Kirche in Schebekino nahe dem russischen Belgorod
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Krieg gegen die Ukraine ++ Russische Grenzregion unter Beschuss? ++

Stand: 23.10.2022 00:42 Uhr

Ukrainische Geschosse sollen Ziele in der russische Region Belgorod getroffen haben. Die russischen Besatzer fordern alle Zivilisten auf, die Stadt Cherson sofort zu verlassen. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.

23.10.2022 • 00:42 Uhr

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Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod nördlich von Charkiw hat der Ukraine erneut Beschuss des Gebiets vorgeworfen. Zwei Menschen seien dabei in der Grenzstadt Schebekino getötet worden, teilte Wjatscheslaw Gladkow mit. Elf Menschen seien verletzt worden, vier von ihnen schwer. Gladkows Angaben zufolge wurde bei dem Beschuss auch Energie-Infrastruktur getroffen. Details nannte er nicht. Etwa 15.000 Menschen seien aber zeitweilig ohne Strom, Heizung und Wasser gewesen.

Das Gebiet Belgorod beklagt mit anderen Grenzregionen wie etwa Kursk und Brjansk schon seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine immer wieder grenzübergreifenden Beschuss. Die Ukraine hat dies nie eingeräumt.

Nach Darstellung des Gouverneurs hat sich die Lage in den vergangenen Wochen weiter verschärft. Wer sehr nah an der Grenze zur Ukraine lebe, solle deshalb in der Nähe von Moskau untergebracht werden, sagte er. Gladkow ordnete zudem eine strengere Bewachung von Objekten der Energie-Infrastruktur an.

Olena Selenska, Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hat gemeinsam mit der deutschen First Lady Elke Büdenbender die Schirmherrschaft für ein Projekt übernommen, das auf der Frankfurter Buchmesse für Deutschland und Österreich gestartet wurde: "Better Time Stories" verhilft geflüchteten ukrainischen Kindern zu einem Willkommenspaket mit fünf zweisprachigen Bilderbüchern zu Themen wie Trost, Liebe und Optimismus. Dazu werden auch Spenden gesammelt. Für die Hörbuchversionen haben Selenska, Büdenbender sowie die österreichische First Lady Doris Schmidauer selbst jeweils ein Buch eingesprochen.

Angehörige in der Ukraine können zudem mithilfe einer App die Geschichte aufnehmen. "Es ist schön, die Stimme eines geliebten Familienmitglieds in der Muttersprache zu hören und so seine Nähe zu spüren", sagte Selenska. Ukrainische Kinder hätten keine normale Kindheit mehr, betonte Selenska in Frankfurt am Main. "Alte Rituale, wie das Vorlesen vor dem Zubettgehen, geben Kindern Heimat zurück und für eine halbe Stunde ein Gefühl der Geborgenheit."

Die Ukraine hat angesichts massiver russischer Raketenangriffe auf die Energie-Infrastruktur des Landes vor einer humanitären Katastrophe gewarnt. "Der Aggressor hört nicht auf, unser Land zu terrorisieren", teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew mit. Nach Angaben der Präsidialverwaltung waren im Land rund 1,5 Millionen Kunden des Energieversorgers Ukrenerho ohne Strom. Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak sagte, Russland versuche, Ukrainer zu einer neuen massenhaften Flucht nach Europa zu drängen. "Der einzige Weg, eine humanitäre Katastrophe zu stoppen, ist die schnelle Lieferung von Flugabwehrsystemen und zusätzlichen Raketen", sagte Podoljak.

Befürchtet wird, dass die Menschen wegen Kälte und Dunkelheit infolge der fehlenden Energie noch schwerer als ohnehin schon in Not geraten und die Flucht ergreifen. Nach Darstellung von Selenskyj hatte Russland am Samstag erneut 36 Raketen auf die Ukraine abgefeuert. Die meisten seien von der Luftverteidigung abgeschossen worden. Trotzdem schlugen russische Raketen in teils wichtige Energieanlagen ein, wie ein von Selenskyj veröffentlichtes Foto zeigte. Er dankte den Energiedienstleistern, die dabei seien, die Infrastruktur wieder aufzubauen.

