Die Feuerwehr beim Löschen eines Waldbrandes im Landkreis Elbe-Elster.
interview

Waldbrände in Deutschland "Risiko wird mit Klimakrise immer größer"

Stand: 27.07.2022 15:07 Uhr

Extreme Trockenheit und Hitze: 2022 ist schon jetzt ein besonders kritisches Waldbrandjahr. Warum das Risiko in Zukunft noch zunehmen wird und wie Wälder widerstandsfähiger werden können, erklärt der Biologe Ibisch im Interview.

tagesschau.de: In Sachsen und Brandenburg brennen derzeit große Waldgebiete. Die Löscharbeiten dauern wohl noch mehrere Tage an. Ist die Situation dieses Jahr besonders schlimm?

Pierre Ibisch: Ja, es handelt sich um ein besonders kritisches Waldbrandjahr. Dies hat natürlich mit der hohen Zahl an Tagen mit "Waldbrandwetter" zu tun sowie mit der Hypothek der letzten Monate und Jahre. Es fehlt viel Wasser in der Landschaft, vor allem in den Böden.

Pierre Ibisch
Zur Person

Pierre Ibisch ist Biologe und Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Er leitet das Forschungsprojekt "Pyrophob" (feuerabweisend). Erforscht werden soll, wie ein Wald aussieht, dem Hitze, Trockenheit und Brände wenig anhaben können.

tagesschau.de: Was sind die häufigsten Brandursachen?

Ibisch: Wir müssen bei Bränden zwischen Auslösern und Ursachen der Entzündung sowie der Ausbreitung unterscheiden. Die wichtigste Ursache ist in Deutschland das Vorhandensein von ausgedehnten Nadelbaummonokulturen anstelle der natürlichen Laubmischwälder. Die Nadelbaumforsten entzünden sich leicht, und das Feuer breitet sich in ihnen sehr leicht aus. Das hat mit brennbaren Substanzen in Bäumen und der Nadelstreu zu tun, mit der Vegetation unter den Bäumen und mit der offenen und extrem einfachen Struktur der Forsten. Es fehlen oft Kräuter und Sträucher, die das Feuer bremsen können. Auch wasserspeicherndes Totholz aus dickeren Stämmen kann ein Bodenfeuer bremsen oder stoppen - in den meisten Forsten fehlt es weitgehend. 

In offenen Kiefernforsten wird es auch viel wärmer und trockener als in dichten Laubwäldern. Zudem wirken die Nadelbäume wie Kiefern, Fichten oder auch Douglasien sehr ungünstig auf den Boden, die Humusbildung und die Bodenlebewesen. Dadurch ist die Fähigkeit, Wasser zu speichern, schlechter ausgeprägt.

tagesschau.de: Was löst die Brände dann aus?

Ibisch: Ausgelöst werden Feuer natürlicherweise eigentlich nur durch Blitzschlag. Inzwischen ist es der wichtigste Auslöser der Mensch, der fahrlässig Brände auslöst oder gar mutwillig stiftet. In bestimmten Fällen kann auch alte Munition in Waldböden zu einem Problem werden. 

Oftmals schränkt sie die Beweglichkeit der Feuerwehr ein, was dazu beitragen kann, dass Brände außer Kontrolle geraten. Dafür, dass Feuer sich nach der Entzündung ausbreitet, braucht es brennbares Material sowie trocken-warme Witterung. Wenn dann noch starker Wind hinzukommt, kann es sehr schnell gefährlich werden, wie sich an mehreren Feuern zeigte. Ein Brand bei Beelitz in Brandenburg erfasste bei Extremtemperaturen und starkem Wind innerhalb von wenigen Stunden circa 200 Hektar.

tagesschau.de: Die Temperaturen steigen, die Niederschläge werden geringer. Geht von der Klimakrise das größte Waldbrandrisiko aus?

Ibisch: Die Gefahr, dass Feuer sich rasch ausbreiten, steigt mit niedriger Luftfeuchtigkeit und steigenden Temperaturen enorm an. Tatsächlich gibt es beunruhigende Projektionen für die Zunahme von "Brandwetter". Das Risiko wird mit der fortschreitenden Klimakrise immer größer. Langanhaltende Dürren in Kombination mit Hitzewellen sind besonders problematisch, auch weil die Vegetation dann wasserärmer, geschwächt und damit leichter entflammbar ist.

Leider steigt das Risiko auch mit steigender Mortalität von Bäumen. Es wäre aber grundfalsch, deshalb geschädigte oder absterbende Bestände kahlzuschlagen und zu räumen. Denn dann steht die zukünftige Waldentwicklung auf dem Spiel. Noch mehr ausgedehnte waldfreie Gebiete führen zu weiterer Erwärmung und Austrocknung. Hier drohen mehrere ineinandergreifende Teufelskreise.

tagesschau.de: Wie sähe ein idealer, widerstandsfähiger Wald aus?

Ibisch: Diesen Wald würden wir zunächst an seinem Boden erkennen. Es gäbe eine ausgeprägte Humusschicht, feuchtes starkes Totholz am Boden, ein florierendes Leben in ihm, ein vielfältiges Mikrobiom. Ein widerstandsfähiger Wald, das zeigen Forschungen, ist zu Selbstregulation befähigt, er kühlt sich effektiv und vermeidet Extremtemperaturen. Die Vegetation selbst ist in mehreren Schichten organisiert, es gibt eine Vielfalt von Strukturen und Arten.

Noch haben wir solche Wälder, die auch deutlich besser durch die Extremjahre gekommen sind, als einfach strukturierte und "heißgeschlagene" Forsten. Leider machen sie einen verschwindend kleinen Anteil unserer Waldflächen aus. Wir müssen dringend lernen, dem Wald wieder mehr Biomasse, Zeit und Raum zu lassen, damit er seine Arbeitsfähigkeit wieder verbessern oder zumindest bewahren kann. 

Das Interview führte Konstantin Kumpfmüller, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Juli 2022 um 14:00 Uhr.