Beschädigte Schiffe liegen im Hafen nach einer Sturmflut auf einem Anleger in Damp.

Ostseeküste Aufräumen nach der Sturmflut

Stand: 22.10.2023 11:45 Uhr

An der Ostseeküste ist das Hochwasser nach der Sturmflut zwar weitgehend zurückgegangen, aber viele Strände, Straßen und Ortschaften sind stark beschädigt. Das Ausmaß des Sturms hat viele überrascht.

Die Wucht des Sturms war so nicht erwartet worden und das Hochwasser sei deutlich schneller und höher gewesen als vermutet, so das Resümee von Behörden und Politikern nach der Sturmflut an der Ostseeküste. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther sprach von "ganz erheblichen Schäden" und kündigte staatliche Hilfen für die Betroffenen an. Dies solle "schnell und unbürokratisch" geschehen, ergänzte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack im NDR. Sie fügte hinzu: "Die Wucht der Ostsee hat mich überrascht."

Auch der Leiter des schleswig-holsteinischen Katastrophenschutzstabs, Dirk Hundertmark, zeigte sich im NDR überrascht vom Ausmaß der Sturmflut: "Wir haben erlebt, dass das Hochwasser deutlich höher war und deutlich schneller kam als prognostiziert." 

Die Sturmflut hatte in der Nacht zu Samstag an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste gewütet. Rund 2.000 Menschen mussten evakuiert werden, eine Frau auf Fehmarn wurde in ihrem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen, zwei Einsatzkräfte wurden leicht verletzt, so die Bilanz der Feuerwehr Schleswig-Holstein.

Schäden werden nach Rückgang des Hochwassers sichtbar

Auch wenn sich die Schäden nach und nach erst zeigen, werden sie bereits jetzt auf eine dreistellige Millionenhöhe geschätzt. In Städten wie Flensburg, Schleswig und Eckernförde wurden ganze Straßenzüge überschwemmt. Der Strom war abgestellt, mehrere Deiche brachen, zahlreiche in Häfen liegende Boote gingen in den Fluten unter oder wurden an Land gespült. Im Verlauf des Samstagvormittags sanken die Pegelstände wieder - das Zurückziehen des Wassers ließ die Zerstörungen in vollem Umfang sichtbar werden. 

Der Katastrophenalarm wurde am Samstag wieder aufgehoben. Die höchsten Wasserstände waren gegen Mitternacht verzeichnet worden: In Flensburg etwa lag der Pegel laut Feuerwehr knapp 2,30 Meter über Normal - ein Wert, den es dort seit fast 120 Jahren nicht mehr gab. 

Aufräumarbeiten werden noch dauern

Viele Orte seien "von den Wassermassen mit voller Wucht getroffen" worden, berichtete die schleswig-holsteinische Feuerwehr. Allein in Maasholm, einem kleinen Ort an der Schleimündung, hätten 400 Menschen aus Sicherheitsgründen wegen eines Deichbruchs evakuiert werden müssen. Die Feuerwehr meldete landesweit rund 2.000 unwetterbedingte Einsätze. Die Aufräumarbeiten, Reparaturen und Wiederaufbauarbeiten würden "wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen", erklärte die Feuerwehr. 

Der Oberbürgermeister der besonders betroffenen Stadt Flensburg, Fabian Geyer, sprach am Samstag von einem "extremen Hochwasser". Das Schlimmste sei aber überstanden: "Heute wird es ans Aufräumen gehen."

Eine überflutete Straße am Hafen von Flensburg.

In Flensburg standen am Freitag ganze Straßenzüge unter Wasser.

Weil das Wasser an einigen Stellen noch nicht abfließen konnte, sind in Schleswig-Holstein laut Polizei noch einige Straßen gesperrt. Viele Straßen seien beschädigt worden. Das Ausmaß der Schäden kann nach Angaben der Polizei erst dann abgeschätzt werden, wenn das Wasser von den Straßen abgeflossen ist.