Zuvor hatte der Energieversorger Ukrenerho von besonders schweren Schäden durch die russischen Angriffe im Westen des Landes gesprochen.

In sechs deutschen Großstädten sind heute Demonstranten für mehr Klimaschutz und wirkungsvollere Hilfen für ärmere Menschen auf die Straße gegangen. Zugleich bekundeten sie ihre Solidarität mit der Ukraine. An den Kundgebungen "zum solidarischen Herbst" in Berlin, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt am Main, Hannover und Stuttgart nahmen laut Angaben der Veranstalter rund 24.000 Menschen teil. Organisiert hatten die Demonstrationen unter anderem der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Gewerkschaft Verdi sowie der Bund für Umwelt-und Naturschutz (Bund) und die Bewegung Campact.

Angesichts des Vormarschs der ukrainischen Streitkräfte haben die russischen Besatzungsbehörden alle Zivilisten aufgefordert, die südukrainische Stadt Cherson "sofort" zu verlassen. Wegen der angespannten Lage an der Front, der erhöhten Gefahr von Bombardierungen der Stadt und der "Bedrohung durch terroristische Anschläge" müssten alle Zivilisten die Stadt umgehend verlassen und zur linken Seite des Fluss Dnipro übersetzen, erklärte die Behörden im Online-Netzwerk Telegram.

Die Evakuierungen über den an Cherson grenzenden Fluss sind seit Mittwoch in Gange. Die russischen Besatzer hatten am Beginn gesagt, dass 50.000 bis 60.000 Menschen Cherson verlassen sollen. Die ukrainische Seite spricht von "Verschleppungen" der Zivilbevölkerung. Die Stadt liegt in der gleichnamigen südukrainischen Region Cherson, die Moskau für annektiert erklärt hat.

Nach den erneuten russischen Raketenangriffen spricht der ukrainische Energieversorger von schweren Schäden an den Hauptnetzen im Westen des Landes. Die Folgen seien vergleichbar mit den russischen Angriffen zwischen dem 10. und 12. Oktober - oder sogar schlimmer, teilte Ukrenerho in Kiew mit. Man wolle die Schäden so schnell wie möglich beheben.

Gegenwärtig ist die Versorgung nach Angaben von Ukrenerho unter anderem in den Regionen Kiew, Sumy, Charkiw, Saporischschja und Dnipropetrowsk eingeschränkt. Bisher seien rund 670.000 Stromabnehmer in der Region Chmelnyzkyji von der Versorgung abgekoppelt, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Timoschenko, in Online-Netzwerken. Der Energieversorger forderte die Menschen einmal mehr zum Stromsparen auf.

Russland hat seine Angriffe auf Kraftwerke, Wasserversorgungssysteme und andere Infrastruktur in der Ukraine verstärkt. Hunderttausende Menschen im Zentrum und im Westen des Landes erwachten am Samstag zu Stromausfällen und dem Klang von Schüssen.

Die ukrainische Luftverteidigung versuchte, russische Drohnen und eintreffende Raketen abzufangen. Die Luftwaffe teilte am Samstag mit, Russland habe einen massiven Raketenangriff auf kritische Infrastruktur gestartet. Stunden zuvor ertönten weithin Luftalarmsirenen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor einer neuen Blockade der Getreidelieferungen aus der Ukraine durch Russland gewarnt. Zusammen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres und vielen anderen habe man dafür gekämpft, dass die Getreideexporte über die Eisenbahn, die Donau, "aber ganz bestimmt auch über den Seeweg", möglich seien, sagte Scholz am Samstag bei einem Landesparteitag der bayerischen SPD in München. Der Weg dürfe nicht wieder versperrt werden, fügte er hinzu.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zunehmende Probleme bei den im Juli mit Russland vereinbarten Getreideexporten über das Schwarze Meer beklagt. Es gebe einen künstlichen Stau von 150 Schiffen, weil Russland absichtlich deren Passage verhindere, sagte er in einer Videobotschaft. "Der Feind tut alles, um unsere Lebensmittelexporte zu verlangsamen."

