Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, warten am Grenzübergang im polnischen Medyka
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Krieg gegen die Ukraine ++ 4,5 Millionen Geflüchtete seit Kriegsbeginn ++

Stand: 10.04.2022 23:46 Uhr

Nach UN-Angaben haben inzwischen mehr als 4,5 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Seit Beginn der russischen Invasion hat Kiew Ermittlungen zu 5600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Alle Entwicklungen im Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen.

10.04.2022 • 23:46 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse. Wir sind aber auch am Montag wieder mit einem Liveblog zu allen Entwicklungen rund um den Krieg gegen die Ukraine für Sie da. Diesen Liveblog können Sie hier lesen.

Nach Angaben der Ukraine sind aus Städten des Landes 2824 Menschen durch Fluchtkorridore in Sicherheit gebracht worden. Darunter seien 213 Einwohner der von russischen Truppen belagerten Stadt Mariupol gewesen, teilte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit.

Die ehemalige UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte hat ihre Forderung nach einem internationalen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin bekräftigt. Putin könne zwar erst vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden, wenn er nicht mehr im Amt sei, doch die Justiz habe Geduld, sagte die Juristin. "Es gibt keine Verjährung für diese Verbrechen. Und Putin wird nicht ewig Präsident bleiben", sagte sie. Die Schweizer Juristin Del Ponte war Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda.

Nach dem Abzug der russischen Truppen aus dem ehemaligen Atomkraftwerk Tschernobyl hat sich die Lage dort nach ukrainischen Angaben nach wie vor nicht normalisiert. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA teilte mit, sie sei von der Ukraine informiert worden, dass neue Mitarbeiter nur über den Wasserweg nach Tschernobyl gebracht werden könnten. Der Fluss Pripjat sei für die Arbeiter der einzige Weg von den Unterkünften in der Stadt Slawutytsch zum Ort des Atomunglücks von 1986.

Die IAEA teilte weiter mit, dass nach ukrainischen Angaben am Sonntag erstmals seit drei Wochen wieder neues Personal nach Tschernobyl gebracht worden sei. Die Arbeiter stehen demnach vor einer Reihe von Problemen. Labore für die Überwachung der Strahlung seien zerstört und Messinstrumente gestohlen, kaputt gemacht oder anders unbrauchbar gemacht worden. 133 hoch radioaktive Substanzen seien entwendet worden, teilte die für die Verwaltung der Sperrzone rund um das Akw zuständige Behörde mit. Selbst ein kleiner Teil davon sei tödlich, "wenn er unprofessionell gehandhabt wird".

Die automatische Übertragung der Strahlungsdaten sei nicht mehr möglich. Russische Soldaten sollen nach ukrainischen Angaben während ihrer Besetzung von Tschernobyl im Sperrgebiet rund um den zerstörten Reaktor Gräben im Waldboden ausgehoben haben und dabei verstrahlt worden sein. Russische Soldaten haben nach ukrainischen Angaben während der Besetzung der Atomruine Tschernobyl radioaktive Substanzen aus Forschungslaboren gestohlen.

Bei russischen Angriffen nahe der ostukrainischen Großstadt Charkiw sind nach ukrainischen Angaben zehn Zivilisten getötet worden, darunter ein Kind. Mindestens elf weitere Menschen seien bei Angriffen auf "zivile Infrastruktur" in den Orten Balaklija, Pesotschin, Solotschiw und Dergatschi verletzt worden, schrieb Regionalgouverneur Oleg Synegubow auf Twitter. 

Charkiw ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine und liegt nur rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Bereits seit Anfang der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar ist die Stadt heftig umkämpft, wurde jedoch bislang nicht von den russischen Truppen eingenommen.

Die Zahl der Todesopfer des Raketenangriffs auf den Bahnhof von Kramatorsk ist nach ukrainischen Angaben auf 57 gestiegen. 109 Menschen seien verletzt worden, teilte der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, mit.

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, fordert von der Bundesregierung mehr Einsatz für die Ukraine und gegen Russland. Er teile die Kritik, dass zu wenige Waffen und zu spät geliefert werde, sagte der Grünen-Politiker in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".

Mit Blick auf Forderungen, Bundeskanzler Olaf Scholz solle nach Kiew reisen, meinte Hofreiter, das sei dessen persönliche Entscheidung. Wichtig wäre aber, "dass wir unsere Politik verändern". So sollten Schützenpanzer vom Typ Marder dringend geliefert werden. Beim Unternehmen Rheinmetall stünden davon 70 ausgemusterte, die erst aufgearbeitet werden müssten. Hofreiter schlug daher vor, 20 bis 30 funktionsfähige Marder-Panzer aus Bundeswehr-Beständen zu liefern und aus den ausgemusterten diese Anzahl innerhalb weniger Wochen zu ertüchtigen.

"Ich versuche so viel Druck wie möglich zu machen, dass wir unsere Positionen da verändern", betonte Hofreiter. Seine dringende Empfehlung sei, "deutlich mehr" zu tun. Das gelte auch für ein Energieembargo gegenüber Russland, um das Land von seinen Finanzierungsquellen abzuschneiden. Beim Öl könne man innerhalb der nächsten Wochen handeln. Hier sei man nicht zwingend auf Russland angewiesen. "In meinen Augen auch bei Erdgas" nicht, fügte Hofreiter hinzu. Er könne aber Sorgen hinsichtlich eines Einfuhrstopps für Erdgas verstehen. Beim Erdöl sollte man aber "sehr, sehr schnell" handeln.

Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko hat dringend weitere internationale Waffenlieferungen für die Ukraine gefordert. "Wir brauchen Waffen. Wir können unser Land nicht mit unseren Fäusten verteidigen", sagte Klitschko dem US-Fernsehsender ABC. "Wir werden auf uns selbst aufpassen und unsere Heimat verteidigen, wir brauchen nur diese Waffen dafür." Zuvor hatte Wladimir Klitschko bereits in Deutschland lebende Ukrainer sowie deutsche Unterstützer um Hilfe gebeten. "Macht alle gemeinsam Druck auf die deutsche Bundesregierung. Wir brauchen jetzt ein Embargo von Öl und Gas aus Russland. Wir brauchen jetzt mehr Waffen. Hier in der Ukraine zählt jede Stunde, jede Minute." Sein Bruder Vitali ist Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer will am Montag in Moskau Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen. Das teilte das Bundeskanzleramt in Wien mit. Erst am Samstag hatte der österreichische Regierungschef in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Nehammer ist damit der erste westliche Regierungschef, der seit Kriegsbeginn zu Putin nach Moskau reist. Ein Sprecher sagte, die Reise verfolge drei Ziele: Der Krieg müsse aufhören. Das klinge banal, sei aber das Wichtigste. Ferner erwarte die ukrainische Regierung für die kommenden Tage eine "große Schlacht" im Osten des Landes. Hierfür müssten Absprachen für humanitäre Korridore getroffen werden. Drittens wolle Nehammer bei Putin die Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine ansprechen.

Neue Satellitenaufnahmen des Unternehmens Maxar Technologies zeigen einen langen russischen Militärkonvoi auf dem Weg in den Donbass im Osten der Ukraine. Die Kolonne war etwa 13 Kilometer lang, wie auf den Bildern zu sehen war, die bereits am Freitag aufgenommen wurden. Militärexperten rechnen damit, dass die russischen Truppen innerhalb der kommenden Tage mit einer groß angelegten Offensive im Osten der Ukraine beginnen könnten.

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, geht nach eigenen Worten davon aus, dass Russlands für die Ukraine zuständiger General Alexander Dwornikow Verbrechen und Brutalität gegen ukrainische Zivilisten orchestrieren wird. Sullivan sagte dem Sender CNN, der neu bestellte General sei bekannt für seine Brutalität gegenüber Zivilisten in Syrien. Aber: "Keine Ernennung eines Generals kann die Tatsache ungeschehen machen, dass sich Russland bereits mit einem strategischen Scheitern in der Ukraine konfrontiert sah. Dieser General wird nur ein weiterer Urheber von Verbrechen und Brutalität gegen ukrainische Zivilisten sein."

Dwornikow führte bereits im Syrien-Krieg die russischen Truppen an und wurde 2016 von Präsident Wladimir Putin als Held Russlands ausgezeichnet, eine der höchsten Ehren des Landes. Eine Bestätigung der Personalie von russischer Seite steht noch aus. Er hatte sich im sowjetischen und russischen Militär stetig nach oben gearbeitet, seit er 1982 erstmals einen Zug anführte, kämpfte im Krieg in Tschetschenien und bekleidete weitere Spitzenpositionen, bis er 2015 zum Syrien-Kommandeur der russischen Truppen bestellt wurde. Seit 2016 kommandierte er die Soldaten des Südlichen Militärdistrikts.

In der Region um Kiew sind nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa bislang die Leichen von 1222 getöteten Ukrainern gefunden worden. Das sagte sie dem Sender Sky News.

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat seine Landsleute aufgerufen, sich hinter die Staatsführung zu stellen. "Möge der Herrgott uns allen in dieser schweren Zeit für unser Vaterland helfen, uns zu vereinen, auch um die Staatsorgane herum", sagte das Kirchenoberhaupt in Moskau in einem Gottesdienst.

Zugleich solle Russlands Führung Verantwortung für ihr Volk zeigen und diesem dienen. "Dann wird unser Volk echte Solidarität und die Fähigkeit haben, äußere und innere Feinde abzuwehren und unser Leben so zu gestalten, dass in diesem Leben so viel Gutes, Wahrheit und Liebe wie möglich gibt", zitiert die Kirche weiter aus Kyrills Predigt.

Der Patriarch ist ein enger Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertigte Kyrill I. Anfang März als "metaphysischen Kampf" des Guten gegen das Böse aus dem Westen. Vor einer Woche forderte er die Soldatinnen und Soldaten bei einem Gottesdienst in der Hauptkirche der Streitkräfte auf, ihren Eid zu erfüllen. Sie sollten bereit sein, ihr Leben für ihre Nächsten zu geben, wie es die Bibel besage. Im Ausland werden viele seiner Äußerungen zum Krieg scharf verurteilt.

Innenminister Joachim Herrmann fordert bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine weitergehende Unterstützung vom Bund - und zwar sowohl finanziell als auch organisatorisch. Es gebe "einige offene Fragen, die mit dem Bund und den Kommunen dringend geklärt werden müssen", sagte der CSU-Politiker. "Eine der größten Herausforderungen wird vor allem sein, genügend Wohnraum für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu finden. Nur weil Jobcenter die Wohnungsmiete finanzieren, ist noch kein Wohnraum da."

Bund und Länder hatten sich kürzlich über die Aufteilung der Kosten für die Beherbergung der Flüchtlinge verständigt. "Auch der Bund muss seinen Beitrag für ausreichend bezahlbaren Wohnraum leisten", sagte Herrmann. "Das gilt nicht nur mit Blick auf Kriegsflüchtlinge, sondern auch hinsichtlich der Geringverdiener, die dann um günstigen Wohnraum konkurrieren." Bundesweit seien bereits mehr als 320.000 Flüchtlinge aus der Ukraine erfasst, ein Drittel davon in Bayern. "Viele davon müssen wir mit Wohnraum versorgen, vor allem wenn sich der Krieg noch länger hinziehen sollte."

