IAEA-Chef Rafael Grossi
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Krieg gegen die Ukraine + IAEA-Chef besorgt über Lage von AKW Saporischschja +

Stand: 06.05.2023 23:44 Uhr

IAEA-Chef Grossi ist besorgt über die Sicherheitslage des Atomkraftwerks in Saporischschja. Wagner-Chef Prigoschin will seine Stellungen in Bachmut an den Tschetschenenführer Kadyrow übergeben. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen.

06.05.2023 • 23:27 Uhr

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Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist angesichts der angespannten Lage um das frontnahe ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja alarmiert. Die Situation werde immer unberechenbarer, und das Gefahrenrisiko in dem russisch besetzten AKW steige, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi. "Ich bin extrem besorgt über die sehr realen Sicherheitsrisiken", warnte er in einem Lagebericht. "Wir müssen jetzt handeln, um einen drohenden schweren Atomunfall zu verhindern."

Die moskautreue Verwaltung im Gebiet Saporischschja kündigte am Freitag Evakuierungen an, darunter die Stadt Enerhodar, wo der Großteil des AKW-Personals lebt. Laut Grossi bleiben die Mitarbeiter zwar vor Ort, doch die Situation wird dennoch "zunehmend angespannt, nervenaufreibend und herausfordernd" für sie und ihre Familien. Dauerstress könne zu Fehlern und Unfällen im AKW führen. Grossi forderte erneut eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland, um das AKW vor Angriffen zu schützen.

Beim Minenräumen in der südlichen Region Cherson sind nach ukrainischen Angaben sechs Menschen durch russischen Beschuss getötet worden. "Sechs unserer Spezialisten wurden getötet", teilte der staatliche ukrainische Rettungsdienst im Onlinedienst Telegram mit.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende September die Annexion von Cherson und drei weiteren ukrainischen Regionen verkündet. Im November eroberten ukrainische Truppen die Regionalhauptstadt zurück.

Russland hat die Ukraine für den Autobomben-Anschlag auf den kremlnahen Schriftsteller Sachar Prilepin verantwortlich gemacht und von einem "Terroranschlag" gesprochen. Die Ermittlungen seien zwar noch gar nicht abgeschlossen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. "Doch schon jetzt geht aus den Materialien (...) klar hervor, dass von einem erneuten Terroranschlag die Rede ist, der vom Kiewer Regime organisiert und ausgeführt wurde und hinter dem westliche Kuratoren stehen."

Ein Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes SBU sagte auf Anfrage der Internetzeitung Ukrajinska Prawda, man werde eine Beteiligung an solchen Attentaten "weder bestätigen noch dementieren".

Die russische Armee hat nach russischen Angaben eine ukrainische Rakete über der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim abgewehrt. "Die Luftabwehr hat eine ballistische Rakete über der Republik Krim abgeschossen", erklärte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Krim, Sergej Aksjonow, im Onlinedienst Telegram. Die Rakete sei mit dem ukrainischen Hrim-2-System abgefeuert worden, es gebe keine Schäden oder Opfer, fügte er hinzu.

Sein Berater Oleg Kriutschkow erklärte später, dass laut aktualisierten Informationen zwei Hrim-2-Raketen abgeschossen worden seien. Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass ist es das zweite Mal, dass russische Behörden ukrainische ballistische Hrim-Raketen über der Krim gemeldet haben. Erst im vergangenen Monat habe es einen weiteren solchen Vorfall gegeben.

Die ukrainische Militärführung hat Russland vorgeworfen, Phosphormunition in Bachmut eingesetzt zu haben. Die Zeitung "Ukrainska Prawda" zitierte Offiziere der Einheit für Spezialoperationen mit den Worten, "der Feind hat Phosphor- und Brandmunition in einem Versuch eingesetzt, die Stadt vom Gesicht der Erde zu radieren". Ein Foto zu dem Artikel zeigte ein urbanes Gebiet, auf dem es an mehreren Stellen brannte.

Für die ukrainischen Angaben war keine unabhängige Bestätigung zu erhalten. Russland äußerte sich zu dem Vorwurf nicht. Vorherige ukrainische Vorwürfe über den Einsatz von weißem Phosphor wurden von Moskau zurückgewiesen. Nach internationalem Recht ist der Einsatz von weißem Phosphor und Brandmunition - auch Brand- oder Feuerbomben - in Gebieten verboten, in denen sich Zivilisten aufhalten könnten.

Mehr als 14 Monate nach Kriegsbeginn haben Russland und die Ukraine erneut Gefangene ausgetauscht. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, drei Piloten der russischen Luftwaffe seien "als Ergebnis eines schwierigen Verhandlungsprozesses" freigekommen. In Kiew war von 45 Soldaten die Rede, die im Gegenzug aus der russischen Gefangenschaft entlassen worden seien.

