Zwei Pflegerinnen gehen im Bundeswehrkrankenhaus Ulm an dem Schriftzug "Intensiv" vorbei (Archivbild).
Hintergrund

Pflegekräfte in der Corona-Krise Bejubelt, beklatscht, schlecht bezahlt

Stand: 17.11.2021 13:42 Uhr

Manche Politikerinnen und Politiker sprechen von den Helden der Corona-Krise: Pflegekräfte bekommen für ihre Arbeit viele anerkennende Worte. Mehr Geld bekommen sie kaum. Tausende gaben den Beruf seit Beginn der Pandemie auf.

Die Löhne von Pflegekräften in Krankenhäusern und Heimen sind während der Corona-Pandemie nur leicht gestiegen. Das zeigen Auswertungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.

Demnach hatten Vollzeitbeschäftigte in Krankenhäusern in der mittleren Leistungsgruppe 3 im zweiten Quartal 2021 einen durchschnittlichen Monatsbruttoverdienst von 3.898 Euro. Zum Vergleich: Im 2. Quartal 2019, also vor Beginn der Pandemie, waren es 3.657 Euro.

Binnen zwei Jahren sind also 241 Euro hinzugekommen. Bei den Angaben wurden keine möglichen Sonderzahlungen berücksichtigt. In Pflegeheimen erhöhte sich die durchschnittliche Bezahlung von Fachkräften der Leistungsgruppe 3 im selben Zeitraum nach Angaben der Statistiker um 193 auf 3.532 Euro.

"Kein ausreichender Dank"

Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Lohnsteigerungen seien kein ausreichender Dank für die Belastungen in drei Corona-Wellen. Das geringe Plus nach zwei Jahren sei beschämend wenig. "Das verschärft den Pflegenotstand und kostet faktisch Intensivplätze. Wen wundert es, dass viele Pflegekräfte den Beruf verlassen?", fragte der Linken-Politiker.

Bartsch forderte: "Wir sollten Pflegekräfte zu Gutverdienern des Landes machen, um möglichst viele Aussteiger zurückzugewinnen." Kurzfristig brauche es "mindestens 500 Euro mehr Grundgehalt für Pflegekräfte plus einen kompletten Ausgleich der Inflation".

Tausende Pflegekräfte haben gekündigt

Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, forderte gegenüber der Zeitung eine "angemessene tarifvertraglich abgesicherte Entlohnung, die auch gegenüber anderen, weitaus stressärmeren Branchen konkurrenzfähig ist". Zudem müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden. Das bedeute mehr Zeit mit den Patienten, eine bessere personelle Ausstattung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Piel beklagte, seit Beginn der Pandemie im März 2020 hätten bis Frühjahr 2021 etwa 9000 Pflegekräfte gekündigt, Tendenz steigend. "Gründe dafür sind die ständige Überlastungssituation, Personal-Unterdeckung, Gefährdung der eigenen Gesundheit - teils fehlte es sogar an der notwendigen Schutzkleidung - sowie Gefährdung der eigenen Familie und der permanente Stress."

Viele Intensivstationen arbeiten nur eingeschränkt

Das fehlende Personal macht vielen Krankenhäusern schwer zu schaffen. Nach Zahlen des DIVI-Intensivregisters, die dem Magazin "Der Spiegel" vorliegen, begründen die Kliniken die Einschränkungen in sieben von zehn Fällen mit Engpässen beim Personal.

Demnach meldete nur noch ein Viertel der gut 1300 Erwachsenen-Intensivstationen zu Beginn dieser Woche einen regulären Betrieb. Damit liege der Anteil nun auf dem höchsten Niveau seit Beginn der Pandemie.

Aktivierung der Notfallreserve?

Am Wochenende hatte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki in einem "Spiegel"-Interview gefordert, die im DIVI-Intensivregister gemeldete Notfallreserve von knapp 10.000 Betten zu aktivieren.

Diese müssen allerdings nicht sofort einsatzbereit, sondern lediglich nach und nach innerhalb von sieben Tagen aktiviert werden können, indem andere Behandlungen abgesagt oder verschoben werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. November 2021 um 09:00 Uhr und 11:00 Uhr in den Nachrichten.