US-Notenbanchef Jerome Powell
marktbericht

Uneinheitliche US-Börsen Fed bleibt fest auf Zinskurs

Stand: 22.06.2023 22:19 Uhr

US-Notenbankchef Jerome Powell hat Zinssenkungen erneut eine klare Absage erteilt und damit die Wall Street gebremst. Zuvor war schon der DAX unter die Marke von 16.000 Punkten gerutscht.

Über der Wall Street schwebt weiter drohend das Zinsgespenst. Notenbankchef Chef Jerome Powell sagte vor dem Banken-Ausschuss im Kapitol, dass es angesichts der hartnäckigen Inflation in diesem Jahr "vielleicht noch zwei" Zinserhöhungen geben könnte.

Die großen Indizes fanden vor diesem Hintergrund heute keine einheitliche Richtung. Während der Leitindex Dow Jones den ganzen Tag mit seinem Schlussniveau kämpfte und am Ende durch ein Miniminus von 0,01 Prozent auf 33.946 leicht nachgab, hielt sich die Technologiebörse Nasdaq in einer Gegenbewegung auf die gestrigen Verluste besser und gewann 0,95 Prozent. Der Auswahlindex Nasdaq 100 überwand die Marke von 15.000 Punkten wieder und schloss 1,18 Prozent höher. Der marktbreite S&P-500-Index legte moderat um 0,37 Prozent zu auf 4381 Zähler.

Notenbankchef Jerome Powell hatte bei seiner Kongress-Anhörung am Mittwoch bereits eine weitere Straffung der Geldpolitik angedeutet und die Stimmung an den Börsen damit getrübt. Spekulationen von Investoren auf baldige Lockerungen erteilte er auch am zweiten Tag seiner Anhörung im Kongress eine Abfuhr: In absehbarer Zeit werde es keine Senkungen geben, sondern erst, wenn es Gewissheit gebe, dass sich die Teuerung auf die anvisierten zwei Prozent herunterbewegt, so Powell.

Investoren erwarten nach der jüngsten Beibehaltung der Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent eine weitere Zinserhöhung der Fed im Juli.

"Die Sorge der Anleger ist, was am Aktienmarkt passieren könnte, wenn es die Notenbank mit den Erhöhungen übertreibt und der Schaden, der einige Zeit später daraus resultiert, schlimmer ist als das eigentliche Problem", fasste Stratege Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets zusammen.

US-Notenbankdirektorin Michelle Bowman hat zudem heute noch nachgelegt. Sie sieht angesichts des anhaltend hohen Preisdrucks Bedarf für weitere Zinserhöhungen: "Ich glaube, dass zusätzliche Leitzinserhöhungen notwendig sein werden, um die Inflation im Laufe der Zeit auf unser Ziel zu senken." Die Fed habe zwar Fortschritte bei der Eindämmung des Preisauftriebs gemacht. Aber trotz der deutlichen Straffung der Geldpolitik gebe es noch immer ein "inakzeptabel hohes Inflationsniveau".

Die restriktive Haltung Powells schürte auch Sorgen, dass sich das Kreditwachstum im Bankensektor abschwächt. Aktien der Großbanken JPMorgan Chase, Wells Fargo, Goldman Sachs, Bank of America, Morgan Stanley und Citigroup fielen zwischen einem und zwei Prozent. Auch die Regionalbanken gaben ab.

Vor dem Hintergrund anhaltender Zinssorgen hat der DAX heute erneut Verluste hinnehmen müssen. Allerdings grenzte der deutsche Leitindex diese im Verlauf ein und schloss letztlich knapp unter der Marke von 16.000 Punkten bei 15.988 Punkten am Tageshoch. Dies entsprach einem Tagesverlust von 0,22 Prozent. Das Tagestief hatte am Morgen bei 15.810 Punkten gelegen.

Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, schnitt deutlich besser ab. Er ging bei 26.898 Punkten um 1,2 Prozent höher aus dem Handel. Von Übernahmespekulationen beim britischen Spezialisten für den Online-Lebensmitteleinzelhandel Ocado profitierten besonders HelloFresh, dessen Papier um 17 Prozent anzog. Als möglicher Interessent wurde auch der US-Riese Amazon ins Spiel gebracht.

Auch Puma legten deutlich rund zehn Prozent zu und holten damit jüngste Verluste wieder auf. Börsianer begründeten dies mit einer bevorstehenden Kooperation in den USA. Frisch thematisiert wurde dabei eine bereits angedeutete Zusammenarbeit von Puma mit dem US-Basketballer LaMelo Ball und der Modelinie Gutter Cat Gang, die für sogenannte Non-Fungible Token (kurz NFT) bekannt ist.

Wer zuletzt auf ein Ende des scharfen Zinszyklus oder gar die Aussicht auf erste Zinssenkungen spekuliert hatte, wird derzeit enttäuscht. Aktuell fehlt vor dem Hintergrund der Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der großen Notenbanken unter der Führung der Federal Reserve (Fed) die Fantasie für weitere Kurssteigerungen.