Herrmanns zweiter Punkt: die Verteilung der Flüchtlinge: "Gerade in Ballungsräumen haben wir bereits schon jetzt mit einem eklatanten Mangel an Wohnraum zu kämpfen." Insoweit werden nach Herrmanns Einschätzung Kriegsflüchtlinge, die sich nicht selbst eine Wohnung beschaffen können oder privat aufgenommen wurden, auch in ländlichen Regionen unterkommen müssen. "Hier muss der Bund eine entsprechende Regelung schaffen, wonach den Kriegsflüchtlingen ein Wohnsitz so vorgeschrieben werden kann, dass sie auch nur dort Leistungen erhalten", sagte Herrmann.

Militärexperten rechnen damit, dass die russischen Truppen innerhalb der kommenden Tage mit einer groß angelegten Offensive im Osten der Ukraine beginnen könnten. Vermutlich würden die Russen sich zunächst auf den nördlichen Rand jenes sichelförmigen Gebiets konzentrieren, das sie in den vergangenen Wochen bereits erobert hatten, sagten Experten des US-Thinktanks Institute for the Study of War.

Ausgehend von der besetzten Stadt Isjum südöstlich von Charkiw würde die russische Armee wohl versuchen, zunächst Slowjansk noch weiter im Südosten zu erreichen, hieß es in der Einschätzung. Allerdings ist unklar, ob die Truppen im Osten der Ukraine besser vorankommen als in der Gegend um Kiew, von wo sie zuletzt abgezogen waren. Nach einem jahrelangen Konflikt mit prorussischen Rebellen hat die Ukraine im Donbass einen Großteil seiner kampferfahrenen Soldaten im Einsatz. "Das Resultat der weiteren russischen Operationen im Osten der Ukraine steht sehr in Frage", hieß es vom Institute for the Study of War.

Die Slowakei verhandelt mit der ukrainischen Regierung über einen Verkauf von Radhaubitzen vom Typ Zuzana. Darüber werde gesprochen, sagte Verteidigungsminister Jaroslav Nad im öffentlich-rechtlichen Sender RTVS. Die slowakische Eigenentwicklung verfügt über ein 155-Millimeter-Geschütz.

Im Gespräch sei auch die Reparatur beschädigter ukrainischer Militärfahrzeuge wie T-72-Kampfpanzern in der Slowakei. Seit längerem wird zudem über eine Überlassung slowakischer MiG-29-Kampfjets an die Ukraine spekuliert. Innenminister Roman Mikulec sagte aber im Nachrichtensender TA3, dies sei im Moment "nicht im Spiel".

Nach Darstellung des Verteidigungsministers wird es freilich immer schwieriger, die Maschinen sowjetischer Bauart einsatzbereit zu halten. Grund sei, dass russische Techniker zurück nach Russland gingen. Die Slowakei hatte dem Nachbarland Ukraine vor kurzem ein Flugabwehrraketensystem der Bauart S-300 überlassen. Ersatzweise wurden Patriot-Einheiten aus Deutschland und den Niederlanden in dem Land unter der Hohen Tatra stationiert. Die Slowakei ist seit 2004 Mitglied der NATO.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben mehr als 4,5 Millionen Menschen das Land verlassen. Die Zahl der Flüchtlinge stieg binnen 24 Stunden um mehr als 42.000 auf insgesamt 4.503.954, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mitteilte. Es handelt sich um die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Innerhalb der Ukraine sind nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zudem weitere 7,1 Millionen Menschen auf der Flucht. Bei 90 Prozent der ins Ausland Flüchtenden handelt es sich um Frauen und Kinder, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine derzeit nicht verlassen dürfen. Knapp 60 Prozent der 4,5 Millionen Flüchtlinge sind nach UN-Angaben nach Polen geflüchtet. Viele reisen von dort aber in andere Staaten weiter. In Polen haben bislang 700.000 Ukrainer eine nationale Identifikationsnummer erhalten, die ihnen Zugang zum Sozialsystem bietet.

Nach Angaben des UNHCR waren bis zum 9. April 686.232 Menschen nach Rumänien gekommen, größtenteils über die Republik Moldau. Die Europäische Kommission ermutigt ukrainische Flüchtlinge in Moldau, ihren Weg in die EU fortzusetzen. Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas und hat selbst nur 2,6 Millionen Einwohner. Ungarn nahm nach UN-Angaben bislang mehr als 419.000 ukrainische Flüchtlinge auf, die Slowakei rund 314.500. Rund 404.500 Flüchtlinge suchten Schutz in Russland.

Bei einem Ein-Mann-Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist der prominente Menschenrechtler Oleg Orlow in Moskau auf dem Roten Platz festgenommen worden. Das teilte die in Russland verbotene Menschenrechtsorganisation Memorial mit, zu deren Führung Orlow gehört.

Ein Video zeigte, wie er auf dem Roten Platz allein ein Plakat hochhielt, bevor Polizisten ihn abführten. Auf dem Plakat stand: "Unsere Weigerung, die Wahrheit zu wissen, und unser Schweigen machen uns zu Mitschuldigen an Verbrechen." Für den 69-Jährigen sei es bereits die vierte Festnahme in jüngster Zeit, teilte Memorial mit. Er wurde demnach in ein Polizeirevier gebracht. Ein Anwalt sei bei ihm.

Das Bürgerrechtsportal Ovd-Info listete am Sonntag weitere Festnahmen in Moskau und anderen Städten auf. In Nowosibirsk habe ein Demonstrant blaue und gelbe Farbe vor das Bürgermeisteramt gekippt - die Nationalfarben der Ukraine.

In Frankfurt am Main und Hannover haben sich mehrere hundert Menschen an prorussischen Demonstrationen beteiligt. In Frankfurt marschierten rund 600 Demonstranten durch die Innenstadt. Es wurden "Russland"-Sprechchöre skandiert. Auf den mitgeführten Transparenten hieß es etwa: "Wahrheit und Meinungsvielfalt anstatt Propaganda". Die Polizei sprach von einer hohen dreistelligen Zahl an Teilnehmern.