Er warf Russland vor, auf diese Weise eine Lebensmittelkrise und soziale Spannungen in der Welt hervorrufen zu wollen. Wegen der Verzögerungen kämen aktuell drei Millionen Tonnen Nahrungsmittel nicht zu den Menschen.

Russland hat nach eigenen Angaben die ukrainische Offensive in den Regionen Luhansk und Donezk im Osten sowie in Cherson im Süden der Ukraine abgewehrt. Russische Streitkräfte hätten den Versuch ukrainischer Einheiten vereitelt, in Cherson die Verteidigungslinie bei den Ortschaften Piatychatky, Suhanowe, Sablukiwka und Beswodne zu durchbrechen. In Charkiw habe die russische Luftwaffe zudem eine Fabrik getroffen, die Teile für ukrainische Schiffsabwehrraketen herstelle, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax das Verteidigungsministerium in Moskau.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) will am Dienstag mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal über weitere mögliche Waffenlieferungen aus Deutschland sprechen. Das Treffen sei im Bundesverteidigungsministerium in Berlin geplant, so ein Sprecher des Ministeriums. Es sei davon auszugehen, "dass auch die weitere militärische Unterstützung durch Deutschland Gesprächsgegenstand" sein werde. Schmyhal hatte Deutschland zuvor gebeten, innerhalb weniger Tage neue Munition zur Abwehr russischer Luftangriffe zu liefern.

Russland ist nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Thema Gaslieferung kein verlässlicher Partner mehr. Dass es keine russischen Lieferungen gebe, liege nicht an Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine, sagt er beim Landesparteitag der bayerischen SPD in München. Es habe keine Sanktionierung von Gaslieferungen gegeben. "Was passiert ist, real, ist, dass Russland seine vertraglichen Verpflichtungen zur Lieferung von Gas nicht mehr erfüllt. Es hat mit fadenscheinigen Vorwänden ... gesagt, wir liefern nicht mehr, und dann die ganze Lieferung endgültig eingestellt." Russland führe kein Gas mehr nach Deutschland und in viele Länder Europas aus. "Das ist kein verlässlicher Partner in dieser Frage mehr."

Ein möglicher Einsatz von Atomwaffen durch Russland wäre nach den Worten des japanischen Regierungschefs Fumio Kishida ein "Akt der Feindseligkeit gegen die Menschheit". Die internationale Gemeinschaft werde dies "niemals zulassen", sagte Kishida bei seinem Besuch in Australien. Das Säbelrasseln von Präsident Wladimir Putin sei "zutiefst beunruhigend". "Russlands Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen ist eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft und absolut inakzeptabel", sagte der japanische Ministerpräsident. Der seit 77 Jahren andauernde Zeitraum, in dem keine Atomwaffen eingesetzt wurden, dürfe nicht beendet werden.

Am 6. August 1945 hatten die USA Atombomben auf die Stadt Hiroshima und drei Tage später auf die Stadt Nagasaki abgeworfen. Es war der bislang einzige Einsatz dieser Waffen in einem Krieg. Seit Moskaus Einmarsch in die Ukraine hat Putin mehrfach indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will mit der am Dienstag in Berlin stattfindenden Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine "ein Zeichen der Hoffnung" setzen. Es gehe darum, "mitten in dem Grauen des Krieges" zu zeigen, dass die Weltgemeinschaft bereit sei, die Ukraine langfristig zu unterstützen, sagte er in seinem wöchentlichen Internet-Format "Kanzler kompakt". Der Wiederaufbau werde wahrscheinlich Jahrzehnte in Anspruch nehmen und müsse jetzt schon geplant werden.

