Urteil zu ESM und Fiskalpakt Entscheidung mit europäischer Tragweite

Stand: 12.09.2012 00:07 Uhr

Bei der Entscheidung der Karlsruher Richter geht es um viel Geld. Doch im Kern der Klage gegen die deutsche Beteiligung am ESM und den Fiskalpakt steht die Frage, ob die Rechte des Parlaments verletzt werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte ein EU-weites politisches Beben auslösen.

Von Eva Corell, ARD Berlin

Von Eva Corell, BR, ARD Berlin

Von Nervosität ist in Berlin nichts zu spüren. Niemand scheint damit zu rechnen, dass die Verfassungsrichter den Euro-Rettungsschirm vollständig stoppen. Schon, weil dies auch politisch weitreichende Folgen hätte. Das wäre nicht nur für die Regierung ein Tiefschlag, sondern auch für die Oppositionsparteien, die dem ESM ebenfalls zugestimmt haben.

"Wir gehen guten Mutes in diesen Tag", betonte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Und ist sich da mit seinem SPD-Kollegen Frank-Walter Steinmeier einig, der sagte: "Vom Ausgang dieser Entscheidung wird vieles abhängen." An dem Urteil hängt das gesamte deutsche Konzept der Euro-Rettung. Nach Ansicht Steinmeiers entscheiden die Richter auch, ob ein Ausweg aus der europäischen Krise mit europäischen Instrumenten gegangen werden kann und welchen Anteil Deutschland erbringen wird.

Eva Corell, E. Corell, ARD Berlin, 11.09.2012 17:16 Uhr

Viel Steuerzahler-Geld liegt auf dem Tisch

Der deutsche Beitrag beläuft sich auf 21,7 Milliarden Euro in bar und weitere 168,3 Milliarden in Bürgschaften. Das ist Geld aus Steuertöpfen, das die Bundesregierung für den dauerhaften Rettungsfonds bereitstellt. Aus ihm sollen Notfallkredite für kriselnde Euro-Länder gezahlt werden.

Darüber hinaus aber haftet Deutschland auch für Ausfälle bei der Europäischen Zentralbank (EZB) - etwa, wenn diese mit ihren Anleihekäufen baden geht. So könnten die Schulden ins Uferlose wachsen, warnen die Kritiker.

Gauweilers Appell an Merkel

Peter Gauweiler hat deshalb gegen die Euro-Rettung geklagt. Er glaubt nicht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel wirklich guten Gewissens für das Geld der Steuerzahler bürgen kann. Wenn Merkel dies tun könne, müsse sie ihm erklären, "wie das angesichts dieser Schuldenlast, die Sie übernehmen, funktionieren soll". Und wenn die Kanzlerin dies nicht könne, dann dürfe sie diesen Vertrag nicht unterschreiben, so Gauweiler.

"Das ist kein verlorenes Geld"

Im Bundestag war der CSU-Politiker mit seinen Argumenten gescheitert. Am 29. Juni billigten mehr als zwei Drittel der Abgeordneten den ESM und den Fiskalpakt, der allen EU-Ländern eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild auferlegt.

Auch die Grünen sind mehrheitlich überzeugt, dass ohne diese Mechanismen die Rettung der Euro-Zone noch viel teurer werden würde. Finanzexperte Gerhard Schick hält das Geld deshalb für gut angelegt: "Die Vorsorge durch den ESM ist natürlich etwas, was auch für die Zukunft steht. Das ist kein verlorenes Geld. Das sollte man auch sagen."

Werden die Rechte des Bundestags verletzt?

Doch es geht nicht nur ums Geld. Die Kritiker werfen der Regierung Merkel Rechtsbruch vor. Sie sehen die Haushaltsrechte des Parlaments und zugleich das Grundgesetz verletzt. Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi, der ebenfalls einer der Kläger ist, befürchtet, dass Entscheidungen über die Euro-Rettung künftig in Brüssel getroffen werden. "Man kann nicht durch die Hintertür über eine Fiskalunion schrittweise die Europäische Föderation bilden, für die das Grundgesetz nicht geschrieben ist", kritisierte er.

Folgen die Richter dieser Ansicht, wäre das der Anfang vom Ende der gemeinsamen Währungsunion. Das wiederum kann sich der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle nicht vorstellen: "Ich kann mich nicht erinnern, dass die Einführung des Eurosystems verfassungswidrig war. Und wenn man nun ein System installiert, um dieses Währungssystem, um diese Gemeinschaft zu sichern und zu stabilisieren, dann wäre das etwas widersinnig, wenn das verfassungswidrig wäre."

Schäuble warnt vor den Folgen eines "Nein"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält eine Volksabstimmung über das weitere Zusammenwachsen Europas für denkbar. Aber nicht gleich. So etwas muss vorbereitet werden. Vorerst belässt es Schäuble bei seiner Mahnung, was ein richterliches "Nein" zum ESM bedeuten würde. "Ich glaube, dass die Folgen für unser Gemeinwesen, für die Länder, für den Bund, für die Kommunen, für die wirtschaftliche Entwicklung, für den Arbeitsmarkt unabsehbar groß wären", so Schäuble. "Ich glaube, wir würden mit einer nachhaltigen Störung der europäischen Währungsunion eine erhebliche wirtschaftliche Verschlechterung in ganz Europa und darüber hinaus auch in der globalen Weltwirtschaft riskieren." Dies, so seine Hoffnung, werden auch die Verfassungsrichter im Blick haben.