Wall Street New York
Marktbericht

Erneute Verluste Wall Street bleibt im Abwärtstrend

Stand: 06.05.2022 22:21 Uhr

Die US-Finanzmärkte blieben auch zum Wochenschluss unter Druck. Nach der Zinserhöhung der Notenbank herrscht weiter viel Unsicherheit über den künftigen Kurs. Auch der DAX musste leiden.

Die Wall Street tut sich weiter schwer damit, die Zinserhöhung durch die Notenbank Federal Reserve (Fed) vom Mittwoch zu verdauen. Zins- und Rezessionsängste dominierten auch heute und sorgten für einen sehr nervösen Handel, bei dem erneut des Öfteren die Richtung wechselte. Nach einer schwachen Eröffnung erholten sich die großen Indizes, um danach wieder zurückzufallen.

Der Leitindex Dow Jones fiel am Ende moderat um 0,3 Prozent auf 32.899 Punkte. Im Tagestief bei 32.474 Zählern stand er mehr als 400 Punkte tiefer. Auch der marktbreite S&P-500-Index, der zwischenzeitlich sogar um 1,7 Prozent eingebrochen war, grenzte die Verluste noch ein und schloss bei 4123 Punkten um 0,57 Prozent schwächer. Erneut eine veritable Berg- und Talfahrt verzeichnete die Technologiebörse Nasdaq, die am Ende deutlicher um 1,4 Prozent nachgab auf 12.144 Punkte. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 tendierte leichter und ging bei 12.693 Punkten um 1,22 Prozent schwächer aus dem Handel.

Die Investoren bleiben damit weiter auf der Hut, der Handel verläuft entsprechend nervös und volatil. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, in welchem Tempo die Fed weiter an der Zinsschraube dreht und wie sich dies auf die Konjunktur auswirkt.

"Die Börsianer trauen der Fed im Moment mehrheitlich nicht zu, dass sie gleichzeitig die Inflation bekämpfen und die Wirtschaft vor einem heftigen Absturz bewahren kann", sagte Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners.

"Bei ihren Maßnahmen müssen die Zentralbanken in der jetzigen Situation auch schädliche Nebenwirkungen auf die Konjunktur in Kauf nehmen. Die Inflationsbekämpfung hat jetzt Vorrang", erklärte Chefvolkswirt Ulrich Kater von der DekaBank. Hätten die Anleger am Mittwoch noch erleichtert reagiert, dass der Zinsschritt der Fed nicht noch höher ausgefallen war, sei am Donnerstag wieder Vorsicht angesagt gewesen wegen weiteren Wirkungen der Zinserhöhungen, so Kater.

Entsprechend werden die Wirtschaftsdaten besonders kritisch beäugt - wie zum Wochenabschluss der US-Arbeitsmarktbericht. Er lieferte allerdings kaum neue Impulse, denn die Arbeitslosigkeit hat sich im April faktisch nicht verändert.

Allerdings sind im April etwas mehr Stellen aufgebaut worden als gedacht. Im vergangenen Monat entstanden 428.000 neue Jobs, wie die Regierung in Washington mitteilte. Befragte Volkswirte hatten lediglich mit 391.000 gerechnet. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote verharrte im April auf dem Vormonatswert von 3,6 Prozent - ein Niveau, das der von der Notenbank Fed angestrebten Vollbeschäftigung entsprechen dürfte.

"Die Investoren wollen einerseits einen starken Arbeitsmarkt sehen, der verhindert, dass die Wirtschaft in eine Rezession fällt", sagte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst von CMC Markets. "Andererseits darf dieser aber auch nicht zu stark werden, damit sie den Worten von Fed-Chef Jerome Powell Glauben schenken können, dass es keine Zinsschritte über 50 Basispunkte geben wird."

Fed-Chef Jerome Powell räumte nach der Zinssitzung am Mittwoch ein, dass die hohen Preissteigerungen an den Löhnen nagten. Diese stiegen so stark wie seit Jahren nicht mehr. Daher sei es wichtig, die Inflation zu bekämpfen, um die Stärke des Arbeitsmarktes zu bewahren. Die Stundenlöhne stiegen im April zum Vorjahresmonat um 5,5 Prozent und damit nicht mehr ganz so stark wie im März mit damals 5,6 Prozent.

Am Rentenmarkt herrscht derweil schon länger Tristesse wegen der steigenden Zinsen. Auch heute stieg die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe weiter auf 3,12 Prozent. Sie bewegte sich damit auf dem Niveau von Ende 2018.

Am deutschen Aktienmarkt haben heute wie schon am Vortag die Bedenken der Anleger überwogen. Der Leitindex DAX folgte einer erneut schwächeren Wall Street nach unten und schloss am Ende bei 13.674 Punkten um 1,64 Prozent leichter. Im Tagestief war der Index bei volatilem Handel dabei schon bis auf 13.592 Punkte gefallen, ehe er sich noch etwas von diesem Tief lösen konnte. Im Tageshoch stand der Index bei 13.851 Punkten, in der Woche betrug das Minus drei Prozent.

