Still von einem Youtube-Video, das eine grafische verwelkte Sonnenblume vor dem Kanzleramt zeigt.
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Bundestagswahlkampf Negativ-Kampagne gegen Grüne

Stand: 12.08.2021 15:17 Uhr

Eine Plakat-Kampagne gegen die Grünen sorgt für Aufsehen: Die AfD betont, sie habe nichts damit zu tun, die Grünen wollen die "Schmutzkampagne" kontern. Das Unternehmen Ströer teilt mit, man habe mehrere Motive abgelehnt.

In den 1990er-Jahren war es die Union, die mit einer "Roten-Socken-Kampagne" vor einer angeblich geplanten Koalition von SPD und PDS (heute Die Linke) gewarnt hatte. Im aktuellen Wahlkampf ist auf Plakaten in vielen Städten und Online-Anzeigen hingegen von "grünem Mist" die Rede. Begleitet wird die Negativ-Kampagne von einer Webseite und Profilen auf verschiedenen Netzwerken.

Die Plakate können auf den ersten Blick wie Wahlwerbung der Grünen wirken: Grüner Hintergrund und Sonnenblumen - die allerdings den Kopf hängen lassen. Versehen sind sie mit Schlagworten wie "Wohlstandsvernichtung", "Klimasozialismus" oder "Ökoterror".

Ströer lehnte Motive ab

Die Plakate werden unter anderem über Werbeträger der Ströer Gruppe gebucht, die einen Großteil solcher Werbeplätze im öffentlichen Raum betreut. Als Plakatflächenvermieter sei Ströer nicht für die Inhalte und Gestaltung der Werbung verantwortlich, so ein Sprecher des Unternehmens. Zudem könne es "keine Werbung ablehnen, die nicht gegen Gesetze oder freiwillige Selbstbeschränkungen verstößt".

Auf Anfrage von tagesschau.de erklärte der Sprecher aber, das Unternehmen habe mehrere Motive der Kampagne abgelehnt, da diese nicht rechtskonform gewesen seien.

Wer finanziert die Kampagne?

Die Plakate sollten also offenkundig noch aggressiver sein. Doch wer steckt hinter der Kampagne? "Die Grünen greifen nach der Regierung", heißt es in einem Video zu der Kampagne auf YouTube. Und weiter: "Wir halten dagegen: 50 deutsche Großstädte, mehrere tausend Großplakate - und eine Mission: Die Bürger aufklären, was ihnen mit einer grünen Regierung wirklich blüht!

Wer dieses "Wir" ist, bleibt unklar. Denn hinter der Kampagne steht keine Partei, sondern eine Firma mit Sitz in Hamburg: die Conservare Communication GmbH. Die Gesellschaft ist Herausgeberin der Wochenzeitung "Deutschland Kurier", deren Chefredakteur David Bendels ist auch alleiniger Gesellschafter von Conservare Communication.

Der Ex-CSUler und nach eigenen Angaben jetzt parteilose Bendels sagte der dpa, es handele sich um eine "zugespitzte 'Anti-Grünen'-Kampagne". Bendels ist auch Vorsitzender des "Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten". Dieser hatte in der Vergangenheit in mehreren Wahlkämpfen Plakate und Broschüren produziert, die zur Wahl der AfD aufriefen. Auch Ausgaben des "Deutschland-Kuriers" wurden der Partei kostenlos angeboten - was den Verdacht auf heimliche Wahlkampffinanzierung nach sich zog.

Die AfD hatte laut Parteichef Jörg Meuthen damals Klage gegen den Verein eingereicht. Meuthen hatte betont: "Wir sagen: Wir kommen da in ein Fahrwasser rein, wo man uns den Vorwurf macht, das wäre illegale Parteienfinanzierung."

