Saarland Die Lieber-keine-Experimente-Wahl
Der haushohe Wahlsieg der CDU kam für viele überraschend. Doch der sei nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer zu verdanken, sagt Politologe Niedermayer gegenüber tagesschau.de. Die Aussicht auf Rot-Rot habe zu einer Gegenmobilisierung geführt.
tagesschau.de: Wie überraschend ist das heutige Wahlergebnis?
Oskar Niedermayer: Die Höhe des Abstandes zwischen CDU und SPD ist durchaus überraschend, denn die Umfragen hatten ja ein sehr viel knapperes Ergebnis vorausgesehen. Ich denke, das ist auf einen Schlussspurt zurückzuführen, der vor allem mit der Persönlichkeit von Annegret Kramp-Karrenbauer zusammenhängt. Die Saarländer waren nicht nur mit der Landesregierung insgesamt, sondern auch mit ihrer Ministerpräsidentin sehr zufrieden. Sie hat sehr hohe Sympathiewerte, auch im direkten Vergleich zu ihrer Gegnerin von der SPD.
Außerdem ist es fast immer so, dass amtierende Regierungschefs bei Wahlen auf den letzten Metern noch zulegen. In Umfragen zwischendurch bekunden die Leute Enttäuschungen, liebäugeln mit etwas Neuem, doch bei der Wahl selbst besinnen sich viele darauf, was sie an der aktuellen Regierung haben. Und wenn sie mit der Regierung zufrieden waren, überwiegt oft am Ende das Gefühl: lieber keine Experimente.
"Die Mehrheit wollte Rot-Rot verhindern"
tagesschau.de: Könnte auch das "Schreckgespenst" Rot-Rot eine Rolle gespielt haben?
Niedermayer: Ich würde es nicht als Schreckgespenst bezeichnen, denn im Saarland haben wir ja die Besonderheit, mit Oskar Lafontaine einen ehemaligen Landesvater und nach wie vor sehr beliebten Politiker als Spitzenkandidaten der Linkspartei zu haben. Dennoch zeigen die Ergebnisse jetzt, dass die Mehrheit der Saarländer keine rot-rote Regierung wollte. Und da vor der Wahl immer deutlicher wurde, dass die SPD darauf setzt, mit der Linkspartei gemeinsam die Regierung abzulösen, hat eine bürgerliche Gegenmobilisierung stattgefunden: Je näher die SPD in den Umfragen an die CDU herankam, desto stärker wurden unionsnahe Wähler mobilisiert, die das verhindern wollten.
Man sieht aber auch: Eine Landtagswahl ist nun mal eine Landtagswahl. Die SPD hat zwar trotz allem vom sogenannten Schulz-Effekt profitiert, denn sie lag ja in dem Umfragen lange deutlich unter dem jetzigen Ergebnis. Trotzdem ist Martin Schulz der Kandidat für den Bund und stand hier nicht zur Wahl. Stattdessen haben zwei Drittel der Wähler ihre Wahlentscheidung nach landespolitischen Gesichtspunkten getroffen.
"Ergebnis nicht eins zu eins auf Bund zu übertragen"
tagesschau.de: War diese Wahl nun ein erster Test für den Bund?
Niedermayer: Die Gewinner von Landtagswahlen sagen immer: Das wird große Auswirkungen auf die Bundestagswahl haben und die Verlierer behaupten das Gegenteil. Klar ist, es war eine Landtagswahl, noch dazu in einem sehr kleinen Bundesland, und das ist keinesfalls eins zu eins zu übertragen auf den Bund.
Andererseits: Die extreme Euphorie, die die SPD beflügelt hat, hat jetzt einen deutlichen Dämpfer erfahren. Gleichzeitig hat die CDU einen deutlichen Motivationsschub bekommen und kann sich sagen: Umfragen hin oder her, wenn wir mobilisieren, können wir die Wahl gewinnen. Das ist psychologisch sehr wichtig für den Wahlkampf, weil es die Wahlkämpfer motiviert beziehungsweise im Falle der SPD demotiviert.
"Umfragen sind keine Wahlergebnisse"
tagesschau.de: Wird der Schulz-Effekt womöglich überschätzt?