Zugleich wandte sich eine weitere Gruppe von Demonstranten gegen den prorussischen Aufmarsch. Nach Angaben der Frankfurter Polizei, die mit einem Großaufgebot vor Ort war, gelang es den Beamten, beide Gruppen auseinanderzuhalten. Es gab aber verbale Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten, sagte ein Polizeisprecher. 

Auch in Hannover gab es gegen einen dortigen Autokorso Proteste. "Bei der Gegendemo ist es sehr voll, viel mehr als erwartet", twitterte der Bundestagsabgeordnete Sven Kindler. Der Autokorso "zur Unterstützung des russischen Angriffskrieges ist eine widerliche Verhöhnung der ukrainischen Opfer", schrieb Kindler. Bereits im Vorfeld hatte sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk gegen den Autokorso gewandt. "Dass dieser Autokorso in Hannover geduldet wird, ist eine Schande für Deutschland!", schrieb er auf Twitter.

Bereits am Samstag hatte es pro-russische Demonstrationen in Deutschland gegeben. In Lübeck versammelten sich nach Angaben der Polizei 150 Menschen zu einer Fahrzeugkolonne mit 60 Autos. Einsatzkräfte stoppten den Autokorso allerdings wegen Verstößen gegen Auflagen wegen "der billigenden Haltung zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine"  sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Die Ukraine hat seit Beginn der russischen Invasion Ermittlungen zu 5600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Sie richteten sich gegen 500 Verdächtige aus den Reihen des russischen Militärs und der Regierung in Moskau, unter ihnen Kreml-Chef Wladimir Putin, sagte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa dem britischen Sender Sky News. "Wladimir Putin ist der Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts."

Wenediktowa verwies unter anderem auf den Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk in der Ostukraine, bei dem am Freitag nach ukrainischen Angaben 52 Menschen getötet worden waren. "Das ist ein Kriegsverbrechen", sagte die Generalstaatsanwältin. Es lägen Beweise dafür vor, dass Russland hinter dem Angriff stecke. "Diese Menschen wollten nur ihr Leben retten, sie wollten evakuiert werden", sagte sie mit Blick auf die Hunderten Flüchtlinge, die sich in dem Bahnhof aufgehalten hatten. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in der vergangenen Woche erklärt, es sei ein "spezieller Mechanismus" zur Untersuchung russischer "Kriegsverbrechen" in der Ukraine geschaffen worden. Er kündigte an, alle Verantwortlichen zu finden und zu bestrafen. An den Ermittlungen sollen sich nach Angaben Selenskyjs internationale Experten, Staatsanwälte und Richter beteiligen.  Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hatte Anfang März Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen. 

Der ukrainische Grenzschutz hat seit Beginn des Krieges knapp 2200 Männer im wehrpflichtigen Alter an der verbotenen Ausreise gehindert. "In letzter Zeit gab es auch mehrere Fälle, in denen Leichen von Männern an den Ufern grenznaher Gewässer gefunden wurden", teilte die Behörde mit.

Anders als Frauen und Kinder, die zu Hunderttausenden fliehen, sollen Männer ihr Heimatland verteidigen. Einige männliche Flüchtlinge hätten versucht, Beamte zu bestechen oder mit gefälschten Dokumenten über die Grenze zu gelangen, hieß es. In den Karpaten seien auch mehrere Vorfälle mit Erfrierungen registriert worden, unter anderem an der Grenze zu Rumänien. In ukrainischen Medien sorgten zuletzt Berichte über den ehemaligen Verfassungsrichter Olexander Tupyzkyj für Aufsehen. Der 59-Jährige war in Wien fotografiert worden.

Die Ukraine hat angekündigt, die vor der Landesverteidigung Geflohenen nach der Rückkehr ins Land zu bestrafen. Nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar hatte Kiew Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten. Ausnahmen gelten für Wehruntaugliche und Väter kinderreicher Familien, aber auch für Fernfahrer.

Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben erneut den Flughafen von Dnipro angegriffen und diesen "vollständig zerstört". Sowohl der Flughafen als auch die umliegende Infrastruktur seien zerstört worden, erklärte der für die ostukrainische Stadt zuständige Gouverneur auf Telegram. Es werde derzeit geprüft, ob es Todesopfer gebe.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einem Telefongespräch mit Kanzler Olaf Scholz eine Verfolgung russischer Kriegsverbrechen in seinem Land gefordert. Beide hätten betont, dass alle Schuldigen an Kriegsverbrechen identifiziert und bestraft werden müssten, schrieb Selenskyj auf Twitter. "Besprochen haben wir auch antirussische Sanktionen, Verteidigungs- und finanzielle Unterstützung für die Ukraine", sagte Selenskyj.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte das Telefonat. Dies habe gestern Abend stattgefunden. Es sei ein Austausch über die aktuelle Situation gewesen und eine Einschätzung der Lage.

Es sei auch über den Verhandlungsprozess zwischen der Ukraine und Russland gegangen, so eine Regierungssprecherin. "Der Bundeskanzler verurteilte die abscheulichen Kriegsverbrechen des russischen Militärs in Butscha und in anderen Orten in der Ukraine." Die Bundesregierung werde zusammen mit ihren internationalen Partnern alles daransetzen, dass die Verbrechen schonungslos aufgeklärt und die Täter identifiziert werden, damit sie vor Gerichten zur Verantwortung gezogen werden.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte Scholz auf, ebenfalls die Ukraine zu besuchen. "Ich glaube schon, dass das ein starkes Signal sein könnte, wenn der Bundeskanzler nach Kiew reist", sagte Melnyk der Nachrichtenagentur dpa. Er betonte aber gleichzeitig, dass der SPD-Politiker dann nicht mit leeren Händen kommen sollte. "Es wäre von zentraler Bedeutung, dass der Besuch vom Kanzler Scholz gleichzeitig von neuen strategischen Entscheidungen der Ampel-Koalition begleitet würde."

