Robert Habeck (Mitte), Greg Hands und weitere Personen beim symbolischen Spatenstich am zukünftigen Anlandepunkt der neuen Stromleitung Neuconnect.

Von Wilhelmshaven nach Kent Spatenstich für deutsch-britische Stromleitung

Stand: 21.05.2024 14:20 Uhr

Der Bau der ersten deutsch-britischen Stromverbindung hat begonnen: Die Trasse NeuConnect soll von Wilhelmshaven in die Grafschaft Kent führen und ab 2028 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen.

Um die Energienetze zwischen Deutschland und Großbritannien miteinander zu verbinden, hat in Wilhelmshaven die Bauphase für das erste Stromkabel zwischen den beiden Ländern begonnen.

Nahe dem geplanten deutschen Anlandepunkt vollzog Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zusammen mit dem britischen Staatsminister für Handelspolitik, Gregory Hands, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies und der Vorsitzenden der Projektgesellschaft Neuconnect, Julia Prescot, symbolisch einen ersten Spatenstich.

Habeck sagte, die neue Stromverbindung werde für Flexibilität beim Transport von Erneuerbaren Energien sorgen. "Je vernetzter Europa ist, je größer das Netzwerk ist, umso effizienter kann das System gefahren und gesteuert werden und das große Ziel der Dekarbonisierung, also einer klimaneutralen Stromversorgung, umgesetzt werden." 

Mehr als 700 Kilometer Kabel

Die Trasse NeuConnect verbindet auf einer Länge von etwa 720 Kilometern die Übertragungsnetze Deutschlands und Großbritanniens. Die Stromverbindung soll vom geplanten Umspannwerk Isle of Grain in der Grafschaft Kent zum Umspannwerk Fedderwarden im Stadtgebiet von Wilhelmshaven verlaufen. Dabei quert sie auch das Hoheitsgebiet der Niederlande.

Die Länge des deutschen Teils der Leitung gab das Wirtschaftsministerium mit 193 Kilometer an. In der Nordsee ist die Trasse als Unterseekabel und auf der deutschen Landseite als Erdkabel geplant. Die Verbindung mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt soll bis zu 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen können. Sie soll 2028 in Betrieb gehen.

Stromversorgung in beide Richtungen möglich

Vor allem überschüssiger Windstrom, der in der deutschen Nordsee produziert wird, bislang aber wegen Engpässen im Stromnetz an Land nicht weitertransportiert werden kann, könnte über das Seekabel nach Großbritannien exportiert werden. Das Vereinigte Königreich ist zurzeit Nettostromimporteur.

Grundsätzlich ist die Stromübertragung aber in beide Richtungen möglich und auch vorgesehen. Das Bundeswirtschaftsministerium verwies daher auch auf Potenziale durch den geplanten Bau britischer Offshore-Windparks als Beitrag zur deutschen Stromversorgung.

Plus für Wettbewerb und Versorgungssicherheit

Der Energieexperte Harald Bradke vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) erhofft sich durch die neue Stromverbindung Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. "Diese Interkonnektoren ermöglichen den Stromaustausch zwischen den Stromnetzen in Europa und erhöhen damit den Wettbewerb und die Versorgungssicherheit", erklärte Bradke.

Bis die innerdeutschen Stromtrassen von Norden nach Süden fertig ausgebaut sind, werde durch die neue Leitung auch deutscher Windkraftstrom nach Großbritannien fließen. Das entlaste die deutschen Stromkunden, denn derzeit müssen Anlagen bei einem hohen Windstromangebot an den deutschen Küsten abgeregelt werden.

Deutschland bald Stromimporteur statt -exporteur?

Längerfristig geht aber auch der VDI-Experte davon aus, dass große Windparks vor Schottland günstigen Strom nach Deutschland liefern werden: "Aufgrund des schleppenden Ausbaus der Stromerzeugung aus Windenergie bei uns, ist zu erwarten, dass sich Deutschland zumindest mittelfristig von einem Strom-Exportland zu einem Strom-Importland entwickeln wird, wie es bereits 2023 der Fall war", erklärte er.

Deutschlands Stromnetz ist bereits seit Jahren mit denen seiner Nachbarn verbunden. Bis 2022 erwirtschafteten die Stromerzeuger so einen Exportüberschuss. 2023 wurde erstmals mehr importiert als exportiert. Dazu beigetragen hatte in geringem Maße auch das Abschalten der letzten deutschen Atomkraftwerke, vor allem war es aber eine Preisfrage: Besonders im Norden Europas sei viel günstiger Windstrom produziert worden, erklärte Bradke. Deshalb seien "die teureren fossilen deutschen Kraftwerke nicht benötigt" worden.