Kolumne Euroschau Zinswende nicht in Sicht

Stand: 09.04.2019 19:41 Uhr

Die EZB denkt darüber nach, die Strafzinsen für Europas Banken zu lockern, aber nicht abzuschaffen. Gleichzeitig sagt sie die Zinswende ab. Eine Normalisierung der Geldpolitik lässt weiter auf sich warten.

Notenbank-Latein ist schwierig zu entschlüsseln. Gerne sprechen die Währungshüter in Phrasen und Klauseln, die für den Normalverbraucher nicht immer auf Anhieb verständlich sind. Auch die Europäische Zentralbank macht da keine Ausnahme, wenngleich gerade sie sich Transparenz immer besonders groß auf die Fahnen schreibt.

Um sich ein besseres Bild über die Diskussionen im EZB-Rat zu machen, sind deshalb die Protokolle der Sitzungen häufig hilfreich. Seit 2015 veröffentlicht die EZB diese Zusammenfassungen jeweils vier Wochen nach dem Treffen. In anonymisierter Form zeichnen sie den Gesprächsverlauf nach und geben damit zusätzlich zu der unmittelbar nach der Sitzung stattfindenden Pressekonferenz einen Überblick über die behandelten Themen.

Gefährden Strafzinsen die gesamte Bankenbranche?

Dieses Mal wirft das Protokoll ein Schlaglicht auf das, was europäischen Banken schon seit längerem ein Dorn im Auge ist: die Strafzinsen für bei der Notenbank geparktes Kapital. Denn in der März-Sitzung des EZB-Rates zeigten sich einige Ratsmitglieder besorgt, die Negativzinsen könnten die Gewinne der Banken so stark schmälern, dass langfristig auch Auswirkungen auf die Stabilität der Branche nicht auszuschließen seien.

Rund 7,5 Milliarden Euro zahlen europäische Banken jedes Jahr an die EZB, weil sie dort zeitweise ihr Geld parken. Dieser Strafzins wurde 2014 eingeführt. Für jeden Euro bei der Notenbank werden derzeit 0,4 Prozent Zinsen fällig. Die Währungshüter wollen damit erreichen, dass Banken dieses Geld in Form von Krediten an Unternehmen geben, anstatt es bei der EZB zu bunkern.

Damit soll die Wirtschaft im Euroraum angekurbelt werden. Doch viele Banken sind vorsichtig. Weil das gesamte Zinsniveau so niedrig ist, können sie auch für Kredite nur geringe Zinsen verlangen. Viele Geschäfte lohnen sich deshalb unter Abwägung der Risiken nicht. Deshalb bleibt die überschüssige Liquidität hoch, die bei der EZB landet.

Die Negativzinsen belasten zunehmend die Bilanzen der Banken. Sie sind auch ein Grund, weshalb viele europäische Institute im internationalen Vergleich so schwach da stehen - insbesondere die deutschen.

US-Banken erhalten Zinsen von der FED

Deutlich macht das der Vergleich mit den USA. Dort gibt es bei der Federal Reserve - wie normalerweise üblich - Zinsen auf Einlagen der Geschäftsbanken. Während Europas Kreditinstitute also Strafe zahlen, erzielen US-Banken jedes Jahr rund 40 Milliarden Euro an Gewinn durch die Zinszahlungen der Zentralbank - ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für die europäischen Institute.

Mario Draghi beim EZB-Zentralrat

EZB-Präsident Draghi würde sich gerne von den Negativzinsen verabschieden.

In der EZB wird nun diskutiert, den Banken mit einem gestaffelten System entgegenzukommen. Danach gäbe es bestimmte Freigrenzen für bei der EZB geparktes Kapital. Erst wenn diese ausgeschöpft sind, würde der Strafzins fällig.

Ein solches System wird zum Beispiel in der Schweiz und in Japan angewendet. Es bedeutet eine deutliche Entlastung der Banken. EZB-Präsident Mario Draghi machte vor kurzem deutlich, die Währungshüter würden über solche Änderungen nachdenken. Seitdem macht vor allem der deutsche Bankenverband Druck: Er drängt auf ein Ende der jetzigen Regelung.

EZB-Rat weiter uneinig

Doch beschlossen ist noch nichts. Denn in der Zentralbank gibt es unterschiedliche Strömungen: Einige Mitglieder wie der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau und sein österreichischer Kollege Ewald Nowotny gelten schon seit längerem als Kritiker der Negativzinsen.

Dagegen zeigte sich der niederländische Notenbankchef Klaas Knot skeptisch. Er verweist darauf, dass ein gestaffeltes System bestimmte Banken in Europa benachteiligen würde. Der EZB gehe es nicht um die Profitabilität der Banken. Sie müsse vorrangig das Primat der Preisstabilität im Auge behalten. Dazu seien Negativzinsen ein geeignetes Instrument. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält sich in der Frage zurück.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann

Im Streit über Negativzinsen zurückhaltend: Bundesbank-Präsident Weidmann.

Normalisierung weiter verschoben

Die Diskussion zeigt einmal mehr, wie schwer sich die EZB mit einer Normalisierung der Geldpolitik tut. Eigentlich war damit gerechnet worden, die Negativzinsen für Banken würden in diesem Jahr ganz gestrichen. Dies hätte den Weg frei gemacht, auch die Leitzinsen wieder zu erhöhen. Jetzt geht es nur noch darum, wie die Belastungen für die Kreditinstitute abgemildert werden können. Eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr ist völlig vom Tisch.

Ursache ist die sich weiter abschwächende Konjunktur im Euroraum. Dadurch sank die Inflationsrate erneut auf nur noch 1,4 Prozent im März und ist damit noch weiter vom angestrebten Ziel von knapp zwei Prozent entfernt. EZB-Präsident Draghi betont zwar immer wieder, die Schwächephase sei nicht notwendigerweise ein Vorbote für einen ernsthaften Einbruch der Wirtschaft. Die Risiken seien aber wegen der weltweiten Unsicherheiten gewachsen.

Mit einer Zinswende ist nun frühestens im März 2020 zu rechnen - auch diese Einschätzung ist im jüngsten EZB-Protokoll zu lesen. Doch ob es dann dazu kommt, ist fraglicher denn je.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. April 2019 um 11:40 Uhr.