Die russische Großbank VTB hat der deutschen Finanzaufsichtsbehörde BaFin zufolge keine Kontrolle mehr über ihre hiesige Tochter. Das ist die Konsequenz aus dem fünften Sanktionspaket der EU gegen Russland, das im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine gerade verhängt wurde. Die Bonner BaFin teilte mit, gestern der Muttergesellschaft aus Sankt Petersburg die Ausübung ihrer Stimmrechte bei der Tochter VTB Bank Europe untersagt zu haben. Das russische Geldhaus sei Teil der neuen Sanktionen. Die Tochter dürfe keine Weisungen der Muttergesellschaft mehr befolgen, so die BaFin.

Papst Franziskus ruft zu einer Waffenruhe an Ostern auf, die zu Verhandlungen und Frieden führen soll. "Legt die Waffen nieder", sagt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche am Palmsonntag zum Ende eines Gottesdienstes vor Zehntausenden Menschen auf dem Petersplatz in Rom. "Lasst eine Waffenruhe an Ostern beginnen. Aber nicht, um aufzurüsten und den Kampf wieder aufzunehmen, sondern eine Waffenruhe, um durch echte Verhandlungen Frieden zu schaffen."

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft wirft Russland vor, auch bei dem Raketenangriff auf den Bahnhof der Stadt Kramatorsk mit über 50 Toten ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. "Absolut, das ist ein Kriegsverbrechen", sagte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa dem britischen Sender Sky News. Es sei eine russische Rakete gewesen, die mehr als 50 Menschen getötet habe, die mit ihren Kindern auf ihre Evakuierung gewartet hätten. "Das waren Frauen, das waren Kinder, und sie wollten einfach nur ihr Leben retten", sagte Wenediktowa. Man habe Beweise dafür, dass es sich um einen russischen Angriff gehandelt habe. Wenediktowa warf Russland vor, in allen Regionen der Ukraine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Den russischen Präsidenten Wladimir Putin bezeichnete sie als den "Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts". Die Ukraine habe 5600 Fälle mutmaßlicher Kriegsverbrechen mit 500 Verdächtigen identifiziert.

Beim Beschuss der Stadt Derhatschi in der nordöstlichen Region Charkiw sind nach ukrainischen Angaben zwei Menschen getötet worden. Mehrere weitere Menschen seien verletzt worden, teilt der Gouverneur der Region, Oleh Synjehubow, auf Facebook mit. Russische Truppen hätten 66 Artillerieangriffe in mehreren Gebieten ausgeführt.

Die russische Opposition um den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny setzt auf einen Umsturz in Moskau durch interne Konflikte im inneren Zirkel von Staatspräsident Wladimir Putin. Das sei inzwischen "das wahrscheinlichste Szenario", sagte der langjährige Stabschef Nawalnys, Leonid Wolkow, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Wolkow warnte vor westlichem Wunschdenken mit Blick auf Massendemonstrationen in Russland. Vielen Russen sei nach den jüngsten Strafverschärfungen das Risiko zu groß. Doch trotz der von Putin erzwungenen Ruhe auf den Straßen gebe es Veränderungen. Immer mehr Russen bemühten sich um regierungsunabhängige Informationen.

"Die Vorstellung, man könne Putin mal eben durch ein paar große Protestmärsche hinwegfegen, ist naiv", sagte Wolkow. In Kreisen der politischen und ökonomischen Elite in Moskau gebe es aber eine enorme Unruhe. Putins militärische Pläne hätten sich als irreal entpuppt, zugleich aber erleide Russland realen Schaden durch die Wirtschafssanktionen.

"Diese beiden Faktoren addieren sich zu einem Druck auf Putin, der ihn früher oder später das Amt kosten wird, da bin ich sehr zuversichtlich", sagte Wolkow. "Wenn Putin weg ist, wird dieses System nicht an irgendjemanden vererbt", unterstrich Wolkow. "Es wird zusammenbrechen."

Der Gouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, hat den russischen Truppen einen wahllosen Beschuss mit allen vorhandenen Waffen vorgeworfen. "Schwere Artillerie, darunter 152 Millimeter. Mörser aller Kaliber, Mehrfachraketenwerfer, Raketen, Luftwaffe. Das ist einfach Horror", sagte der 46-Jährige in einem Interview der Onlinezeitung Ukrajinska Prawda. Dabei seien alle Krankenhäuser in dem Gebiet beschossen worden. Derzeit seien nur noch die Einrichtungen von Lyssytschansk und Sjewjerodonezk in Betrieb. "Sogar mit durchgeschlagenen Dächern, sogar mit Löchern in den Wänden, arbeiten sie weiter", sagte er. Das Ende des Krieges mit einer eventuellen Verhandlungslösung werde von dem erwarteten russischen Großangriff im Donbass abhängen. "Wenn wir ihn nicht komplett zerschlagen, wird es einen weiteren Angriff nach einer gewissen Zeit geben, nach anderthalb bis zwei Jahren", meinte er.

Die SOS-Kinderdörfer fordern eine Gleichbehandlung aller Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen. "Es kann nicht sein, dass wir hier Unterschiede machen und Geflüchtete in die erste und zweite Klasse einteilen", sagte Lanna Idriss vom Vorstand der Hilfsorganisation nach einem Besuch vor Ort: "Mit Entsetzen musste ich beobachten, wie sowohl an der deutschen als auch an der polnischen Grenze Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung diskriminiert wurden. Das ist untragbar!"

Die Berichte über Diskriminierungen häuften sich und würden von vielen Seiten bestätigt. So seien etwa Menschen mit dunkler Hautfarbe an der Ausreise aus der Ukraine gehindert worden oder es sei ihnen die für Geflüchtete kostenlose Bahnfahrt von Polen nach Deutschland verweigert worden.

