Euro-Gipfel in Brüssel Griechenland ist wieder Chefsache

Stand: 12.07.2015 18:49 Uhr

Jetzt müssen die Staats- und Regierungschefs versuchen, woran die Euro-Finanzminister gescheitert sind: Eine gemeinsame Linie im Umgang mit dem überschuldeten Griechenland finden. "Harte Gespräche" erwartet Kanzlerin Merkel. EU-Kommissionschef Juncker kommt mit "gehobenem Kampfesmut".

Griechenland ist wieder Chefsache: Stundenlange zähe Beratungen der Euro-Finanzminister verliefen ohne Durchbruch. Nun müssen die 19 Staats- und Regierungschefs darüber entscheiden, ob Verhandlungen mit Griechenland über neue Milliardenhilfen aus einem dritten Hilfsprogramm aufgenommen werden.

Der finnische Finanzminister Alexander Stubb sagte, die Finanzminister hätten "viele Fortschritte gemacht". Es liege nun "ein sehr guter Vorschlag auf dem Tisch", der mit "weitreichenden Bedingungen" für die weitere finanzielle Unterstützung Griechenlands versehen sei. So müsse das griechische Parlament bereits bis Mittwoch eine Reihe von Gesetzen beschließen - also Reformen, die Griechenland umgehend umsetzen muss.

Gesetze statt Absichtserklärungen - diese Forderung sei eine Folge des fehlenden Vertrauens in die griechische Regierung, berichtet ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause.

Merkel: Keine Einigung um jeden Preis

Deutschland gehört zu den Verfechtern einer harten Linie, verkörpert durch Finanzminister Wolfgang Schäuble. Bei ihrer Ankunft in Brüssel erteilte auch Kanzlerin Angela Merkel einer Einigung um jeden Preis eine Absage. Es müsse sichergestellt werden, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen - "und zwar sowohl für die Zukunft Griechenlands, als auch für die Eurozone als Ganzes und die Prinzipien unserer Zusammenarbeit".

Sie wisse, "dass die Nerven angespannt sind", sagte die Kanzlerin. Die Verantwortung sieht sie dafür bei der Regierung in Athen: Die "wichtigste Währung" sei "verloren gegangen, und das ist Vertrauen und Verlässlichkeit". Es sei daher für sie "kein Wunder", dass die Euro-Finanzminister den Staats- und Regierungschefs trotz stundenlanger Verhandlungen nicht einmütig zur Aufnahme von Verhandlungen mit Athen auffordere.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich etwas optimistischer: "Wir werden bis zur allerletzten Millisekunde an einer Lösung arbeiten", versprach er in Brüssel. "Ich befinde mich in gehobenem Kampfesmut, und wir werden auch - wie ich hoffe - zu einer Lösung kommen."

Darauf hofft auch Frankreich Staatschef François Hollande: "Frankreich wird alles machen, um heute Abend eine Vereinbarung zu finden." Es gehe darum zu wissen, ob Griechenland morgen noch in der Eurozone sein werde. Frankreich setzt sich seit längerem vehement dafür ein, mit Athen zu einer Vereinbarung zu kommen. Von dem Schäuble-Papier zum "Grexit auf Zeit" hielt er nichts. In einem Positionspapier hatte der deutsche Finanzminister eine fünfjährige Eurozonen-Auszeit Griechenlands ins Gespräch gebracht, falls Athen seine Reformvorschläge nicht nachbessert.

Gipfel unterbrochen, Kompromiss-Suche im kleinen Kreis

Nach etwa zweieinhalbstündigen Beratungen unterbrachen die Staats- und Regierungschefs ihre Gipfel-Verhandlungen, um sich im kleinen Kreis weiter zu beraten. EU-Ratspräsident Donald Tusk habe die Gipfel-Verhandlungen "für bilaterale Treffen auf der Suche nach einem Kompromiss ausgesetzt", teilte ein Sprecher Tusks bei Twitter mit. Wie Diplomaten sagten, soll die "Pause" während des Treffens in Brüssel anderthalb Stunden dauern.

Ursprünglich war der Ablauf des heutigen Nachmittags anders geplant. Eigentlich wollten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf Grundlage der Empfehlung der Finanzminister nur noch über die Details eines dritten Hilfspakets für Griechenland sprechen, zwei Stunden später sollte es dann einen Gipfel aller 28 EU-Staaten geben. Doch daraus wird nun nichts.

Der Gipfel in großer Runde ist abgesagt, stattdessen brüten jetzt die 19 Eurozonen-Chefs über den Reformzusagen aus Athen. Reichen die Versprechen? Gibt es genug Vertrauen in die Tsipras-Regierung? Immerhin geht es um Summen von geschätzten 80 Milliarden Euro oder sogar noch mehr in den nächsten drei Jahren.

Es wird solange beraten, "bis wir die Gespräche zu Griechenland abschließen", gab Ratspräsident Tusk vor. Es dürfte eine lange Nacht werden in Brüssel.

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