Zudem haben eine Reihe von Gewinnwarnungen aus dem Unternehmenssektor zuletzt die hohen Risiken aufgezeigt, die mit der von den Notenbankern durchaus beabsichtigen Dämpfung der konjunkturellen Aktivitäten einher gehen.

An diesem Donnerstag standen gleich die Zinsentscheide mehrerer Notenbanken im Blickfeld. Die Schweizer Notenbank erhöhte den Leitzins erwartungsgemäß um weitere 0,25 Prozentpunkte, während die norwegischen und britischen Währungshüter ihren Straffungskurs mit überraschend deutlichen Zinsanhebungen um 0,5 Punkte fortsetzten.

Marktbeobachter Michael Hewson von CMC Markets urteilte mit Blick auf die Bank of England: "Der heutige Schritt kommt einem Eingeständnis gleich, dass sie in Bezug auf den Zinserhöhungszyklus erheblich hinter der Kurve zurückgeblieben ist".

An den Märkten gelte es nun, die Auswirkungen der weltweiten Zinsanhebungen in den Vormonaten abzuwarten, betonte Marc Decker, Leiter des Aktienbereichs der Quintet Private Bank. "Dies wird sich negativ auf Gewinne und Margen der Unternehmen auswirken", so Decker. "Dieser Effekt ist jedoch verzögert und wird seine ganze Wirkung erst noch entfalten." Damit bleibe die Frage, wie stark die Folgen für die Wirtschaft sein werden.

Für den DAX bedeutet der bisherige Wochenverlauf, dass er sich von seinem am Freitag erreichten Allzeithoch bei 16.427 Punkten mittlerweile um bis zu 500 Punkte abgeschwächt hat. Gestern hatte er 0,6 Prozent verloren und war mit 16.023 Punkten aus dem Handel gegangen.

Marktexperte Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG macht für die Verluste weniger die Zinssorgen als das dünne Handelsvolumen verantwortlich. Im Tagestief sei der Leitindex knapp über einer Unterstützungszone bei rund 15.800 Punkten geblieben. Für die Experten der Landesbank Helaba wäre sogar ein Rückgang bis in den Bereich von 15.600 bis 15.700 Punkten lediglich eine Korrektur gewesen.

"Rutscht der DAX weiter ab und fällt unter die Unterstützung bei 15.900 Punkte, würde ein weiteres Schwächesignal generiert und ein weiterer Rücklauf bis zur Unterstützung bei zunächst 15.700 Punkte wahrscheinlich werden", meinen die charttechnisch argumentierenden Fachleute der ING. 

Update Wirtschaft vom 22.06.2023

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24, 22.06.2023 09:00 Uhr

Die Gemeinschaftswährung wurde zuletzt im US-Handel bei 1,0956 Dollar etwas tiefer gehandelt, im Tageshoch wurde die Marke von 1,10 Dollar heute leicht übersprungen. Der Euro profitiert von der Aussicht auf weitere Zinsanhebungen in der Eurozone, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0985 (Mittwoch: 1,0923) US-Dollar fest. Besser als erwartet ausgefallene Übersee-Exportdaten aus Deutschland im Mai bewegten den Markt wenig.

Die türkische Zentralbank vollzieht unter ihren neuen Führung wegen der hartnäckig hohen Inflation einen geldpolitischen Kurswechsel. In der ersten Entscheidung nach der Wiederwahl von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Mai beschlossen die Währungshüter um ihre neue Chefin Hafize Gaye Erkan heute eine Zinsanhebung von 8,5 auf 15,0 Prozent. Das ist die erste Straffung seit Anfang 2021. Die Währungshüter mit ihrer erst seit wenigen Wochen amtierenden Gouverneurin Erkan deuteten zugleich an, bei Bedarf nachzulegen.

Ökonomen hatten sogar mit einem noch größeren Schritt nach oben auf 21,0 Prozent gerechnet. Die Landeswährung Lira verlor deshalb trotz der Zinswende an Wert und fiel auf ein Rekordtief. Der Kurs gab zum Dollar auf 24,41 Lira nach, nachdem er vor der Zinsentscheid bei 23,54 gelegen hatte.

Die schwächer als erwartet ausgefallene Anhebung deute darauf hin, dass Erkan "nur begrenzten Handlungsspielraum bei der Wiederherstellung einer orthodoxen Geldpolitik hat", begründete Analyst Piotr Matys von InTouch Capital Markets den Abwertungsdruck.

In den USA hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zuletzt kaum verändert. In der vergangenen Woche stagnierte die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe auf 264.000, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt nur mit 259.000 Anträgen gerechnet.

Die Erstanträge gelten als zeitnaher Indikator für die Entwicklung am Arbeitsmarkt, der eine zentrale Bedeutung für die Geldpolitik der Fed hat. Zuletzt gab es Hinweise auf eine tendenzielle Abkühlung am Jobmarkt. Insgesamt hat sich der Arbeitsmarkt aber robust gezeigt.