Seit Ausbruch des Krieges, so Idriss weiter, seien nach UN-Schätzungen etwa 210.000 Drittstaaten-Angehörige aus der Ukraine geflohen, darunter auch zahlreiche internationale Studierende.

Mit neuen schweren Raketenangriffen haben die russischen Streitkräfte nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau Dutzende weitere Militärobjekte in der Ukraine zerstört. Insgesamt seien 86 Objekte innerhalb eines Tages getroffen worden, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau mit.

Im Gebiet Dnipropetrowsk seien der Stab und Basis des Bataillons Dnipro vernichtet worden. Der Stützpunkt soll demnach auch als Sammelstelle für Söldner gedient haben. Überprüfbar sind die Angaben nicht. Zerstört worden seien auch auf dem Militärflugplatz der Garnisonsstadt Tschuhujiw im Gebiet Charkiw Startkomplexe des Luftabwehrsystems S-300 sowie in der Ostukraine mehrere Drohnen, zwei Munitions- und drei Treibstofflager, sagte Generalmajow Konaschenkow.

Die prorussischen Separatisten teilten mit, ukrainische Truppen hätten in der umkämpften Hafenstadt Mariupol zwei ausländische Schiffe samt Besatzung in ihre Gewalt gebracht und würden von dort aus die Stadt beschießen. Die Separatisten kämpfen mit Unterstützung der russischen Armee darum, Mariupol am Asowschen Meer vollständig einzunehmen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die russische Menschenrechtskommissarin Tatiana Moskalkowa bestätigt einen Gefangenenaustausch mit der Ukraine von gestern. Am frühen Sonntagmorgen seien die an Russland übergebenen Personen auf russischem Boden angekommen, erklärt sie in einem Post im Internet. Unter ihnen seien vier Angestellte der staatlichen Atomenergiegesellschaft Rosatom und Soldaten.

Im umkämpften Osten der Ukraine soll es heute neun Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung geben. Dem habe die Regierung in Kiew zugestimmt, sagte Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Auch für die eingekesselte Hafenstadt Mariupol werde es einen Korridor geben, den Menschen mit Privatfahrzeugen nutzen könnten. Alle Routen in der im Osten gelegenen Region Luhansk würden funktionieren, solange es eine Waffenruhe seitens der russischen Truppen gebe, erklärte Wereschtschuk auf Telegram.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht nicht nur sein Land im Visier russischer Aggression. Russland habe nicht de Absicht, seine Angriffe auf die Ukraine zu beschränken, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Video-Ansprache. Moskau ziele auf das gesamte europäische Projekt. "Deshalb ist es nicht nur die moralische Pflicht aller Demokratien, aller Kräfte Europas, das Verlangen der Ukraine nach Frieden zu unterstützen", sagte Selenskyj. "Es ist tatsächlich eine Strategie der Verteidigung für jeden zivilisierten Staat."

Russische Militärhubschrauber vom Typ KA-52 haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau einen ukrainischen Militärkonvoi angegriffen und zerstört. Dabei seien Waffen und militärische Ausrüstung vernichtet worden, meldet die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Ministerium. Der ukrainische Konvoi habe aus gepanzerten Fahrzeugen und Flugabwehrgerät bestanden. Ort und Zeitpunkt des Angriffes wurden nicht angegeben.

Russland versucht, die zunehmenden Verluste seiner Invasionstruppen durch Soldaten auszugleichen, die seit 2012 aus dem Militärdienst entlassen wurden. Zu dieser Erkenntnis kommt der britische Militärgeheimdienst, wie das Verteidigungsministerium aus seinem regelmäßig veröffentlichten Bulletin auf Twitter mitteilt. Das Militär bemühe sich, seine Kampfkraft zu stärken. Dazu gehöre auch der Versuch, Rekruten aus der von Russland gestützten und international nicht anerkannten Region Transnistrien im Osten der Republik Moldau zu gewinnen. Moldau grenzt im Westen an das EU-Mitglied Rumänien und im Osten an die Ukraine.

Erneut ist in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein Massengrab mit Dutzenden toten Zivilisten entdeckt worden. Das Grab sei im Dorf Busowa gefunden worden, sagte Taras Didytsch, der Vorsteher der Gemeinde Dmytriwka, zu der Busowa und weitere umliegende Dörfer gehören, dem ukrainischen Fernsehen. Die Leichen hätten in einem Graben in der Nähe einer Tankstelle gelegen. Um wie viele Tote es sich handele, sei noch nicht klar.

Busowa stand wochenlang unter russischer Besatzung. Während der Belagerung Kiews durch russische Truppen lagen etliche Gemeinden rund um die Hauptstadt unter ständigem Beschuss - darunter Makariw, Butscha, Irpin und Dmytriwka. Nach dem Abzug der russischen Soldaten wurden bereits mehrere Massengräber und zahlreiche zivile Todesopfer gefunden.

10.04.2022 • 07:11 Uhr

Siewierodonezk: Schule beschossen

In der Stadt Siewierodonezk in der ostukrainischen Region Luhansk sind am frühen Morgen eine Schule und ein Wohnhochhaus beschossen worden. Das teilte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, auf Telegram mit. "Glücklicherweise keine Verletzten", schreibt er weiter.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Zur Evakuierung der ostukrainischen Region Luhansk stehen heute nach Angaben des Gouverneurs Serhij Gaidai neun Züge bereit. Diese könnten die Einwohnerinnen und Einwohner der belagerten Orte nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen, schreibt Gaidai auf Telegram. Im Osten der Ukraine wird eine Offensive der russischen Truppen erwartet.

