Zwei Geflüchtete blicken in Rettungsdecken gehüllt auf das Meer.

Flucht über das Mittelmeer Unionspolitiker kritisieren Geld für Seenotrettung

Stand: 02.10.2023 15:24 Uhr

Nach Italien kritisieren auch Unionspolitiker staatliche Gelder für private Seenotrettungsvereine im Mittelmeer - das spiele Schleusern in die Hände. Bei der SPD wird das als "erschütternd" wahrgenommen.

In der Union gibt es Forderungen, die private Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer nicht weiter finanziell zu unterstützen. Der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Johann Wadephul, Verständnis für die Verärgerung der italienischen Regierung über die Zuschüsse der Bundesregierung für private Rettungsvereine. Denn: Die größte Zahl von Schiffen wird von privaten Hilfsorganisationen betrieben, die in Deutschland ihren Sitz haben - darunter etwa "Sea-Watch".

Wadephul: Hilft den Schleuserbanden

Wadephul sagte der Zeitung "Welt", die Forderung der italienischen Regierung sei berechtigt. "Faktisch, wenn natürlich auch ungewollt, ermöglichen die Rettungsorganisationen den menschenverachtenden Schleuserbanden deren Geschäft. Dafür sollte kein deutsches Steuergeld verwendet werden." Die Bundesregierung solle ihre politische Energie stattdessen darauf verwenden, mit den nordafrikanischen Staaten Abkommen zu erreichen.

Stephan Thomae, Parlamentsgeschäftsführer der mitregierenden FDP, sagte der Zeitung: "Wir müssen die EU-Außengrenzen besser schützen und irregulärer Migration entgegenwirken." Dazu gehöre "perspektivisch auch die staatliche Übernahme der Seenotrettung im Mittelmeer." Die Ausschiffung der Geretteten in Drittstaaten mit Migrationsabkommen müsse der Regelfall werden.

Meloni forderte Seeblockade der EU

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte zuletzt einen Stopp der Bootsmigration per Seeblockade seitens der EU gefordert. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sie die staatlichen Zuschüsse kritisiert und gefordert, die aus Seenot Geretteten in die Herkunftsstaaten der jeweiligen Migrationsvereine zu bringen.

Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte daraufhin Verständnis für die Position der italienischen Regierung gezeigt. Die Hilfe der Seenotrettungsorganisationen sei die "Geschäftsgrundlage für die Schlepperkriminalität", sagte er "Zeit online". Schäuble fügte hinzu: "Wenn wir ein höheres Sozialleistungsniveau anbieten, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Menschen versuchen, möglichst nach Deutschland zu kommen."

Kritik an Schäuble-Äußerung

Grünen-Politiker Julian Pahlke kritisiert: "Die Unterstützung der zivilen Seenotrettung ist nicht von der Bundesregierung, sondern dem Bundestag beschlossen worden." Das sollte der ehemalige Finanzminister Schäuble wissen. Im Haushaltsausschuss sei die Förderung mit Stimmen der Union zustande gekommen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der "Welt" dazu, Schäuble überschätze vermeintlich bestehende Pull-Faktoren wie etwa Sozialleistungen. "Bei vielen Flüchtlingen ist das schlichtweg nicht der Fluchtgrund." Die Äußerungen aus der Union seien mehr als erschütternd.

Wenn es um Menschen geht, die man vor dem Ertrinken bewahrt, dann darf es kein Abwägen geben.
SPD-Fraktionsvize Wiese

IOM-Generaldirektorin lobt Arbeit privater Organisationen

Die neue Generaldirektorin der UN-Organisation für Migration (IOM), Amy Pope, argumentierte ebenfalls für die Förderung privater Seenotretter. Die US-Amerikanerin lobte die Seenotrettung durch private Hilfsorganisationen im Mittelmeer. "Wir begrüßen die Arbeit von jedem, der Migranten in Not hilft", sagte sie. "Das sind zuallererst Menschen, bevor wir ihnen das Etikett Migranten oder Asylsuchende verpassen."

In Italien landen die weitaus meisten Migrantinnen und Migranten, die zu Tausenden versuchen, in oft kaum seetüchtigen Booten über das Mittelmeer in die EU zu kommen. Viele müssen aus Seenot gerettet werden. Allerdings werden nach italienischen Angaben mindestens 90 Prozent der Migranten, die in Italien ankommen, von der italienischen Küstenwache oder Marineschiffen gerettet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Oktober 2023 um 11:24 Uhr.