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Trotz Rezessionssorgen US-Banken im Zins-Rausch

Stand: 17.07.2023 16:20 Uhr

Der Zinsanstieg beschert US-Großbanken Rekordgewinne. Während die hohen Zinsen große Teile der Wirtschaft belasten, profitieren vor allem Banken in den USA davon. Doch wie nachhaltig ist der Profit?

Von Bianca von der Au, ARD-Finanzredaktion

Die hohen Leitzinsen bescheren US-Großbanken einen kräftigen Gewinnschub, das zeigt der Blick auf die jüngst bekannt gegebenen Quartalszahlen. JPMorgan, Wells Fargo und Citigroup machten im vergangenen Quartal zusammen 22 Milliarden Dollar Gewinn - und damit 37 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die US-Großbanken sind traditionell die Ersten, die ihre Bücher am Ende eines Quartals öffnen und damit die Bilanzsaison einläuten.

Am besten schnitt Branchen-Primus JP Morgan Chase ab. Das größte US-Geldhaus steigerte den Überschuss in den drei Monaten bis Ende Juni im Vergleich zum Vorjahr um 67 Prozent auf 14,5 Milliarden Dollar. Die Erträge legten um gut ein Drittel auf 41,3 Milliarden Dollar zu - und damit in einem noch höheren Tempo als zum Jahresauftakt. Damit übertraf JP Morgan die Schätzungen der Analysten bei beiden Werten.

Banken in optimalem Geschäftsumfeld

Durch den Zinsanstieg der Notenbanken und das anhaltend hohe Zinsniveau befinden sich die Banken derzeit in einem für sie optimalen Geschäftsumfeld, analysiert Banken-Professorin Christina Bannier von der Justus-Liebig-Universität Gießen. "Die US-Banken verdienen an der sogenannten Zinsdifferenz. Das ist die Differenz zwischen dem, was die Banken auf die Einlagen ihrer Kunden zahlen und dem, was sie an Kreditzinsen verdienen." Sprich: Die Banken verlangen für Kredite, die sie vergeben, höhere Zinsen, als sie den Sparern für Ihre Einlagen zahlen. Diese Marge ist laut Bannier in den USA sogar höher als in Deutschland.

Platzhirsche profitieren von Vertrauensverlust

Hinzu kommt bei JP Morgan Chase noch die Übernahme der gescheiterten First Republic Bank, die der Großbank einen Gewinn in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar bescherte. In einem von der US-Regierung orchestrierten Bieterverfahren übernahm JP Morgan die insolvente Bank Ende Mai und gewann dadurch auf einen Schlag neue Kunden, Filialen und Einlagen.

Die Banken-Krise im Frühling hat aus Sicht von Banken-Expertin Bannier vor allem die Platzhirsche gestärkt. Denn viele verunsicherte Kunden hätten ihre Einlagen von kleineren Geldhäusern abgezogen und auf Konten bei den großen Banken eingezahlt, auch wenn diese deutlich weniger Zinsen zahlten als die Regionalbanken. Doch sei das Vertrauen in die Großbanken stärker, weil diese strenger reguliert sind und damit als sicherer gelten.

Nach Ansicht des emeritierten Gründungsdirektors des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung, Jan Pieter Krahnen, ist das klassische Bankgeschäft mit Krediten und Kundeneinlagen derzeit Gewinnbringer für die US-Banken, zumal Kunden für Finanzdienstleistungen in den USA laut Krahnen wesentlich mehr zahlen als in Deutschland und Europa. Banken-ProfessorinBannier sagte gegenüber tagesschau.de: "So lange das Zinsniveau hoch bleibt, dürften die Geschäfte für die US-Banken erstmal genau so gut weiter laufen."

Starkes Vertrauen in die US-Wirtschaft

Auch die viertgrößte US-Bank Wells Fargo profitierte von den höheren Zinsen. Sie erhöhte zudem ihre Prognose für den Zinsüberschuss. "Die US-Wirtschaft entwickelt sich weiterhin besser als von vielen erwartet", sagte Wells-Fargo-Chef Charlie Scharf. Dennoch erhöhte die Bank ihre Rückstellungen für den Ausfall von Krediten auf 1,7 Milliarden Dollar von 580 Millionen Dollar im Jahr zuvor.

Ausfallende Kredite sind nach Einschätzung der Banken-Experten ein Risiko, doch gibt Krahnen zu Bedenken: "Allen Unkenrufen zum Trotz schwächelt das Kreditgeschäft nicht, auch Ausfälle in großem Maßstab sind bislang ausgeblieben." JP Morgan Chase-Chef Jamie Dimond betonte mit Blick auf die US-Wirtschaft: "Die Bilanzen der Verbraucher sind gesund und sie geben Geld aus, obschon ein wenig langsamer." Bannier deutet das Konsum-Verhalten der Amerikaner so: "Man traut sich zu konsumieren, das Vertrauen in die eigene Wirtschaft ist stark."

Kredit-Geschäft gleicht Schwäche im Investmentbanking aus

Bei den Banken konnten die Gewinne im Kreditgeschäft die anhaltende Schwäche beim Investmentbanking ausgleichen; dort läuft es wegen der gestiegenen Zinsen nicht so gut. Laut Banken-Expertin Bannier belasten die hohen Zinsen viele Unternehmen. Sie blieben daher vorsichtig etwa im Begeben von Anleihen, bei Börsengängen oder möglichen Übernahmen: Bereiche, in denen die großen Investmentbanken während der Corona-Pandemie, als die Zinsen noch extrem niedrig waren, glänzend verdient hatten.

Nicht ganz so gut wie bei JPMorgan und Wells Fargo lief es bei der Citigroup. Das Institut mit einem starken Kapitalmarktgeschäft profitierte zwar ebenfalls von den gestiegenen Zinsen, kämpfte aber im zweiten Quartal mit vielen anderen Problemen wie dem schwachen Geschäft mit Anleihen, Aktien und Rohstoffen. Der Gewinn sank im Jahresvergleich um 36 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar. Die Erträge gingen um ein Prozent auf etwas mehr als 19 Milliarden Dollar zurück. Zudem musste die Bank, die der zweitgrößte Ausgeber von Kreditkarten der Welt ist, die Vorsorge für Kreditausfälle kräftig erhöhen.