Svenja Schulze

Entwicklungspolitik "Wo der Westen sich zurückzieht, geht Russland rein"

Stand: 19.03.2024 11:56 Uhr

Entwicklungsministerin Schulze warnt vor einem zunehmendem Einfluss Russlands auf dem afrikanischen Kontinent. Um dem zu begegnen, müsse Deutschland bessere Angebote machen, sagt Schulze - und stellt konkrete Forderungen.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze warnt vor weiteren Sparmaßnahmen im Budget ihres Hauses. "In einer Weltlage, in der wir dringend auf mehr Zusammenarbeit angewiesen sind, brauchen wir mehr und nicht weniger Geld für Entwicklungszusammenarbeit", sagte die Ministerin im Interview mit der "taz". Dabei gehe es nicht nur um Deutschlands Wohlstand und Ansehen in der Welt, sondern auch um geostrategische Interessen.

Als Beispiel nannte Schulze die Geostrategie Russlands, das den Platz dort einnehme, wo Deutschland sich zurückziehe - etwa zuletzt in Burkina Faso. In der Sahel-Region gebe es viele Rohstoffe wie Gold, Uran und Phosphat. Zudem sei die Region ein Drehkreuz für Migration nach Nordafrika und Europa. "Es wäre falsch, ein Land wie Burkina Faso aus Mangel an Alternativen weiter in die Arme Russlands zu treiben", mahnte die SPD-Politikerin. Dies unterstütze das Narrativ, das Russland in afrikanischen Ländern verbreite, wonach der Westen sich nicht mehr für sie interessiere.

Die Region südlich der Sahara wird von Deutschland am stärksten gefördert: Hier laufen aktuell 100 Projekte, die vom Entwicklungsministerium insgesamt mit Geldern in Höhe von 1,11 Milliarden Euro unterstützt werden. Im Nahen und Mittleren Osten werden 40 Projekte mit insgesamt 506 Millionen Euro gefördert.

Bessere Angebote machen

Die Ministerin betonte, viele der sogenannten Entwicklungsländer seien "sehr viel selbstbewusster, als viele hier denken und suchen sich ihre Partner aus". Von Russland erhielten sie Waffen und von China große Infrastrukturprojekte - "die allerdings den Nachteil haben, dass die Chinesen ihre Arbeiter oft selber mitbringen und zudem die Schuldenabhängigkeit meist größer wird", so Schulze. Umso wichtiger sei es, dass Deutschland seinen Partnern die besseren Angebote mache.

In Burkina Faso beispielsweise sei das nicht so einfach, da es dort noch keine gewählte Regierung gebe: "Deshalb arbeiten wir in Ländern wie Burkina Faso derzeit nicht mehr mit der politischen Führung, sondern mit Behörden, lokalen Akteuren und Nichtregierungsorganisationen zusammen." Es sei sehr leicht, das zu diskreditieren, so die Ministerin. Sie sprach von einer "Gratwanderung". Doch man dürfe in diesen Ländern nicht ein oder zwei Generationen ganz aufgeben.

Kürzungen machen sich bemerkbar

Dafür sei es wichtig, den Haushalt des Entwicklungsministeriums im kommenden Jahr nicht weiter zu kürzen. Zwar sei man ganz am Anfang der Haushaltsverhandlungen, doch die Kürzung in Höhe von einer Milliarde Euro auf etwa elf Milliarden Euro im laufenden Jahr mache sich bereits bemerkbar, so die Ministerin: "Wir haben weniger Geld für den Kampf gegen Hunger."

Außerdem fehle das Geld für die zivile Unterstützung der Ukraine, von der Stromversorgung bis zu Unterkünften für Binnenvertriebene. "Ich finde das falsch, denn die Ukraine braucht mehr als nur Waffen, um im Krieg zu bestehen", mahnte die Ministerin. Die notwendige Unterstützung für die Ukraine lasse sich nicht einfach so aus einem normalen Haushalt bezahlen. Sie plädierte für eine Veränderung der Schuldenbremse, die es Deutschland erlaube, in außergewöhnlichen Kriegszeiten handlungsfähig zu bleiben.

Schulze sagte, Ausgaben für Entwicklung seien auch die Basis von Wohlstand und Frieden in Deutschland. "Unser jahrzehntelanges solidarisches Auftreten und das Engagement in der Völkergemeinschaft haben unser Land stark gemacht."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. März 2024 um 12:39 Uhr.