Verärgert zeigte sich der Kieler Feuerwehr-Chef Thomas Hinz über den Leichtsinn einiger Menschen. "Leider hatten wir öfter mit so genannten Hochwassertouristen zu tun, die auf der Suche nach dem spektakulärsten Foto zu dicht an das Hochwasser getreten sind." Dies habe mehrere Einsätze ausgelöst.

Mecklenburg-Vorpommern kommt glimpflich davon

Weniger stark als Schleswig-Holstein war Mecklenburg-Vorpommern von der Sturmflut betroffen. Mancherorts stieg der Wasserpegel laut Landesregierung kurzzeitig auf rund 1,50 Meter über Normal.

Landwirtschaftsminister Till Backhaus erklärte, Mecklenburg-Vorpommern habe im Vergleich zu Schleswig-Holstein oder auch Süd-Dänemark "Glück gehabt". Die meisten Deiche und Flutsperrwerke hätten ihren Zweck erfüllt. Ohne die Küstenschutzanlagen wären viele Gebiete überflutet worden.

Manche Küstenregionen haben trotzdem Schaden genommen. So wurde der Promenadenweg in Sassnitz auf der Insel Rügen zu großen Teilen von den gewaltigen Wassermassen zerstört. Selbst massive Steinblöcke wurden verschoben. Der Weg musste gesperrt werden, der Schaden geht ersten Schätzungen zufolge in die Millionen. In Stahlbrode zwischen Stralsund und Greifswald richtete die Sturmflut massive Schäden an den Hafenanlagen und den dort liegenden Schiffen an.

Die Stadt Sassnitz hat an der vom Sturm zerstörten Strandpromenade Schilder mit der Aufschrift "Lebensgefahr" aufgestellt.

Auf der Insel Rügen sind von der Uferpromenade in Sassnitz nur noch Trümmer übrig.

In Wieck auf dem Darß brach am Samstagnachmittag ein Damm, das dahinter gelegene Gelände wurde überflutet. Rund 75 betroffene Häuser konnten nach Angaben der örtlichen Feuerwehr durch Sandsäcke geschützt werden. In Spitzenzeiten seien am Darß 85 Feuerwehrleute gleichzeitig im Einsatz gewesen. Inzwischen hätten etwa 50 Einsatzkräfte die am Tag zuvor abgebrochenen Sicherungsarbeiten am Damm fortgesetzt, sagte die Sprecherin.

Backhaus und sein Ministerium warnten vor instabilen Dünen. Gebietsweise haben sich demnach bis zu vier Meter hohe Abhänge gebildet, die jetzt gesichert werden müssen. "Ich appelliere an die Vernunft der Menschen, sich nicht in solchen Gefahrenbereichen aufzuhalten", sagte Backhaus.

Wellen haben am Strand von Breege die Dünen abgetragen.

In Breege in Mecklenburg-Vorpommen haben die Wellen während des Sturms den Sand am Strand weggespült.

Auch Schweden, Dänemark und Großbritannien betroffen

Ausgelöst wurden Sturm und Sturmflut nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes durch starke Luftdruckunterschiede zwischen einem Tief über Westeuropa und einem ausgeprägten Hoch über Skandinavien. Dadurch drückten starke Sturmwinde die Wassermassen von Osten an die Ostseeküste. 

Auch in Schweden, Dänemark und in Großbritannien gab es deshalb Unwetteralarm. Mehrere Fährverbindungen über die Ostsee wurden vorübergehend unterbrochen - etwa zwischen Deutschland und Dänemark, Deutschland und Schweden sowie Schweden und Polen. Am Flughafen Kopenhagen wurden 77 Flüge gestrichen. In England war der Zugverkehr wegen Sturmböen und starken Regenfalls zeitweise erheblich gestört.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Oktober 2023 um 11:00 Uhr in den Nachrichten.