TikTok.

Der deutsche Leitindex DAX bleibt derzeit ein Spielball der US-Zinsfantasien und findet im neuen Jahr weiter keine klare Richtung. Der deutsche Leitindex beendete heute einen weiteren enttäuschenden Handelstag mit einem leichten Minus von 0,14 Prozent bei 16.594 Punkten.

Die erste Handelswoche im neuen Jahr fällt damit eher ernüchternd aus: Auf Wochensicht beläuft sich das Minus auf 0,9 Prozent - nach einem Plus von rund 20 Prozent im Jahr 2023. Der MDAX der mittelgroßen Unternehmen schloss bei 26.057 Zählern um 0,2 Prozent im Minus. Es war der vierte Verlusttag in Folge.

Auf überraschend robust ausgefallenen US-Arbeitsmarktdaten aus dem Dezember regierten die Anleger damit zwar gelassen, zu mehr reicht es aber derzeit nicht. Der weitere Weg der US-Notenbank auf dem Weg zu niedrigeren Zinsen bleibt eine Hängepartie, vor dessen Hintergrund die Investoren neue Risiken auf dem aktuell hohen Niveau scheuen.

"Somit stellt der Arbeitsmarktbericht in der Gesamtschau einen herben Rückschlag für die am Markt grassierenden Erwartungen bald fallender US-Leitzinsen dar. Nach unserer Prognose werden die US-Währungshüter erst Mitte dieses Jahres eine Zinssenkungsphase einläuten", kommentiert Dirk Chlench von der LBBW.

Die neue Handelswoche dürfte mehr Stabilität an den zuletzt stark schwankenden Aktienmarkt bringen. Denn viele institutionelle Anleger kehrten meist erst in der zweiten Januarwoche zurück, sagt RoboMarkets-Stratege Jürgen Molnar. Der Experte mahnt allerdings zur Vorsicht: "Stabilisierung ja, Erholung nein - für eine Entwarnung ist es noch zu früh, der Deutsche Aktienindex bleibt angeschlagen und anfällig für einen Rutsch auf die 16.000er-Marke."

Bereits gestern hatten deutsche Inflationsdaten für Ernüchterung gesorgt: Im Dezember 2023 stieg die Rate auf 3,7 Prozent nach 3,2 Prozent im November. Auch in der Eurozone ist die Inflation wieder auf dem Vormarsch: Für die gesamte Währungsunion legten die Verbraucherpreise im Dezember um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, nach 2,4 Prozent im November. Das teilte das Statistikamt Eurostat heute in einer ersten Schätzung mit.

Die Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, ging im Dezember allerdings auf 3,4 Prozent zurück. Im November hatte sie noch bei 3,6 Prozent gelegen. Und auch bei den Erzeugerpreisen stehen die Zeichen auf Entspannung: Sie fielen laut Eurostat im November um 8,8 Prozent zum entsprechenden Vorjahresmonat.

"Haben sich die Anleger gegen Ende des vergangenen Jahres noch gegenseitig übertroffen mit ihren Prognosen, wie früh die Notenbanken in diesem Jahr die Leitzinsen senken, schieben sie diesen Zeitpunkt nun weiter nach hinten", sagte Jochen Stanzl von CMC Markets: "Damit bleibt auch der deutsche Aktienindex im Korrekturmodus."

Profitieren von den höheren Preisen im vergangenen Jahr konnten die deutschen Einzelhändler: Ihr Umsatz sei 2023 voraussichtlich um 2,4 Prozent im Vergleich zu 2022 gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt heute zu seiner ersten Schätzung mit. Preisbereinigt (real) fiel der Umsatz allerdings um 3,1 Prozent niedriger aus. Besonders starke Einbußen verzeichneten Lebensmittelfachgeschäfte sowie Läden für Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und Baubedarf.

Der Euro hat sich nach deutlichen Kursschwankungen im Handelsverlauf letztlich kaum verändert gezeigt. Die Gemeinschaftswährung kostete im New Yorker Handel zuletzt 1,0939 Dollar, kam damit von ihrem Tageshoch bei fast 1,10 Dollar wieder etwas zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,0921 (Donnerstag: 1,0953) Dollar festgesetzt.

Für zeitweilig deutlichen Auftrieb beim Euro hatten enttäuschende Stimmungsdaten aus dem Dienstleistungssektor aus den USA gesorgt. Diese hatte sich im Dezember deutlich stärker als erwartet eingetrübt.

Die Ölpreise steigen heute weiter. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Abend rund 1,3 Prozent mehr. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) legte um knapp 2,0 Prozent zu.