"Jeden Tag erreichen uns die Bilder von der furchtbaren Zerstörung, die Russlands Krieg gegen die Ukraine in der Ukraine anrichtet", so Scholz weiter. "Dörfer werden zerstört, Städte werden zerstört, Straßen, Eisenbahnverbindungen, Stromlinien, Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken, Universitäten." Der Wiederaufbau werde deshalb "eine große, große Aufgabe", sagte der Kanzler. "Und wir werden sehr viel investieren müssen, damit das gut funktioniert. Das kann die Ukraine nicht allein. Das kann auch die Europäische Union nicht allein. Das kann nur die ganze Weltgemeinschaft, die jetzt die Ukraine unterstützt." Dies müsse sie "für lange Zeit tun".

Es sei deshalb "wichtig, dass wir jetzt nicht nur ganz konkret feststellen, was alles gemacht werden muss, wo überall investiert werden muss, wie man den Wiederaufbau organisieren kann", sagte Scholz. Es gehe auch darum, darüber nachzudenken, "wie über viele, viele Jahre, ja, Jahrzehnte ein solcher Wiederaufbau auch finanziert werden kann von der Weltgemeinschaft".

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hat sich besorgt über sinkende Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen geäußert. Die Idee einer Lastenteilung werde zunehmend durchkreuzt von Spaltungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft, sagte er der "taz". Der Krieg in der Ukraine habe diese Spaltungen in einer Zeit von wachsenden Fluchtbewegungen, Klimawandel, Pandemien und zunehmenden sozialen Ungleichheiten weiter vertieft.

Grandi beklagte eine wachsende Anti-Flüchtlings- und Anti-Migranten-Rhetorik. Diese werde unter anderem mit der Behauptung unterlegt, eine Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen sei unmöglich, da die öffentliche Meinung dagegen sei. "Das Beispiel der Ukraine-Aufnahme hat all das widerlegt", sagte der UN-Hochkommissar weiter. Die geografische Nähe, die engen, zuvor bestehenden Verbindungen, die Sympathie für das Land angesichts der Invasion und der klare Zusammenhang zwischen den Bombardements und den Fluchtbewegungen hätten die Aufnahme erleichtert. "Aber man nimmt Menschen in Not auf, weil es richtig ist und weil sie Rechte haben - nicht, weil es leicht ist."

Grandi sprach sich erneut gegen die Verlagerung von Asylverfahren in andere Länder aus, wie etwa von Großbritannien geplant. Es sei wichtig, dass Flüchtlinge Zugang zu Schutz erhalten, eine faire Prüfung und dass sie nicht an den Grenzen zurückgewiesen würden.

Der Iran verurteilt einen Aufruf Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, die Vereinten Nationen sollten einen mutmaßlichen Einsatz iranischer Drohnen durch das russische Militär in der Ukraine untersuchen. Die Forderung der drei Länder sei falsch und unbegründet und werde scharf zurückgewiesen, sagt der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Nasser Kanaani, der Nachrichtenagentur Irna zufolge. Die Ukraine wirft Russland vor, sogenannte Kamikaze-Drohnen einzusetzen. Russland bestreitet dies. Der Iran hat erklärt, es seien keine solchen Drohnen an Russland zum Einsatz in der Ukraine geliefert worden.

Über der Region Kiew haben ukrainische Streitkräfte nach Polizeiangaben eine russische Rakete abgeschossen. Polizeichef Andrij Njebytow veröffentlicht ein Foto, das eine Rauchsäule zeigt. Sie steigt über einem Wald auf, in dem seinen Angaben zufolge Trümmer der abgefangenen Rakete niedergegangen sind.

