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KI im Onlinehandel Mit Risiken und Nebenwirkungen

Stand: 14.03.2024 08:30 Uhr

Künstliche Intelligenz soll den Onlinehandel für Kunden zu einer persönlicheren und einfacheren Erfahrung machen. Neben Chancen bestehen für Kunden allerdings auch Risiken.

Von Mailin Engels, ARD-Finanzredaktion

Welche Laufschuhe sind für unebenes Terrain am besten geeignet? Was unterscheidet eine French-Press-Kanne von einer Filterkaffeemaschine? Welches Spielzeug ist besonders für Sechsjährige geeignet? Wer beim Onlineeinkauf bestimmte Fragen hat, muss für eine Antwort meist selbst recherchieren oder Kundenrezensionen durchforsten.

Auf Amazon könnte sich das durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zukünftig ändern. Der KI-Assistent namens "Rufus" soll den Einkauf auf der Seite erleichtern. Dabei übernimmt die KI eine ähnliche Rolle der persönlichen Beratung im stationären Handel - beantwortet etwa produktspezifische Fragen und berücksichtigt dabei persönliche Präferenzen. Getestet wird der Assistent seit diesem Jahr bei ausgewählten Nutzern in den USA.

Was bedeutet der Einsatz von KI für den Onlinehandel?

Der Einsatz von KI im Onlinehandel bringt auf den ersten Blick wesentliche Vorteile. Laut Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), trägt KI zur Optimierung und Individualisierung des Onlineeinkaufs bei. Die Einsatzmöglichkeiten von KI seien "vielfältig".

Und auch für die Handelsunternehmen ergäben sich Vorteile: So sei die Technologie vor allem in Logistik- und Transportprozessen sowie in der Produktoptimierung von großer Bedeutung. "Im Handel kann KI dabei unterstützen, die weltweiten Warenströme punktgenau zu steuern und die Kundenbedürfnisse vor Ort in den Geschäften sowie online besser zu verstehen", erläutert Tromp.

Was kann die KI?

Die KI macht eine Sache besonders: Sie erkennt Muster. Auf Grundlage der ihr verfügbaren Daten kann sie individuelle Klick- und Einkaufsverhalten erkennen und analysieren, erklärt Jörg Funder, Handelsexperte von der Hochschule Worms. So könne die KI Kunden mit ähnlichem Klickverhalten einer Gruppe zuordnen und Produkte anzeigen, die "eine hohe Übereinstimmung mit dem Klickverhalten zeigen".

Zudem könne KI aus Kundenrezensionen und Retourenquoten Rückschlüsse auf die Eigenschaften eines Produktes ziehen und dem Kunden unter Berücksichtigung der persönlichen Präferenzen passgenaue Produkte anbieten und so den Onlineeinkauf erleichtern. Beschweren sich etwa viele Kunden in Onlinebewertungen über ein Oberteil mit besonders kurzen Ärmeln, erfasst die KI dieses Feedback und zeigt Nutzern mit einer Präferenz für lange Ärmel dieses Produkt gar nicht erst an.

Wenige deutsche Handelsunternehmen setzen KI ein

Die Vorteile von KI im Onlinehandel sind zwar eindeutig - allerdings kommt sie in vielen deutschen Handelsunternehmen bislang kaum zum Einsatz. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom sehen zwar 56 Prozent der befragten Händler KI als Wettbewerbsvorteil; eingesetzt wird sie bisher allerdings nur von vier Prozent aller befragten Unternehmen.

Auch andere Studien weisen ein ähnliches Bild auf: Aus der KI-Umfrage 2023 des Handelsverband Deutschland geht hervor, dass rund 68 Prozent der Handelsunternehmen keine KI anwenden und einen Einsatz auch nicht planen.

Ein komplizierter Prozess

Gründe für die Zurückhaltung gebe es einige. "Häufig scheitert die Durchführung von KI-Projekten in der Praxis aber an scheinbar fehlenden Anwendungsfällen. Auch die hohen Kosten sind eine große Hürde. KI im Handel zu etablieren, ist ein zeit- und kostenintensiver Prozess", so Tromp vom Handelsverband Deutschland.

Handelsexperte Funder kann das nicht nachvollziehen. Handelsunternehmen, die auf KI verzichteten, verzichteten auch auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. "Unternehmen, die nicht hinreichend in KI investieren, werden mittelfristig einen strategischen Wettbewerbsnachteil erleiden und nicht so wirtschaftlich arbeiten können wie ihre Wettbewerber. Später werden diese dann aus dem Markt ausscheiden."

Einsatz von KI birgt Risiken für Verbraucher

Zwar kann ein personalisiertes und passgerechtes Onlineangebot für Kunden besonders bequem sein; es sollte aber nicht ohne Bedenken hingenommen werden. So mahnt die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zur Vorsicht. Denn der Einsatz von KI könne das Machtgefälle zwischen Unternehmen und einzelnen Verbrauchern vergrößern, warnt Miika Blinn, Referent Team Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

So könne KI genutzt werden, um "persönliche Schwächen einzelner Personen zu erkennen und auszunutzen, indem sie versucht, Kaufentscheidungen durch individuelle Ansprache zu beeinflussen". Und auch Kundenbewertungen seien mit Vorsicht zu genießen - der vzbv warnt vor Betrug: "Wir sehen die Gefahr, dass durch gefälschte Produktbewertungen Verbraucher zu Entscheidungen bewogen werden, die sie anders nicht getroffen hätten", so Blinn.

AI Act maßgebend für die Zukunft der KI

Klar ist: KI verändert den Onlinehandel. Und damit ein verantwortungsvoller Einsatz von KI in Zukunft möglich ist, sei ein EU-weit einheitliches, rechtssicheres und innovationsfreundliches Regelungswerk besonders wichtig, so Tromp. Besonders wichtig ist also der sogenannte AI Act. Jetzt hat das Europaparlament abschließend über das Regelwerk zur Regulierung Künstlicher Intelligenz abgestimmt. Darunter werden auch KI-Systeme definiert, die verboten sind: unter anderem der Einsatz unterschwelliger, manipulativer oder täuschender Techniken, die das Verhalten verzerren und bewusste Entscheidungsfindungen beeinträchtigen.

Laut Blinn vom vzbv gibt es dennoch Schutzlücken und Umgehungsmöglichkeiten für Unternehmer, manipulative Praktiken von KI einzusetzen. Wie und ob ein Verbot Verbraucher vor Manipulation durch KI schützt, sei fraglich. "Dies wirft die Frage auf, wie die Regeln des digitalen Verbraucherschutzes in Zukunft nachgeschärft werden müssen, um diese Lücken zu schließen", so Blinn.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. März 2024 um 08:21 Uhr.