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Marktbericht

Protestwelle in China Aktienmärkte knicken ein

Stand: 28.11.2022 22:14 Uhr

Die jüngste Protestwelle in China hat zu Wochenbeginn neue Sorgen um die globale Wirtschaftsentwicklung geweckt. Viele Investoren nahmen das zum Anlass, ihre jüngsten Gewinne mitzunehmen.

Die jüngsten Entwicklungen in China haben zu Beginn der neuen Woche zu einer Verkaufswelle rund um den Globus geführt. Die amerikanischen Börsen weiteten ihre Kursverluste im Verlauf kontinuierlich aus. Der US-Leitindex Dow Jones ging 1,45 Prozent tiefer aus dem Handel.

Ebenso deutlich ging es mit den Technologiewerten abwärts. Der Auswahlindex Nasdaq 100 büßte 1,43 Prozent ein. Die größte Protestwelle in China seit Jahrzehnten gegen die strikte Null-Covid-Politik schürt die Sorge vor weiteren Wachstumseinbußen in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft. Zudem fürchten die Anleger weiteren Schaden für die globalen Lieferketten. Die Proteste zeigten, wie frustriert die Bevölkerung angesichts der Politik ihrer Führung sei und wie groß die Herausforderung für Präsident Xi Jinping, kommentierte Analyst Craig Erlam vom Broker Oanda.

Sorgen bereitet den Investoren auch der Blick auf den US-Anleihemarkt. So lag die Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen und zweijährigen US-Bonds mit minus 80 Basispunkten zuletzt so stark im negativen Bereich wie seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr. Experten sprechen in einem solchen Fall von einer inversen Zinskurve. Diese gilt als verlässlicher Frühindikator einer US-Rezession.

Auch der DAX stand angesichts der Nachrichten aus China den ganzen Tag über unter Druck und verbuchte ein Minus von 1,1 Prozent.

Bisher hat der deutsche Leitindex in diesem an Krisen reichen Herbst die gängige Börsenregel voll bestätigt, die besagt, dass das Spätjahr ab Oktober meist Kursgewinne bringt. Seither hat sich der DAX um mehr als 2400 Punkte oder knapp 23 Prozent erholt und erst am vergangenen Freitag mit 14.572 Zählern den höchsten Stand seit fünf Monaten erreicht. Saisonal betrachtet ist aber zugleich ein Innehalten nach einer solchen Herbst-Rally zwischen Ende November und Anfang Dezember nicht untypisch.

Update Wirtschaft vom 28.11.2022

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

Die Ölpreise standen auch zu Wochenbeginn unter Druck und haben damit an die Verluste der vergangenen Woche angeknüpft. Zum Wochenauftakt hätten Sorgen wegen der Entwicklungen in China die Notierungen belastet, hieß es von Marktbeobachtern. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am späten Abend 83,10 Dollar. Das sind 0,9 Prozent weniger als am Freitag.

Der Euro musste im Tagesverlauf seine Gewinne zum Dollar wieder abgeben. Zeitweise hatte die Gemeinschaftswährung mit fast 1,05 Dollar den höchsten Stand seit Ende Juni erreicht. Am späten Abend wurden für einen Euro 1,0335 Dollar gezahlt. Marktbeobachter führen die jüngste Erholung des Euro auf die sich allmählich wieder etwas schließende Zinsschere zwischen Europa und den USA zurück: Viele Marktteilnehmer gehen für die kommenden Monate von einem weniger aggressiven Kurs der US-Notenbank Federal Reserve im Vergleich zur Europäischen Zentralbank (EZB) aus.

Am Nachmittag konnten aber auch Aussagen von Christine Lagarde den Euro nicht weiter stützen. Die EZB-Präsidentin stellte trotz der trüben wirtschaftlichen Aussichten weitere Zinserhöhungen in Aussicht. "Wir sind entschlossen, die Inflation auf unser mittelfristiges Ziel zurückzuführen und die dafür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen", sagte die Französin vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. Man werde die Zinsen auf ein Niveau anheben, welches sicherstelle, dass die Inflation zeitnah auf das mittelfristige EZB-Ziel von zwei Prozent zurückkehre. Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 15. Dezember statt. Noch ist unklar, ob die Notenbank den Leitzins um 0,50 oder erneut um 0,75 Prozentpunkte anheben wird. Lagarde sagte, dass man datenabhängig und von Sitzung zu Sitzung entscheiden werde.

