Menschen fotografieren eine Filiale der Schweizer Bank Credit Suisse.

Credit-Suisse-Debakel Das Selbstbild einer stabilen Schweiz wankt

Stand: 20.03.2023 15:35 Uhr

Dass die Traditionsbank Credit Suisse so schnell zum hoffnungslosen Fall wurde, erinnert in der Schweiz viele an den Swissair-Kollaps im Jahr 2001. Harsche Kritik müssen sich nicht nur Topmanager anhören.

Die Elefantenhochzeit der beiden größten Banken des Landes ist in der Schweiz alles andere als ein Freudenfest. Für den "Tagesanzeiger" aus Zürich ist die Übernahme der Krisenbank Credit Suisse durch die UBS sogar ein "historischer Skandal": Der Schweizer Staat, die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank SNB hätten sich von der UBS über den Tisch ziehen lassen, kommentiert die Zeitung. Ganz ähnlich das Fazit von Balthasar Glättli, Parteichef der Grünen, in einer Pressekonferenz am Vormittag: "Wenn es gut kommt, hat UBS ein Schnäppchen gemacht - wenn es schlecht kommt, zahlen die Steuerzahlenden die Zeche."

Skandale, Fehltritte und Milliardenboni

Scharfe Kritik gibt es nicht nur an der gestern vom Schweizer Bundespräsidenten als "starke Lösung" präsentierten Bankenfusion mit staatlicher Unterstützung. Im Visier sind auch die Topmanager der Credit Suisse, die über die Jahre milliardenschwere Bonus-Zahlungen einsteckten und sich jede Menge Skandale, Fehltritte und Gerichtsverfahren leisten konnten; auch weil die staatlichen Aufsichtsbehörden und die Politik - so die Kritik - nicht rechtzeitig reagiert hätten.

"Das war organisierte Verantwortungslosigkeit", sagte im Sender SRF die Co-Präsidentin der Sozialdemokraten Mattea Mayer: "Da waren Herren, die Verantwortung gehabt hätten - aber sie nicht wahrgenommen haben." Jahrelang, so Mayer, hätten wirtschaftsliberale Politiker die Banker als Leistungsträger bezeichnet und ihre Millionengehälter gerechtfertigt.

"Gesamter Finanzsektor diskreditiert"

Die Schweiz streitet über eine Bankenfusion - aber in Wahrheit geht es um mehr: Der Niedergang der geschichtsträchtigen und einst stolzen Traditionsbank Credit Suisse erinnert in der Schweiz viele an vergleichbare Schockmomente der Vergangenheit: 2001 - das Grounding der Swissair. 2008 - staatliche Rettung der UBS, die nun die taumelnde Credit Suisse schluckt.

Das Selbstverständnis - und das Selbstbewusstsein - des Bankenlandes Schweiz ist schwer angeknackst. Es gebe ein kulturelles Problem, sagt der Grünen-Parlamentarier Gerhard Andrey: "Der gesamte Finanzsektor ist diskreditiert. Ganz offensichtlich haben die Gesetze und die von der Politik gefeierten Beteuerungen der Branche keinerlei Verbesserungen gebracht seit der Finanzkrise von 2008."

Jetzt erst recht "too big to fail"

Die nach der Finanzkrise 2008/2009 verschärften Regeln für systemrelevante Banken hätten im Fall der Credit Suisse nicht geholfen. Die Grünen fordern nun eine parlamentarische Untersuchungskommission. Und noch eine Sorge bewegt nicht nur grundsätzliche Kritiker und Kritikerinnen des "gierigen Finanzsystems": nämlich was nach der Abwicklung der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse geschieht - wenn es nur noch eine Riesenbank UBS geben wird.

"Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht", kommentiert die "Neue Zürcher Zeitung". Denn die UBS wird durch die Übernahme der Credit Suisse erst recht "too big to fail".

Kathrin Hondl, Kathrin Hondl, ARD Genf, 20.03.2023 14:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. März 2023 um 17:00 Uhr.