Die Ukraine untersagt alle Einfuhren aus Russland. "Heute haben wir offiziell die vollständige Einstellung des Warenhandels mit dem Angreiferstaat verkündet", schreibt Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko auf ihrer Facebook-Seite. Damit wird die Einstellung der Importe zum Gesetz. Vor dem Krieg war die Ukraine mit jährlichen Warenimporten im Wert von rund sechs Milliarden Dollar ein wichtiger Handelspartner Russlands.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer für ihren Besuch in Kiew. Das Treffen mit Johnson zeige, dass es "keine Hindernisse für die Freiheit" gebe, sagte der Präsident in einer Videobotschaft. "Die Führungsrolle Großbritanniens bei unserer Unterstützung, insbesondere im Bereich der Verteidigung, und auch die Führungsrolle in der Sanktionspolitik - sie werden für immer in die Geschichte eingehen." Mit Johnson habe er auch über weitere finanzielle und verteidigungspolitische Hilfen für Kiew gesprochen.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft sieht viele Firmen angesichts der hohen Energiepreise an der Belastungsgrenze. Deswegen sind viele Unternehmen gegen ein Embargo russischer Lieferungen, wie eine Umfrage des Verbands ergab. Auf die Frage, ob man für ein sofortiges Ende russischer Energieimporte zum Preis höherer Bezugskosten wäre, antworteten zum Erdgas 56 Prozent der Firmen mit nein - im Falle von Erdöl 52 Prozent mit ja.

Auf die Frage, wie viel die Firma im Falle eines Embargos bereit wäre, mehr für die Energieversorgung zu bezahlen, gaben fast 48 Prozent der Firmen an, sie wollten keinen Aufschlag zahlen. Rund 32 Prozent der Firmen wären bereit, einen Aufschlag von bis zu 30 Prozent zu akzeptieren - rund 15 Prozent könnten sich einen Aufschlag von 50 Prozent vorstellen. An der Umfrage beteiligten sich 1200 Unternehmen. Die Ergebnisse lagen der Nachrichtenagentur dpa vor.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat das Nein seiner Partei gegen einen Boykott von russischem Erdgas auch mit der Sorge um den sozialen Frieden begründet. "Es geht nicht um die Frage, ob wir für den Frieden in der Ukraine ein bisschen frieren können", sagte Czaja in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Es geht um die Frage, ob wir Millionen von Arbeitsplätzen erhalten, Existenzen von Bürgerinnen und Bürgern und damit auch den sozialen Frieden in unserem Land sichern", fügte er hinzu. Die CDU unterstütze das Kohle-Embargo, das die EU-Kommission gegen Russland vorgeschlagen hat und spreche sich auch dafür aus, schnell, möglichst innerhalb der nächsten drei Monate, Öl-Importe aus Russland zu stoppen, sagte Czaja. "Bei den Gas-Importen befinden wir uns alle in einem furchtbaren moralischen Dilemma."

Er könne verstehen, dass jeder Weg gesucht wird, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, sagte er zu entsprechenden Forderungen der ukrainischen Regierung. "Aber ein sofortiger Stopp russischer Gas-Lieferungen würde unsere wirtschaftliche Kraft derartig in Mitleidenschaft ziehen, dass wir nicht mehr die Kraft hätten, um auch der Ukraine angemessen helfen zu können." Große Teile der deutschen Grundstoffindustrie seien von diesen Gaslieferungen abhängig.

Wegen möglicher künftiger russischer Aggressionen arbeitet die NATO nach Angaben ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg an Plänen für eine ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen. "Was wir jetzt sehen, ist eine neue Realität, eine neue Normalität für die europäische Sicherheit", sagte Stoltenberg der Zeitung "The Telegraph". Die NATO befände sich in einer grundlegenden Umgestaltung. Diese spiegele die langfristigen Folgen der Handlungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin wider.

Durch Beschuss sind in der Region Donezk ukrainischen Angaben zufolge mindestens fünf Zivilisten getötet und fünf weitere verletzt worden. Die örtliche Militärverwaltung machte Russland für die Opfer verantwortlich. Auch im nordöstlichen Gebiet Charkiw habe die russische Artillerie gestern Siedlungen beschossen, teilten ukrainische Behörden mit. Dabei seien mindestens zwei Menschen getötet und ein Mensch verletzt worden. Viele Häuser seien zerstört. In der Region Mykolajiw im Süden habe das ukrainische Militär sieben Raketenangriffe der russischen Armee gezählt, hieß es. Dabei sei niemand getötet worden. Ukrainische Kräfte hätten ihrerseits bei drei Angriffen auf russische Truppen gestern unter anderem 80 Soldaten getötet sowie drei Panzer und je ein Flugzeug und einen Hubschrauber zerstört. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Krieg in der Ukraine: Wie in der zweitgrößten Stadt Charkiw die Lebensmittel knapp werden

Oliver Mayer-Rüth, WDR, zzt. Charkiw, tagesthemen, tagesthemen, 09.04.2022 23:15 Uhr

Dem Präsidialamt in Kiew zufolge konnten gestern mehr als 4500 Zivilisten aus den Regionen Donezk, Luhansk und Saporischschja flüchten. Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk warf Russland vor, trotz einer Vereinbarung Busse für Flüchtende auf bestimmten Routen nicht passieren zu lassen. "Die Busse sind nach Saporischschja zurückgekehrt und werden am Sonntag erneut versuchen, die Städte zu erreichen, um unsere Bürger zu evakuieren", sagte Wereschtschuk.

Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, die Evakuierung von Ortschaften zu sabotieren. Moskau hatte zuletzt erklärt, die Kampfhandlungen auf den Osten der Ukraine zu konzentrieren.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Ukraine rechnet nicht mit einem baldigen Treffen von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin zu Verhandlungen über ein Ende des Krieges. "Zu sagen, dass sie sich in einer Woche, in zwei Wochen treffen werden - nein, das wird so nicht passieren", sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak im ukrainischen Fernsehen. Kiew bereite sich zunächst auf Kämpfe im Donbas vor. Danach habe die Ukraine "eine stärkere Verhandlungsposition" für ein mögliches Präsidententreffen, sagte er.