AfD weist Absprachen zurück

Nun geht die Partei wieder auf Distanz, sie teilte dem ARD-Hauptstadtstudio mit, es sei ein Rundschreiben der Bundessprecher und des Bundesschatzmeisters im Zusammenhang "mit der Anti-Grünen-Plakatkampagne" in der Partei verschickt worden. Darin heißt es, es sei der falsche Eindruck erweckt worden, "die von einer privaten Firma organisierte und finanzierte Plakatkampagne 'Grüner Mist 2021' stünde in irgendeiner Verbindung mit unserer Partei". Und weiter:

Obgleich diese Kampagne inhaltlich sicher begrüßenswert ist und mehrere Punkte unseres Bundestagswahlprogramms anspricht, existiert keinerlei organisatorische, finanzielle oder sonstige Verbindung zur Alternative für Deutschland. Insbesondere stellt diese Kampagne keine Wahlwerbung für unsere Partei zur Bundestagswahl dar, und von unserer Seite gab es auch weder irgendeine Abstimmung noch eine Beauftragung.

Die AfD war mehrfach wegen des Verdachts auf heimliche Wahlkampfunterstützung in die Schlagzeilen geraten.

Auch Unternehmer Bendels betonte gegenüber der dpa, die Kampagne habe weder etwas mit dem Verein noch mit der AfD zu tun. Zu den Kosten und zu möglichen Geldgebern äußerte er sich aber nicht. Bendels verfügt offensichtlich über gute Kontakte zu AfD-Politikern, auf Fotos ist er beispielsweise mit Alice Weidel oder Björn Höcke zu sehen.

Klar ist, dass eine solche Anzeigenkampagne erhebliche finanzielle Mittel benötigt, nach Schätzungen aus Branchenkreisen wohl mehrere Hunderttausend Euro. Dazu kommen Anzeigen auf Facebook, das Kampagnenvideo sowie eine Webseite. Wer diese umfangreiche Negativ-Kampagne finanziert und die Wahl im eigenen Sinne beeinflussen möchte, bleibt im Dunkeln.

Grüne wollen Kampagne kontern

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sprach angesichts der "Grüner Mist"-Plakate von einer "rechten Schmutzkampagne" "AfD-naher Akteure mit dubioser Finanzierung". Rechtlich könne man nichts dagegen tun, schrieb er in einer E-Mail an Unterstützer der Partei. Die Angst der Rechten sei spürbar. "Keine Fake News Kampagne, keine gefälschten Zitate oder Bilder, keine rechte Desinformation, kein noch so schmutziger Wahlkampf wird uns aufhalten."

Die Partei rief nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zu Spenden auf, um eine Gegenkampagne zu initiieren. Nach Angaben der Partei habe es "eine Welle der Solidarität und Unterstützung" gegeben, mehr als 100.000 Euro seien gespendet worden, um "die Verleumdungskampagne" mit eigenen Plakaten zu kontern.

Keller sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, die Kampagne sei "ein direkter Angriff auf unsere Demokratie, sie zerstört die politische Kultur". Zudem forderte er Unternehmen wie Ströer auf, "zu prüfen, ob sie solche Kampagnen auf ihren Flächen zeigen wollen". Außerdem seien "strengere Transparenzpflichten bei der Finanzierung politischer Werbung" notwendig. "Wahlen sollten in Deutschland entschieden werden und nicht durch Hetzkampagnen aus dem Ausland."

INSM-Kampagne sorgte für Kritik

Im Juni hatte bereits eine Anzeigenkampagne der Lobby-Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für viel Kritik gesorgt. Die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanzierte Gesellschaft führt mehrere Themen auf, in denen die Grünen die Deutschen angeblich mit Verboten gängeln wollten. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wurde zudem als Mose dargestellt, über dem Motiv stand "Wir brauchen keine Staatsreligion".

Inwieweit solche Kampagnen den Wahlkampf bzw. die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler beeinflussen können, ist kaum zu messen. Dem jüngsten DeutschlandTrend zufolge liegen die Grünen bei 19 Prozent der Stimmen, knapp vor der SPD und deutlich hinter der Union.

Allerdings machen im Moment insgesamt 29 Prozent (+4) der Wahlberechtigten - und damit eine relativ große Gruppe - keine Angaben oder wissen nicht, wem sie ihre Stimme geben würden. Das Rennen ist also noch offen - und relativ wenige Stimmen könnten ausschlaggebend werden, wenn es darum geht, wer eine Koalition anführen soll.

Isabel Reifenrath, Isabel Reifenrath, ARD Berlin, 12.08.2021 19:19 Uhr