Es handele sich um 42 Männer und drei Frauen, die im vergangenen Frühjahr die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer bis zu deren Fall verteidigt hätten, schrieb der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, auf Telegram. Der Austausch unterscheidet sich insofern von vielen in der Vergangenheit, als dass bei ihnen die Zahl der zurückgekehrten Russen und Ukrainer in der Regel ungefähr gleich hoch gewesen war.

In Russland ist der bekannte nationalistische Schriftsteller Sachar Prilepin bei einem Autobombenanschlag verletzt worden. Bei dem Attentat in der Region Nischni Nowgorod sei Prilepins Fahrer getötet worden, teilte der staatliche Ermittlungsausschuss mit. Der Vorfall werde als Terrorakt gewertet. Der Ermittlungsausschuss teilte mit, Wagen des Schriftstellers sei in einem Dorf in der Region Nischni Nowgorod etwa 400 km östlich von Moskau in die Luft gesprengt worden. Prilepin sei ins Krankenhaus gebracht worden.

Prilepin ist ein Verfechter des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Es ist bereits der dritte Bombenanschlag auf eine prominente Person, die für die im Februar 2022 begonnene Invasion eintritt. Die Journalistin Darja Dugina, die Tochter eines nationalistischen Ideologen, starb im August bei einem Autobombenanschlag in der Nähe von Moskau. Im April wurde der Militärblogger Wladlen Tatarsky bei einem Bombenanschlag in einem Café in St. Petersburg getötet. Russland hat für die beiden Anschläge die Ukraine verantwortlich gemacht, was diese zurückgewiesen hat.

Sachar Prilepin

Der russische Schriftsteller Pripelin gilt als Unterstützer des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, trifft eigenen Angaben zufolge konkrete Vorbereitungen für den baldigen Abzug seiner Kämpfer von der Front in der Ostukraine. Er wolle ein Ablöseangebot des Chefs der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, annehmen, teilte Prigoschins Pressedienst auf Telegram mit. Kadyrow hatte zuvor erklärt, Männer seiner Truppe "Achmat" könnten in der schwer umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut die Stellungen der Wagner-Söldner übernehmen.

Prigoschin beschwerte sich zuletzt immer wieder öffentlich über angeblich fehlende Munition. Am Freitag dann kündigte er an, seine Kämpfer aus diesem Grund aus Bachmut abzuziehen. Nun veröffentlichte Prigoschin auch ein Schreiben an Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu, in dem er diesen auffordert, einen Befehl zur Übergabe der Stellungen an Kadyrows Männer zu erteilen. Russlands Armee, die in der Region Bachmut bislang gemeinsam mit den Wagner-Truppen in äußerst verlustreichen Gefechten kämpft, äußerte sich weiter nicht zu Prigoschins Drohungen und Anschuldigungen.

Das von Russland kontrollierte Atomkraftwerk Saporischschja ist laut russischen Angaben nicht von der Teil-Evakuierung der ukrainischen Region Saporischschja betroffen. "Derzeit besteht keine Notwendigkeit, die Beschäftigten des Kraftwerks und die Einwohner der Stadt (Energodar) zu evakuieren", erklärte der von den russischen Behörden ernannte Leiter der Anlage, Juri Tschernitschuk. "Es gibt keinen Grund zur Sorge. Alle Reaktoren (des Kraftwerks) sind abgeschaltet", erklärte er weiter.

Am Vortag hatte der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der Region Saporischschja, Jewgeni Balizki, die Teil-Evakuierung von 18 von Russland besetzten Orten in der Region Saporischschja angeordnet, darunter auch Energodar, wo sich das Atomkraftwerk Saporischschja befindet. Balizki begründete dies damit, dass es in den vergangenen Tagen vermehrt ukrainische Bombenangriffe gegeben habe. Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete unter Berufung auf einen anderen Beamten der Besatzungsverwaltung, die russischen Behörden planten die Evakuierung von rund 70.000 Menschen aus Orten in der Region.

Die russische Regierung wirft den USA und dem Westen insgesamt vor, ukrainischen Terrorismus zu unterstützen. Die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, reagiert damit auf einen Autobombenanschlag, bei dem der prominente nationalistische Schriftsteller Sachar Prilepin einem Tass-Bericht zufolge verletzt wurde. "Die Tatsache ist wahr geworden: Washington und die NATO haben eine weitere internationale Terrorzelle genährt - das Kiewer Regime", so Sacharowa. Für den Anschlag trügen die USA und Großbritannien die "direkte Verantwortung", sagt Sacharowa, nannte aber dafür keinen Beweis.

In Russland ist der bekannte nationalistische Schriftsteller Sachar Prilepin der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei einem Autobombenanschlag verletzt worden. Prilepin habe sich in der Stadt Nischni Nowgorod aufgehalten, meldet die staatliche Nachrichtenagentur unter Berufung auf Rettungsdienste.