Der Bitcoin-Kurs war zu Wochenbeginn wieder auf dem Rückzug. Nach dem spektakulären Zusammenbruch der Kryptowährungsbörse FTX hat nun auch die auf virtuelle Zahlungsmittel spezialisierte US-Bank BlockFi Insolvenz angemeldet. In der vergangenen Woche hatte das Unternehmen sämtliche Abhebungen gestoppt und eingeräumt, durch die Pleite bei FTX stünden "signifikante" Summen im Feuer. Im Juli hatte FTX noch eine Option zum Kauf von BlockFi unterzeichnet. Bei FTX soll angeblich mindestens eine Milliarde Dollar an Kundengeldern verschwunden sein. Die Affäre hat die gesamte Kryptowährungsbranche in Turbulenzen gestürzt.

Zu den wenigen DAX-Gewinnern gehörte die Fresenius-Aktie, die von einer Kaufempfehlung der UBS profitierte. Analyst Graham Doyle betonte, das jährliche Gewinnwachstum des Medizinkonzerns sei mit weniger Risiken verbunden als ein gleichwertiges Wachstum anderer Sektorunternehmen. Doyle monierte daher den 70-prozentigen Abschlag, mit dem die Aktie gehandelt werde. Das Papier sei in jeglicher Hinsicht günstig.

Mit Abstand größter Verlierer im DAX war die Brenntag-Aktie mit einem Kursminus von 9,65 Prozent. Die Papiere des Chemikalienhändlers litten unter Übernahmegesprächen des Managements mit dem US-Rivalen Univar Solutions. Analysten sehen Licht und Schatten. Ein solcher Deal könnte Synergien freisetzen, die Frage des Kaufpreises sei aber noch offen.

Ein Zusammenschluss könnte ein Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 30 Milliarden US-Dollar schaffen. Univar-Aktien wurden deutlich höher gehandelt.

Mit einem Kursminus von 5,7 Prozent war die Airbus-Aktie der zweitgrößte Verlierer im DAX. Insidern zufolge bereitet der Technologiekonzern derzeit die Kunden auf Verzögerungen bei den geplanten Auslieferungen einiger Mittelstreckenflugzeuge vor. Hintergrund seien Unsicherheiten zur Lieferung von Triebwerken und anderen Teilen für die Maschinen, dazu komme ein möglicher Personalengpass. Airbus äußerte sich nicht zu den Informationen.

Volkswagen hat wegen der Corona-bedingten Einschränkungen in China die Bänder in einem Werk angehalten und produziert andernorts weniger. "Die Produktion im Werk Chengdu wurde im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Welle vorübergehend gestoppt", teilte ein Sprecher heute auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters mit. Auch zwei Produktionslinien im Werk Changchun seien betroffen.

BMW-Vorstandschef Oliver Zipse erwartet im kommenden Jahr ein stabiles Geschäft. In den verschiedenen Weltmärkten gebe es unterschiedliche Herausforderungen und Chancen. Sorge machten ihm die Lockdowns im größten Automarkt China, sagte Zipse. In Deutschland dürfe es diesen Winter genug Gas geben, aber die Autoindustrie und ihre Zulieferer brauchten eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen.

Die Aktie der Adler Group konnte sich kräftig erholen. Der stark angeschlagene Immobilienkonzern hat sich mit einer Kerngruppe von Gläubigern über eine Anpassung der Bedingungen der von Adler ausgegebenen Anleihen geeinigt. Erstmals seit Ende August näherte sich der Kurs wieder der 3-Euro-Marke.

Der Chef der britischen Großbank Barclays, C.S. Venkatakrishnan, muss sich wegen einer Krebserkrankung behandeln lassen. Venkatakrishnan werde demnächst von zuhause arbeiten, teilte das Geldhaus mit. Die Behandlung solle zwölf bis 16 Wochen dauern. "Das Unternehmen wird in dieser Zeit normal operieren und ich werde weiterhin aktiv in dessen Führung engagiert bleiben", erklärte der Bankchef. Es sei kein Interims-CEO ernannt worden, bestätigte das Institut.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. November 2022 um 09:00 Uhr.