Die Ukraine bestehe weiter auf starke Sicherheitsgarantien und zahle dafür einen sehr hohen Preis, meinte Podoljak. "Ja, es ist hart, wir verlieren jeden Tag Menschen und Infrastruktur. Aber Russland muss sich von seinen imperialen Illusionen befreien." Wie lange dies dauern werde, spiele keine Rolle. "Der Präsident der Ukraine wird in Verhandlungen gehen, wenn wir absolut klare Positionen dafür haben." Der ukrainische Chefunterhändler bei den Verhandlungen mit Russland, David Arachamija, sagte, es gebe keine greifbaren Fortschritte.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will die umstrittene Fracking-Technologie zur Gasgewinnung in Deutschland nach Möglichkeit erlauben. "Wir dürfen Öl- und Gasgewinnung aus vorhandenen Kapazitäten in Deutschland nicht völlig ausschließen", sagt der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für russisches Gas brauche Deutschland möglichst breite Ersatzkapazitäten. "Wir müssen ergebnisoffen prüfen, was geht und sinnvoll ist. Verbote könnte man aufheben", so der Politiker.

Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist nach eigenen Worten "zutiefst enttäuscht" vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, den er jahrelang als guten Freund bezeichnet hatte. "Ich kann und will nicht verhehlen, dass ich zutiefst enttäuscht und traurig bin über das Verhalten von Wladimir Putin", sagte Berlusconi bei einer Veranstaltung seiner Partei Forza Italia in Rom. "Ich kenne ihn seit etwa 20 Jahren und er erschien mir immer als Demokrat und Mann des Friedens", sagte Berlusconi über den russischen Präsidenten. Angesichts der "Massaker an Zivilisten in Butscha und anderen ukrainischen Orten, die echte Kriegsverbrechen sind, kann Russland seine Verantwortung nicht leugnen", fügte der 85-jährige Milliardär hinzu.

Berlusconi, der zwischen 1994 und 2011 drei Mal italienischer Regierungschef war und dessen Partei nun an der Regierungskoalition von Ministerpräsident Mario Draghi beteiligt ist, hatte Putin bisher nicht öffentlich kritisiert. Als Regierungschef unterhielt Berlusconi freundschaftliche Beziehungen zum russischen Präsidenten und lud ihn sogar in seine Villa auf Sardinien ein.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt mit deutlichen Worten vor einem Boykott der Gasimporte aus Russland. "Ein Gas-Lieferstopp hätte katastrophale Folgen für die Industrie in Deutschland und die Menschen in unserem Land", sagt VCI-Vizepräsident Werner Baumann der "Bild am Sonntag". Deutschland würde in diesem Fall "eine Welle der Arbeitslosigkeit drohen, wie wir sie seit vielen Jahren nicht gesehen haben." Baumann verwies darauf, dass Produkte der chemischen Industrie für die meisten Warengruppen benötigt würden.

Nach dem russischen Abzug aus dem Norden der Ukraine gibt es nach Erkenntnissen des britischen Geheimdienstes Beweise dafür, dass nicht am Kampfgeschehen beteiligte Menschen auf unverhältnismäßige Weise zur Zielscheibe geworden sind. Es gebe Massengräber, Geiseln seien als menschliche Schutzschilde gebraucht und zivile Infrastruktur vermint worden, teilte das britische Verteidigungsministerium auf Twitter mit. Die russischen Streitkräfte nutzten demnach weiterhin Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV), um der Ukraine Verluste zuzufügen, die Moral zu senken und die Bewegungsfreiheit der Ukrainer einzuschränken. Zudem griffen die Truppen weiterhin Infrastrukturziele an, bei denen das Risiko hoch sei, auch der Zivilbevölkerung zu schaden - so etwa bei dem jüngsten Beschuss eines Lagers mit Salpetersäure bei Rubischne im Donbas.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Forderung nach einem Importstopp von Öl aus Russland bekräftigt. "Wenn die Tyrannei eine Aggression gegen alles gestartet hat, worauf der Frieden in Europa ruht, müssen wir sofort handeln", sagte er in einer Videobotschaft. Ein Öl-Embargo müsse der erste Schritt der "gesamten zivilisierten Welt" sein. "Dann wird Russland das spüren. Dann wird es für sie ein Argument sein, den Frieden zu suchen, die sinnlose Gewalt zu beenden", sagte Selenskyj. Die demokratische Welt könne definitiv auf russisches Öl verzichten.

Wegen des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine ein komplettes Handelsembargo gegen Russland verhängt. "Das ist die juristische Verankerung der faktischen Einstellung der Handelsbeziehungen mit der Russischen Föderation vom 24. Februar", sagte Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko gemäß dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Die Regierung schätzt die Verluste Moskaus aus dem Boykott auf umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro. Ein Teilimportstopp für russische Waren gilt bereits seit 2015. Kiew transportiert aber weiter täglich mehr als 100 Millionen Kubikmeter russischen Erdgases nach Westen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil rechnet angesichts des Kriegs in der Ukraine Jahr mit mehr als einer halben Million Kurzarbeitern und einem deutlichen Dämpfer für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr. "Im Schnitt rechnen wir in diesem Jahr mit 590.000 Kurzarbeitern, das Wirtschaftswachstum liegt nach der Prognose unserer Forscher bei 1,4 bis 1,5 Prozent", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". "Das Ganze steht aber unter dem Vorbehalt, dass sich der Krieg nicht ausweitet und die Energieversorgung steht." Bei einer Verschlechterung der Lage werde die Bundesregierung mit Wirtschaftshilfen und Kurzarbeit soweit möglich Arbeitsplätze sichern.

Ende März hatten die Wirtschaftsweisen ihre Wachstumsprognose für Deutschland drastisch gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte nach dieser Einschätzung in diesem Jahr nur noch um 1,8 Prozent zulegen statt der zuvor erwarteten 4,6 Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. April 2022 um 09:00 Uhr.