Stephan Laack, ARD Moskau, tagesschau, 06.05.2023 13:38 Uhr

Der ukrainischen Luftwaffe ist eigenen Angaben zufolge der Abschuss einer russischen Hyperschallrakete vom Typ "Kinschal" gelungen. "Ich gratuliere dem ukrainischen Volk zu einem historischen Ereignis!", schrieb der ukrainische Luftwaffenchef Mykola Oleschtschuk in seinem Telegram-Kanal. Die von Moskau immer wieder als eine der besten Raketen überhaupt angepriesene Kinschal sei in der Nacht zu Donnerstag mithilfe des US-Abwehrsystems Patriot über der Region Kiew abgefangen worden. Zuvor hatte es in der Ukraine, die sich seit mehr als 14 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt, bereits Spekulationen über einen angeblichen "Kinschal"-Abschuss gegeben. Unabhängig überprüft werden konnten die Angaben zunächst nicht. Auch eine Reaktion von russischer Seite blieb aus.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bei der angekündigten ukrainischen Offensive sieht Militäranalyst Niklas Masuhr einen geografischen Vorteil für die ukrainische Armee. Wenn sie an verschiedenen Stellen der Front vorstoße, habe sie kürzere Wege, wenn sie Truppen zur Verstärkung an Brennpunkte verlegen wolle. Die russische Armee habe längere Routen, weil sie sich nur im besetzten Territorium in südlichen und östlichen Gebieten der Ukraine bewegen kann, sagte Masuhr, Forscher am Center for Security Studies der Universität ETH in Zürich, der Nachrichtenagentur dpa.

06.05.2023 • 08:44 Uhr

Judo-Bund kritisiert IOC

Der Deutsche Judo-Bund hat nach der viel diskutierten Wiederzulassung von Athleten aus Russland und Belarus für die WM deutliche Kritik am Vorgehen des Internationalen Olympischen Komitees geäußert. Das IOC habe mit seiner Empfehlung, Russen und Belarusen als neutrale Athleten wieder zu Wettkämpfen zuzulassen, "die Verantwortung abgegeben", kritisierte Vorstandssprecher Frank Doetsch.

Problematisch findet der Funktionär, dass es noch keine klare Aussage zu einer möglichen Teilnahme der Athleten aus Russland und Belarus an den Olympischen Spielen 2024 in Paris gibt. Bei der Judo-WM in Katar, die an diesem Sonntag startet, können Russen und Belarusen nun wichtige Punkte für die Olympia-Qualifikation sammeln. Der Judo-Weltverband hatte vergangene Woche entschieden, sie unter bestimmten Voraussetzungen wieder starten zu lassen. Dies hatte für massive Kritik gesorgt, die Ukraine hatte einen WM-Boykott angekündigt.

"Unsere Position ist die des gesamten deutschen Sports: Wir hätten es gerne anders gesehen, dass man die Russen und Belarusen nicht starten lässt, um ein Zeichen gegen diesen Angriffskrieg zu setzen", sagte Doetsch.

Die schweren Kämpfe im Osten der Ukraine gehen weiter. "Die schwersten Gefechte toben um Bachmut und Marjinka", meldete der ukrainische Generalstab in seinem täglichen Lagebericht. Allein an diesen beiden Frontabschnitten seien gestern knapp 30 russische Angriffe abgeschlagen worden. Auch bei Limansk lieferten sich beide Seiten schwere Kämpfe.

Nach Darstellung der ukrainischen Militärführung sind die russischen Truppen bemüht, Bachmut bis spätestens 9. Mai vollständig zu erobern. Für Moskau wäre dies ein Prestigeerfolg zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland. Da die Kapitulation, die eigentlich am 8. Mai 1945 in Kraft trat, damals auf Wunsch Stalins in der Nacht zum 9. Mai im sowjetischen Hauptquartier ein zweites Mal unterzeichnet wurde, gilt dieser Tag in Russland als Feiertag.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat ein von der Polizei verhängtes temporäres Verbot ukrainischer Flaggen rund um drei sowjetische Ehrenmale in der Hauptstadt aufgehoben. Die von der Polizei verhängte Allgemeinverfügung, hatte das "Zeigen von Fahnen und Flaggen mit russischem oder ukrainischem Bezug" für die Jahrestage zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. und 9. Mai verboten.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, kritisierte die Polizei dafür. Die ukrainische Organisation Vitsche ging per Eilantrag vor Gericht gegen das Verbot vor und hat nun Recht bekommen. Die Allgemeinverfügung der Polizei sei "offensichtlich rechtswidrig", zitierte der rbb aus der Begründung des Gerichts. Es fehlten "jegliche Anhaltspunkte, um von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen". Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezieht sich demnach nur auf ukrainische Flaggen. Russische Fahnen blieben damit verboten.

Die Berliner Polizei teilte im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, keine Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben beschlossen, eine weitere Milliarde Euro in die Anschaffung von Munition zu investieren, die in die Ukraine geliefert werden soll. Damit erhöht sich die militärische Unterstützung der EU für die Ukraine insgesamt auf 5,6 Milliarden Euro.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 07. Mai 2023 um 07:40 Uhr.