Debatte nach Solingen Merz' Worte - Gift für eine sachliche Diskussion
Welche Konsequenzen sind aus Solingen zu ziehen? Eine wichtige Debatte - aber von schrillen Tönen begleitet. Die Tonlage von CDU-Chef Merz schadet der Suche nach Lösungen.
Der Ort war klug gewählt: Nach seinem Treffen mit dem Kanzler ist Friedrich Merz in der Bundespressekonferenz aufgetreten - das ist eine der größeren Bühnen des Berliner Politikbetriebs. Der Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wollte die maximale Aufmerksamkeit. Und er hat sie bekommen. Doch die Worte, die er wählte: Sie sind Gift für eine sachliche Diskussion.
Klar ist: Die Frage, welche Schlüsse aus dem islamistischen Anschlag von Solingen zu ziehen sind, verdient jede Aufmerksamkeit. Drei Menschen sind tot, acht wurden verletzt. Insofern tut Merz gut daran, seine Forderungen mit Nachdruck vorzutragen.
Und ja: Als Oppositionsführer gehört es zu seinen Aufgaben, zuzuspitzen und Probleme klar zu benennen. Auch in der Einwanderungspolitik.
Ein taktisches Manöver
Aber Merz überzieht. Und erschwert dadurch genau das, was er nach eigenen Worten anstrebt: ein gemeinsames Vorgehen der demokratischen Parteien, um ungeregelte Einwanderung zu begrenzen.
Falls Merz das Angebot zur Zusammenarbeit ernst meint, dann gibt sein Auftritt Rätsel auf. Dass er die SPD dazu aufruft, sich an ihren Koalitionspartnern vorbei mit der Union zu verständigen: ein taktisches Manöver, mit dem Merz die Koalition spalten will.
Der Tonfall dient der Sache nicht
Und auch der Tonfall des CDU-Chefs dient der Sache nicht: Dem Kanzler entgleite das Land, im Zweifel müsse eine nationale Notlage erklärt werden. Eine Notlage? Da denkt man an Jahrhundertfluten, Feuersbrünste oder Pandemien. An Naturkatastrophen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. So versteht auch das Verfassungsrecht den Begriff der Notlage - allerdings gemünzt auf den Haushalt.
Merz bezieht sich auf europäisches Recht. Sein Argument: Die Erklärung einer Notlage würde es erlauben, Flüchtlinge gleich an der Grenze zurückzuweisen. Um sie dann in Länder zu schicken, wo sie erstmals den Boden der Europäischen Union betreten haben. Mit dem Ziel, dass in diesen Ländern über ihre Asylanträge entschieden wird. So, wie es das EU-Recht eigentlich in der Regel vorsieht.
Ob dies ein gangbarer Weg wäre: Darüber kann man reden - und gern auch streiten.
Wer aber mit so drastischen Begriffen arbeitet, verstärkt Wut und Ängste in einem ohnehin aufgewühlten Land. Das ist Wasser auf die Mühlen von Populisten. Den Wettbewerb um die schrillsten Töne und die härtesten Forderungen können Demokraten sowieso nicht gewinnen.