Die russischen Truppen haben nach ukrainischen Angaben erneut kritische Infrastruktur angegriffen. In den Regionen Odessa, Kirowohrad und Luzk seien Energieanlagen getroffen worden, melden die örtlichen Behörden. In anderen Regionen gebe es Probleme mit der Stromversorgung. "Ein weiterer Raketenangriff von Terroristen, die gegen zivile Infrastruktur und Menschen kämpfen", schreibt der Stabschef des ukrainischen Präsidenten, Andrij Jermak, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland hat mit neuen Raketenangriffen auf die Ukraine landesweit Luftalarm ausgelöst. Ukrainische Behörden und Medien berichteten über Explosionen in Riwne im Nordwesten des Landes, im Gebiet Kiew, in Odessa und anderen Regionen. Die Flugabwehr sei aktiv, teilte die Behörden in der ukrainischen Hauptstadt mit. In sozialen Netzwerken teilten Staatsbeamte Videos, die etwa einen ukrainischen Kampfjet dabei zeigten, wie er eine russische Rakete abgeschossen haben soll. Der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Olexij Arestowytsch, sagte, dass fünf auf Kiew gerichtete Raketen abgefangen worden seien. Den Abschuss der Raketen in Kiew bestätigte auch Bürgermeister Vitali Klitschko. "Der Luftalarm geht weiter. Bleiben Sie in den Schutzbunkern und achten Sie auf Ihre Sicherheit", sagt er.

In Russland meldeten die staatsnahen Militärblogger Beschuss der Ukraine durch Bomber vom Typ Tupolew Tu-160. Neun davon seien am Morgen in der Luft gewesen. Sie veröffentlichten auch Videos, die Einschläge russischer Raketen in der Ukraine zeigen sollen. Überprüfbar waren diese Aufnahmen von unabhängiger Seite zunächst nicht. Die kremlnahen Quellen listeten insgesamt zwölf Städte und Regionen auf, die beschossen worden seien, darunter auch das Gebiet Dnipropetrowsk und Lwiw (Lemberg).

Bernd Musch-Borowska, ARD Kiew, 22.10.2022 10:48 Uhr

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bittet Deutschland, innerhalb weniger Tage neue Munition zur Abwehr russischer Luftangriffe zu liefern. Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" warf er außerdem Russland vor, es wolle die Ukraine durch Angriffe auf ihre zivile Infrastruktur "in eine humanitäre Katastrophe stürzen". Er fügte hinzu: "Wenn es in der Ukraine keinen Strom, keine Heizung, kein Wasser mehr gibt, kann das einen neuen Migrationstsunami auslösen."

Schmyhal berichtete, das neu gelieferte deutsche Flugabwehr-Raketensystem IRIS-T sei mittlerweile im Einsatz, allerdings warte die Ukraine auf neue Munition. Es gehe buchstäblich um Tage“, sagte der Ministerpräsident. Außerdem bat er auch um Störsender, um die täglich "zwanzig bis dreißig iranischen Kamikaze-Drohnen" abzuwehren.

Angesichts der Verheerungen durch Russlands Luftangriffe bat Schmyhal zudem um "mobile Ausrüstung zur Erzeugung von Strom und Wärme" sowie um Anlagen zur Wasseraufbereitung. Treibstoff für die Generatoren sei "im Augenblick" noch genug da, aber wenn großräumig Strom und Heizung ausfallen, brauchen man mehr“. Dann brauche sein Land auch "Stromimporte" aus dem Westen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) fordern vor der Finalisierung des Haushalts 2023 von Finanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich mehr Geld für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. In einem Brief an ihren Kabinettskollegen mahnen die beiden Ministerinnen nach "Spiegel"-Informationen eine Aufstockung des Sonderbudgets für die Waffenhilfe in die Ukraine von bisher eingeplanten 697 Millionen Euro auf 2,2 Milliarden Euro an.

In dem Schreiben kritisieren die Ministerinnen, dass die bisher eingestellte Summe die Handlungsspielräume bei der deutschen Waffenhilfe "auf ein politisch nicht mehr vertretbares Minimum" reduziere. Aus dem Topf wurden 2022 direkte Waffenlieferungen der Rüstungsindustrie oder auch die sogenannten Ringtausch-Aktionen bezahlt. Dem Brief der Ministerinnen zufolge droht Deutschland außenpolitischer Schaden, wenn Lindner das Budget nicht erhöht. Nur mit einer deutlichen Aufstockung könne Deutschland "konkret und sichtbar die Verantwortung übernehmen, die unsere internationalen Partner von uns erwarten", so Baerbock und Lambrecht. "Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und internationale Reputation" Deutschlands stehe auf dem Spiel.