Das gilt in zunehmenden Maße auch für den US-Hausmarkt, der sich stabilisiert. Die hohen Zinsen scheinen ihren Schrecken zu verlieren. Aktuell stiegen die Verkäufe bestehender Häuser im Mai gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozent, Experten hatten ein Minus von 0,7 Prozent erwartet. Hoffnungen auf Zinssenkungen sinken dadurch, wenn sich selbst der zinssensitive Immobilienmarkt fängt. Bereits Anfang der Woche hatte es überraschend starke Daten vom Hausmarkt gegeben.

Die Ölpreise bauten ihre Verluste deutlich aus, die Nordseesorte Brent verlor über vier Prozent auf 73,78 Dollar je Fass. Schon seit einigen Wochen tun sich die Preise für das schwarze Gold mit der Richtungssuche schwer.

Es gibt belastende Faktoren wie Konjunktursorgen in den USA und China sowie stützende Entwicklungen wie ein geringeres Angebot, insbesondere aus Saudi-Arabien. Das hat dazu geführt, dass die Preise seit einigen Wochen in einer relativ engen Spanne etwas über 70 Dollar (Brent) beziehungsweise um die 70-Dollar-Marke herum (WTI) pendeln.

Übernahmepoker um Covestro? Der Kunststoffkonzern Covestro hat Kreisen zufolge einen ersten Übernahmevorschlag des Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil (Adnoc) über fast elf Milliarden Euro als unzureichend abgelehnt. Doch das scheint noch nicht das letzte Wort gewesen zu sein. Covestro könnte nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg zu weiteren Gesprächen bereit sein, wenn ein besseres Angebot auf dem Tisch liegt.

Merck-Aktien legten heute gegen den Trend im DAX zu. Der Darmstädter DAX-Konzern verhandelt laut Kreisen mit dem chinesischen Farbstoffhersteller Global New Material International über den Verkauf seines Geschäfts mit Farbpigmenten.

Das in Hongkong gelistete Unternehmen habe ein verbindliches Angebot abgegeben, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg heute unter Berufung auf informierte Personen. Den Angaben zufolge steht eine Bewertung von rund einer Milliarde Euro im Raum. Eine Merck-Sprecherin wollte die Gerüchte auf Anfrage von dpa nicht kommentieren.

Im deutschen Privatkundengeschäft der Deutschen Bank stehen einem Insider zufolge rund 1700 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Der neue Spartenchef Claudio de Sanctis, der zum 1. Juli Karl von Rohr an der Spitze der Privatkundenbank ablöst, wolle dort in den nächsten Jahren etwa zehn Prozent der 17.000 Stellen abbauen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person heute der Nachrichtenagentur Reuters.

Das "Manager Magazin" hatte als erstes über die geplanten Streichungen berichtet. Dem Magazin zufolge sind vor allem das Hypothekengeschäft und die Filialen betroffen. Einen Zeitplan gebe es noch nicht, sagte der Insider. Gespräche mit Gewerkschaften und Betriebsrat stünden noch aus. In einigen Bereichen sollen auch Stellen aufgebaut werden.

Deutschlands größtes Geldhaus wollte sich zu den Informationen nicht äußern. Die Bank ist aber seit längerem auf der Suche nach weiteren Einsparpotenzialen.

Die Probleme beim Windturbinenbauer Siemens Gamesa reißen nicht ab. Wegen anhaltender Qualitätsprobleme bei Windparks an Land zieht die Muttergesellschaft Siemens Energy nun ihre Prognose für das Geschäftsjahr 2022/23 zurück.

Es habe deutlich erhöhte Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten gegeben, teilte der Energietechnikkonzern aus dem DAX heute nach Börsenschluss in München mit. Eine technische Überprüfung von bestimmten Onshore-Plattformen lege nun nahe, dass eine Behebung deutlich mehr koste als bislang angenommen. Siemens Energy geht derzeit von Kosten von voraussichtlich über eine Milliarde Euro aus.

Zudem träten geplante Verbesserungen der Produktivität nicht in dem bisher erwarteten Umfang ein, hieß es weiter. Eine genaue Einschätzung der möglichen finanziellen Auswirkungen sei derzeit noch nicht möglich. Die Aktie verlor nachbörslich auf der Handelsplattform Tradegate über zehn Prozent. Siemens Energy hatte im Februar Siemens Gamesa vollständig übernommen. Der Windturbinenbauer kämpft seit längerem mit Problemen.

Der Mainzer Glaskonzern Schott will den Börsengang seiner Pharmaverpackungs-Tochter Schott Pharma einem Insider zufolge im Spätsommer angehen. Die Planungen zielten auf einen Start der Emission unmittelbar nach der Sommerpause ab, sagte eine mit dem Vorhaben vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Die Märkte seien stabil genug, um den Sprung zu wagen - unabhängig davon, wie der geplante Börsengang der Thyssenkrupp-Wasserstoff-Tochter Nucera laufe.

Eine Sprecherin des Herstellers von Ampullen, Spritzen und Pharma-Fläschchen aus Glas und Plastik wollte sich zum Zeitplan nicht äußern. Sie bekräftigte aber, dass ein Börsengang "eine sehr interessante Option" für Schott Pharma bleibe.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 22. Juni 2023 um 07:09 Uhr.