"Die Stimmung an der Börse ist schlecht, und im aktuellen Umfeld fehlen die Kaufanreize für Aktien", sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets. Denn die Anleger bleiben im Angesicht der US-Zinswende extrem nervös. Zudem deutet sich auch in der Eurozone ein Umdenken der EZB-Währungshüter an, das der Rentenmarkt bereits antizipiert.

"Nach heutigem Stand gehe ich davon aus, dass wir im Juli die Zinsen erstmalig erhöhen können", sagte die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel zu "Bild" (Freitagausgabe). Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen stiegen heute auf den höchsten Stand seit 2014, womit sich der Ausverkauf am Rentenmarkt heute nahtlos fortsetzte.

Update Wirtschaft 06.05.2022

Bettina Seidl, HR, tagesschau24 09:00 Uhr

"Das raue Marktumfeld gibt Anlegern aus verschiedensten Gründen Anlass zur Sorge, allen voran das geopolitische Risiko Russland/Ukraine, die anstehenden Zinssteigerungen der US-Notenbank Fed beziehungsweise die geldpolitische Wende hin zu monetärer Straffung und die konjunkturelle Lage in China", meint Stefan Breintner, Marktstratege bei DJE Kapital.

Für die derzeit schwächelnde deutsche Konjunktur dürften Zinserhöhungen ohnehin keine gute Nachricht sein - ebensowenig wie für den Aktienmarkt. Bereits gestern waren die Auftragseingänge als Rezessionswarnsignale gedeutet worden.

Heutigen Daten zufolge kommt es auch in der Industrieproduktion zum stärksten Einbruch seit Beginn der Corona-Krise: Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine fast viermal so stark gedrosselt wie erwartet. Sie stellten im März 3,9 Prozent weniger her als im Vormonat, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Deutsche Bundesanleihen haben am Freitag im Kurs deutlich nachgegeben. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future fiel um über 0,8 Prozent. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen stieg im Gegenzug bis auf 1,14 Prozent. Das ist der höchste Stand seit 2014. Auch in anderen Laufzeitenbereichen fielen die Kurse.

Am Markt wurde der Zinsanstieg mit der anhaltenden Debatte über die Geldpolitik im Euroraum erklärt. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau äußerte, er könne sich beim Ausbleiben neuer wirtschaftlicher Schocks vorstellen, dass die Leitzinsen im Währungsraum am Jahresende wieder positiv sind. Der seit längerem besonders bedeutsame Einlagensatz beträgt derzeit minus 0,5 Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz, dessen Relevanz aktuell geringer ist, liegt auf der Nulllinie.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, der als Bundesbank-Präsident Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, erklärte, "das Zeitfenster, das sich jetzt öffnet für die geldpolitischen Maßnahmen, geht so langsam zu, und wir müssen schauen, dass wir jetzt in diesem Jahr da etwas tun. Aber wir dürfen nicht zu lange zuwarten." Wenn sich die Inflationserwartungen auf einem bestimmten Niveau verfestigten, "dann frisst sich das in andere Preise ein", warnte Nagel.

Am Devisenmarkt legt der Euro bei wechselhaftem Handelsverlauf bis knapp 1,06 Dollar zu, fiel danach aber wieder zurück. Im US-Handel notiert er bei 1,0545 Dollar. Die Gemeinschaftswährung war zuletzt bis auf 1,0471 Dollar im Tief gefallen, was Marktteilnehmer mit den hohen US-Zinserwartungen begründen. Da nun auch in der Eurozone höhere Zinsen diskutiert werden, stabilisiert sich der Euro. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0570 (Donnerstag: 1,0568) Dollar fest.

Die Anleger enttäuscht hat der Sportartikelhersteller Adidas mit einer gesenkten Margenprognose. Adidas machen die Corona-Lockdowns in China zu schaffen. Analyst Piral Dadhania von der kanadischen Bank RBC geht davon aus, dass die durchschnittlichen Marktschätzungen für das operative Ergebnis (Ebit) 2022 nun um etwa zehn Prozent sinken werden. Die Ankündigung einer langfristig strategischen Partnerschaft mit Foot Locker, auf die ein Händler am Morgen als positiven Aspekt verwies, rückte angesichts der neuen Prognose der Herzogenauracher in den Hintergrund.

Die deutsche Autoindustrie senkt wegen der Corona-Lockdowns in China und des Ukraine-Kriegs ihre Prognose für Deutschland. Der Branchenverband VDA geht für dieses Jahr jetzt noch von 2,75 Millionen Neuzulassungen aus, wie seine Präsidentin Hildegard Müller der "Augsburger Allgemeinen" sagte.

Das Wiederaufflackern der Pandemie in China setze der Branche zu. "Zulieferteile werden nun verspätet geliefert, weil Häfen geschlossen sind. China macht uns also Sorgen", sagte Müller. Im Februar hatte der VDA noch mit 2,8 Millionen Pkw-Neuzulassungen in Deutschland in diesem Jahr gerechnet. 2021 waren es 2,62 Millionen.

Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall hat im ersten Quartal Aufträge für große Mengen Munition erhalten. Konzernweit lag der Umsatz mit knapp 1,27 Milliarden Euro zwar praktisch so hoch wie ein Jahr zuvor. Im Geschäft mit Waffensystemen und Munition sprang der Erlös jedoch um 17 Prozent auf 258 Millionen Euro. Zudem holte die Sparte Bestellungen über fast 1,15 Milliarden Euro herein - so viele wie nie zuvor. Dazu habe ein "großvolumiger Munitionsauftrag" aus Ungarn beigetragen.

Auch der Rüstungskonzern Heckler & Koch vermeldet brummende Geschäfte. Der Umsatz sei im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,2 Prozent auf 77,5 Millionen Euro gewachsen. Der Nettogewinn wurde von 3,3 auf 8,1 Millionen Euro mehr als verdoppelt. "Soweit wir zurückblicken können, war es das beste Jahresauftakt-Quartal der Firmengeschichte", sagte Finanzvorstand Björn Krönert. Als Gründe für die positiven Zahlen nannte er eine generell hohe Nachfrage nach Waffen und effizientere Arbeitsabläufe. H&K stellt Sturmgewehre, Maschinengewehre, Granatwerfer und Pistolen her.

Ein überraschend hoher Quartalsverlust und gekappte Gesamtjahresziele brockten IAG den größten Kursrutsch seit einem knappen halben Jahr ein. Die Aktien der British-Airways-Mutter fielen in London zwischenzeitlich um gut zwölf Prozent, am Ende lag der Verlust bei knapp sieben Prozent. Das Unternehmen hinke bei der Erholung des Geschäfts von den Pandemie-Folgen der Konkurrenz hinterher, moniert Analyst Joachim Kotze vom Research-Haus Morningstar. IAG machte einen operativen Verlust von 731 Millionen Euro. Die Sitzplatzkapazität werde 2022 voraussichtlich etwa 80 Prozent statt wie bisher angepeilt 85 Prozent des Niveaus von 2019 erreichen.

Die Geschäfte des Anlagenbauers Gea florieren. Der Konzern freut sich über eine große Nachfrage aus zahlreichen Industriezweigen und startet mit einem Rekordwert beim Auftragseingang ins Jahr. Der Umsatz wuchs um knapp 6 Prozent auf 1,13 Milliarden Euro. Vor Restrukturierungskosten, Steuern, Zinsen und Abschreibungen lag das operative Ergebnis (Ebitda) mit 138 Millionen Euro um 14 Prozent über dem Vorjahr. Noch deutlicher stieg der Gewinn unter dem Strich mit plus 27 Prozent auf 72,2 Millionen Euro.

Der europäische Fernsehkonzern RTL hat zum Jahresauftakt seinen Umsatz spürbar gesteigert und dabei von TV-Werbeerlösen und dem Streaming-Geschäft profitiert. Die Umsätze kletterten um 11,3 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Der Streaming-Umsatz stieg um gut 23 Prozent. RTL verfolgt europaweit die Schaffung crossmedialer nationaler Champions auf Länderebene - etwa durch Verkäufe oder Fusionen.

Der Spezialchemiekonzern Evonik hat zum Jahresstart dank einer noch guten Nachfrage und höheren Verkaufspreisen auch unter dem Strich mehr verdient. Der Nettogewinn stieg im ersten Quartal im Jahresvergleich um 69 Prozent auf 314 Millionen Euro. Bereits vor rund zwei Wochen hatte Evonik Eckdaten veröffentlicht und den Jahresausblick trotz des Ukraine-Krieges und umfangreicher Corona-Lockdowns in China bestätigt. Der Umsatz stieg im ersten Quartal um ein Drittel auf knapp 4,5 Milliarden Euro. 22 Prozent des Wachstums basierten dabei auf höheren Verkaufspreisen.

Gefährdet Elon Musks Übernahme von Twitter die nationale Sicherheit der USA? Der Plan des Tesla-Chefs, ausländische Investoren zur Finanzierung der 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme an Bord zuholen, könnten die US-Sicherheitsbehörden auf den Plan rufen, sagten sechs Regulierungsexperten und Anwälte der Nachrichtenagentur Reuters.

Soziale Medien gehören in den USA zur kritischen Infrastruktur, weil sie Daten von US-Bürgern sammeln und weiterverwerten. Deshalb könnte der gefürchtete Ausschuss für ausländische Investments in den USA (CFIUS), der schon einige Übernahmen zu Fall gebracht hat, den Deal auf potenzielle Risiken für die nationale Sicherheit abklopfen. "In dem Maße, in dem die von Musk geplante Übernahme von Twitter ausländische Investitionen beinhaltet, könnte sie sehr wohl unter die Zuständigkeit des CFIUS fallen", sagt etwa Chris Griner, Fachmann für nationale Sicherheit bei der Anwaltskanzlei Stroock & Stroock & Lavan.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Tagesschau24 am 06. Mai 2022 um 09:00 Uhr.