Zudem solle es der Finanzminister ermöglichen, dass ihre Ministerien 2023 sogenannte Verpflichtungserklärungen im Umfang von einer weiteren Milliarde für mehrjährige Rüstungsprojekte eingehen können. Das Jahr 2022 habe gezeigt, dass "ein Höchstmaß an Flexibilität" notwendig sei, um die Ukraine beim Aufbau "hochkomplexer militärischer Fähigkeiten" zu unterstützen. Damit dieses Tempo nicht abreißt, so die Ministerinnen, bitte man Lindner um Hilfe.

Die russischen Truppen im Süden der Ukraine verstärken nach Erkenntnissen des britischen Geheimdienstes weiterhin Übergänge über den Dnjepr. So hätten sie in der Region Cherson eine Brücke aus Kähnen fertiggestellt, die sich neben der beschädigten Antonowsky-Brücke befindet.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat vor dem Hintergrund der Energiekrise und massiven Preissteigerungen vor einer gesellschaftlichen Spaltung gewarnt. "Die schwierige Lage, in der wir sind, hat mit Putins Angriffskrieg zu tun. Es ist sein Kalkül, uns wirtschaftlich zu schädigen und sozial zu spalten", sagte er der Mediengruppe Bayern mit Blick auf den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angeordneten Einmarsch in der Ukraine. Ein "starker Sozialstaat" wirke dem entgegen, fügte Heil hinzu.

Um dass Land wirtschaftlich und sozial zusammenzuhalten, müsse der Arbeitsmarkt etwa mit dem Instrument der Kurzarbeit "stabil" gehalten werden. Zudem stärke der derzeitige Höchststand an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung die Sozialversicherungen, insbesondere bei der Arbeitslosen- und Rentenversicherung.  "Wir dürfen nicht zulassen, dass Putin unsere Gesellschaft sozial spaltet", forderte Heil. "Deshalb haben wir alle im Blick, die es im Moment besonders hart trifft - Menschen mit geringen Einkommen genauso wie Bedürftige."

Die USA sehen keinen Weg für Verhandlungen mit Russland, solange das Land den Angriffskrieg gegen die Ukraine vorantreibt. "Was Diplomatie zur Beendigung des Krieges angeht, hängt das ganz davon ab, ob Russland daran interessiert sein wird, die Aggression zu stoppen, die es begonnen hat", sagte US-Außenminister Antony Blinken in Washington. Aktuell seien aber keine Hinweise darauf zu erkennen, sondern das Gegenteil.

Blinken verwies unter anderem auf die von Präsident Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung in Russland. Putin habe jedoch das Problem, dass die Ukrainer nicht nur sehr tapfer, sondern auch erfolgreich seien und ihr Territorium zurückeroberten.

Zugleich machte Blinken deutlich, dass die USA weiterhin diplomatische Kanäle zur Kommunikation mit Russland unterhielten. So habe er mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow über bestimmte Angelegenheiten gesprochen, die für die nationale Sicherheit der USA wichtig gewesen seien.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ruft Diplomaten im In- und Ausland auf, jede Chance auf Waffenruhe in der von Russland überfallenen Ukraine zu ergreifen. "Ich würde jedem Diplomaten raten, mehr über Diplomatie zu reden als über Waffen", sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland einem Vorabbericht zufolge. Auch das nächste Treffen der Staats- und Regierungschefs von 20 großen Industrie- und Schwellenländern, darunter auch Russland, müsse genutzt werden: "Der G20-Gipfel auf Bali Mitte November könnte ein Forum sein, um diplomatische Initiativen auszuloten."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 22. Oktober 2022 tagesschau24 ab 09:00 Uhr und die tagesschau ab 09:50 Uhr.