Niedermayer: Die SPD hat, seit Schulz nominiert wurde, nun erstmals schmerzhaft erfahren müssen, dass Umfragen keine Wahlergebnisse sind. Die Erwartungen waren im Saarland sehr hoch. Die SPD hatte davon gesprochen, stärkste Kraft zu werden, und jetzt gibt es einen dramatischen Unterschied von zehn Prozentpunkten zur CDU. Die CDU hat sogar noch zugelegt gegenüber der letzten Wahl. Die SPD muss sich also klar machen, dass Wahlkampf und Ergebnis der Bundestagswahl auch mit Schulz kein Selbstläufer werden.
tagesschau.de: Warum haben die Grünen den Sprung in den Landtag nicht mehr geschafft?
Niedermayer: Die Grünen haben es im Saarland traditionell schwer. Sie sind immer wieder aus dem Landtag geflogen. Beim letzten Mal sind sie mit wenigen Stimmen Überschuss gerade so reingekommen. Das Saarland ist mit seiner Wirtschaftsstruktur industriepolitisch geprägt, insbesondere durch den Kohlebergbau. Das ist für die Grünen ein schwieriges Pflaster. Und jetzt dürfte der Schulz-Effekt ihnen auch noch Wähler abgezogen haben.
Zudem ist es den Grünen nicht gelungen, ein Thema zu finden, das für die Leute wirklich relevant war. Sie haben es mit der Umweltpolitik versucht, doch den Wählern waren andere Themen wie Wirtschaft und Arbeitsplätze wichtiger. Da wird den Grünen traditionell nicht so viel zugetraut wie beispielsweise der CDU.
"Nur FDP und CDU haben zugelegt"
tagesschau.de: Wie bitter ist das Ergebnis für die FDP?
Niedermayer: Die FDP hat vermutlich ein Ergebnis unter 5 Prozent eingepreist. In der Bundes-FDP war nie die Rede davon, dass das Saarland der erste Meilenstein in Bezug auf die Bundestagswahl ist, sondern man setzt da auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und insbesondere in NRW. Man könnte sogar sagen, dass dieses Ergebnis, wenn man von fast Null kommt, sogar positiv zu werten ist.
tagesschau.de: Die AfD ist zwar im Landtag vertreten, ist aber deutlich unter ihren eigenen Erwartungen geblieben. Wird das den Erfolg der Partei weiter bremsen?
Niedermayer: Das vergleichsweise schlechte AfD-Ergebnis hat einerseits sicher mit den Differenzen zwischen AfD-Landesverband und Bundesverband zu tun. Noch im November hatte der Bundesverband die Saar-AfD ja dazu aufgefordert, nicht zur Wahl anzutreten wegen der Rechtsaußenstellung dieses Landesverbands.
Andererseits sehen wir auch im Bund, dass die Partei auf dem absteigenden Ast ist. Insbesondere weil ihr Hauptmobilisierungsthema, die Flüchtlingskrise, für die Menschen nicht mehr so im Vordergrund steht wie noch vor Monaten. Auch die innerparteilichen Streitigkeiten tragen dazu bei, dass die Partei an Zustimmung verliert. Allerdings ist es noch zu früh zu sagen: Die AfD befindet sich in einem Sinkflug, der bis zur Bundestagswahl anhält. Es könnte sein, dass im Sommer die Flüchtlingsfrage wieder wichtiger wird. Nämlich dann, wenn über die Mittelmeerroute wieder mehr Flüchtlinge nach Europa kommen sollten.
"Gute Ausgangsposition für Merkel-Nachfolge"
tagesschau.de: Annegret Kramp-Karrenbauer, die Wahlsiegerin des Abends, wurde schon als Merkel-Nachfolgerin gehandelt. Ist das jetzt wahrscheinlicher geworden?
Niedermayer: Sie hat durch diesen großen Wahlsieg eine gute Ausgangsposition, Merkels Nachfolgerin zu werden. Aber da gibt es noch sehr viele Unbekannte. Erstmal muss Merkel es schaffen, die Wahl noch einmal zu gewinnen. Dann könnte es sein, dass sie erklärt, nicht die gesamte Legislaturperiode zu machen. Dann wäre eine Kanzlerin Kramp-Karrenbauer denkbar. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Andererseits ist der jetzige Wahlsieg der CDU zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf die Person Kramp-Karrenbauers zurückzuführen. Da ist es schwierig zu sagen, ich gehe jetzt in den Bund. Da muss man sehr vorsichtig sein, um die Wähler nicht zu verprellen.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de