In den vergangenen Tagen kam es am Ölmarkt zu teilweise deutlichen Kursbewegungen. Hintergrund ist die Sorge der Anleger vor einer Eskalation der Lage im Nahen Osten, nachdem ein Sprengstoffanschlag im Iran die Spannungen in der ölreichen Region verschärft hatte. Übergeordnet besteht Unsicherheit über die Förderdisziplin des Opec-Ölkartells.

Vorstand und Aufsichtsrat von Aurubis sollen nach dem großangelegten Betrug mit Edelmetallen bei der Hamburger Kupferhütte zunächst für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022/23 nicht entlastet werden. Die Beschlüsse sollten vertagt werden, hieß es in der heute veröffentlichten Einladung zur Hauptversammlung des MDAX-Unternehmens am 15. Februar. "Hintergrund sind die laufenden Untersuchungen zu den gegen die Gesellschaft gerichteten kriminellen Aktivitäten, die zu Fehlbeständen an Edelmetallen geführt haben", begründete der Konzern die Entscheidung.

Kurz vor Weihnachten hatte der Aurubis-Aufsichtsrat angekündigt, durch die Anwaltskanzlei Hengeler Mueller prüfen zu lassen, ob und welche Verantwortung der eigene Vorstand für die Straftaten trage. Ein Ergebnis werde Mitte Januar erwartet. Betrüger haben Europas größten Kupferkonzern über Jahre hinweg ausgenommen. Das Unternehmen vermisst wertvolles Recycling-Material im Wert von 185 Millionen Euro. Die Täter arbeiteten nach Unternehmensangaben mit manipulierten Proben. Der Verdacht richte sich gegen Schrottlieferanten und eigene Mitarbeiter, hieß es.

Der Unternehmer Günther Fielmann ist am Mittwoch im Alter von 84 Jahren in seinem Wohnort Lütjensee in Schleswig-Holstein gestorben, wie die Fielmann-Gruppe am Freitag mitteilte. Er sei im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen. Der Gründer der gleichnamigen Optiker-Kette hatte sich bereits 2019 aus dem Unternehmen zurückgezogen, das insgesamt 977 Niederlassungen im In- und Ausland hat. Der Jahresumsatz lag zuletzt (2022) bei fast 1,8 Milliarden Euro.

Der US-Autobauer Tesla muss bei mehr als 1,6 Millionen Fahrzeugen in China nachjustieren. Bei mehr als 1,6 Millionen importierten Autos der Serie Model S, Model X und Model 3 sowie in China produzierter Fahrzeuge gebe es ein Problem mit der automatischen Lenkfunktion, hieß es. Tesla-Papiere schlossen nach wechselvollem Handel 0,18 Prozent tiefer.

In den USA bahnt sich die erste große Übernahme des neuen Jahres an. Der Software-Spezialist Synopsys befinde sich in fortgeschrittenen Gespräch über eine Übernahme des Branchenkollegen Ansys, berichtete das "Wall Street Journal" heute unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Synopsys könnte etwa 400 US-Dollar je Aktie in bar und Anteilscheinen bieten, hieß es weiter. Damit hätte die Übernahme einen Wert von etwa 35 Milliarden Dollar. Am New Yorker Aktienmarkt reagierten die Aktien jedoch kaum. Die Zeitung hatte bereits im Dezember über eine mögliche Übernahme berichtet, damals allerdings mit Verweis auf ein frühes Stadium der Gespräche. Die Kurse hatten da bereits deutlich reagiert.

Nun hieß es, dass ein offizielles Angebot Mitte kommender Woche vorgelegt werden könnte, sofern die exklusiven Gespräche nicht scheiterten. Ansys wird an der Börse aktuell mit 30 Milliarden Dollar bewertet, während Synopsys 75 Milliarden Dollar schwer ist. Ansys stellt Software her, die es ermöglicht, vorherzusagen, ob und wie Produkte in der realen Welt funktionieren. Synopsys versetzt Entwickler mit seiner Software in die Lage, Silikonchips zu entwerfen und zu testen. Diese finden sich in vielen Produkten wie Mobiltelefone und selbstfahrende Autos.

Die Essener RAG Stiftung hat eine Bitte des Signa-Sanierungsexperten Erhard Grossnigg um frisches Geld für die insolventen Immobiliengesellschaften Prime und Development erhalten. Die Stiftung prüfe das Schreiben nun. Die RAG-Stiftung ist neben anderen Investoren an der Signa Prime und der Signa Development beteiligt, die Ende 2023 in Wien Insolvenz angemeldet hatten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. Januar 2024 um 10:00 Uhr.