Blick auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft.
exklusiv

Linke Gewalttaten in Ungarn Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen

Stand: 01.03.2024 16:02 Uhr

Die Bundesanwaltschaft hat nach Informationen von NDR und WDR die Ermittlungen gegen mutmaßliche deutsche Linksextreme übernommen, denen Gewalttaten in Ungarn vorgeworfen werden.

Von Julian Feldmann, NDR, und Florian Flade, WDR

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen eine Gruppe mutmaßlicher Linksextremisten, denen Gewalttaten gegen angebliche Rechtsextremisten in Ungarn im vergangenen Jahr vorgeworfen werden. Die Ermittlungsbehörde in Karlsruhe bestätigte auf Anfrage von NDR und WDR, dass sie das Verfahren an sich gezogen hat. Eine Auslieferung der Verdächtigen nach Ungarn wird damit unwahrscheinlicher.

Bislang hatte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen mehrere Verdächtige aus Ostdeutschland ermittelt, denen Gewalttaten in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen werden. In der ungarischen Hauptstadt waren damals mehrere mutmaßliche Rechtsextremisten angegriffen und verletzt worden. Am sogenannten "Tag der Ehre" kommt es in Budapest jedes Jahr zu Aufmärschen von Neonazis aus ganz Europa.

In Ungarn wird gegen die mutmaßlichen Angreifer wegen der Gewalttaten und der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Ein deutscher Linksextremist wurde im Januar von einem Budapester Gericht in erster Instanz zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.

Untergetauchte fürchten Auslieferung

Mehrere der Beschuldigten sollen in Verbindung mit der Gruppe um die Leipziger Studentin Lina E. stehen, die im Mai 2023 vom Oberlandesgericht Dresden wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen linksextremen Vereinigung und Angriffen auf Neonazis zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die meisten Verdächtigen aus dem Ermittlungsverfahren, das jetzt von der Bundesanwaltschaft übernommen wurde, sind seit der Tat untergetaucht. Einige hatten vor mehreren Wochen angekündigt, sich stellen zu wollen - jedoch nur unter bestimmten Bedingungen.

Die Untergetauchten fürchten vor allem eine Auslieferung nach Ungarn. Dort drohen ihnen einerseits im Vergleich zu Deutschland höhere Gefängnisstrafen. Andererseits stehen die Haftbedingungen in Ungarn in der Kritik. Das Ungarische Helsinki-Komitee, eine Menschenrechtsorganisation, kritisiert unter anderem die mangelnde medizinische Versorgung von Gefängnisinsassen.

Eltern der Beschuldigten aufgesucht

Im Dezember war eine Beschuldigte aus Thüringen in Berlin von der Polizei festgenommen worden. Sie sitzt in Untersuchungshaft. In der kommenden Woche soll nach Informationen von NDR und WDR nun das Berliner Kammergericht über das Auslieferungsersuchen Ungarns entscheiden.

Die Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft macht eine Auslieferung nach Ungarn jetzt unwahrscheinlicher, weil diese oftmals Vorrang vor den Ersuchen aus dem Ausland haben.

Noch vor der Festnahme in Berlin im Dezember 2023 hatten das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz in einer koordinierten Aktion die Eltern der gesuchten Linksextremisten aufgesucht.

In den Gesprächen hatten die Verfassungsschützer angeregt, dass sich die Untergetauchten den deutschen Behörden offenbaren könnten und in Aussicht gestellt, dass so möglicherweise eine geringere Strafe auf sie zukommen könnte. Dafür allerdings müsse eine gewisse Kooperationsbereitschaft der Personen bei der Aufklärung von Straftaten bestehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete exakt (MDR) am 21. Februar 2024 um 20:15 Uhr.