Bundesweite Kundgebungen Breite Unterstützung für Demos gegen rechts
CDU-Ministerpräsidenten sprechen vom "ermutigenden Zeichen", der Verfassungsschutz-Chef findet sie "erfreulich": Für die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gibt es viel Lob.
Vertreter aus Politik und Gesellschaft haben die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in deutschen Städten begrüßt. Die CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst und Daniel Günther, würdigten die Proteste als ein "ermutigendes Zeichen" für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage. "In diesen Tagen zeigen Zehntausende Menschen in ganz Nordrhein-Westfalen Zivilcourage", sagte Wüst dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Die Teilnehmenden demonstrierten friedlich für ein weltoffenes Deutschland und machten eindringlich klar, dass es keinen Platz für Brandstifter gebe.
"Die Demonstrationen der letzten Tage, die Zehntausenden auf den Straßen, die sich stark machen für unsere Demokratie, sind ein ermutigendes Zeichen", sagte Günther dem Blatt. "Es gibt keine Ausrede mehr, wegzusehen und die eigene Stimme nicht gegen Rechtsextremismus zu erheben. Wir alle müssen aufstehen und unsere Demokratie und unsere Werte schützen und verteidigen", unterstrich der Landeschef.
Merz: Stoppschild gegen Extremismus
Ähnlich äußerte sich CDU-Chef Friedrich Merz. "Es ist sehr ermutigend, dass tausende Menschen in ganz Deutschland friedlich gegen Rechtsextremismus demonstrieren", schrieb sein Team bei X (früher Twitter). "Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild gegen jede Form von Extremismus und Rassismus, gegen Hass, Hetze und Geschichtsvergessenheit."
Haldenwang warnt vor Gefahr für Demokratie
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte der "Westdeutschen Zeitung": "Es wäre wünschenswert, wenn die schweigende Mehrheit unserer Bevölkerung klar gegen Extremismus und Antisemitismus Position beziehen würde." Erfreulicherweise demonstrierten aktuell viele Menschen dagegen.
Haldenwang warnte vor der Gefahr für die Demokratie in Deutschland durch verschiedene Entwicklungen. Alle demokratischen Parteien der Mitte hätten den Ernst der Lage mittlerweile erkannt, sagte der Verfassungsschützer. "Das sieht man auch daran, dass das Thema Umgang mit der AfD deutlich intensiver diskutiert wird als das noch vor einigen Monaten der Fall war." Inzwischen werde sogar ein AfD-Parteiverbot diskutiert.
Schuster: Erfreut, dass Mitte der Gesellschaft aufsteht
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bezeichnete die Demonstrationen als "wichtiges Signal". "Ich bin wirklich erfreut, dass die Mitte der Gesellschaft aufsteht", sagte Schuster der "Augsburger Allgemeinen". "Ich habe immer das Gefühl gehabt, man sieht die Prognosen und Wahlergebnisse der AfD, aber das lockt niemanden hinter dem Ofen hervor", sagte Schuster. Das habe ihm Sorgen gemacht. "Deshalb bin ich erfreut, wenn Leute jetzt auf die Straßen gehen und ihren Unmut zum Ausdruck bringen."
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD besorgt über eine Erosion demokratischer Werte. "Auf genau diesem Nährboden gedeiht Judenhass", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Selbst die Beobachtung durch den Verfassungsschutz halte viele Menschen offenbar nicht davon ab, die AfD zu wählen.
Heil fordert mehr Unterstützung aus der Wirtschaft
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen mehr Unterstützung aus der Wirtschaft. "Ich bin über jeden Wirtschaftsvertreter froh, der sich wie etwa BDI-Präsident Rußwurm klar gegen die AfD und Nazis positioniert", sagte Heil der "Rheinischen Post". "Wir sind eine offene Gesellschaft, darauf gründet auch unser wirtschaftlicher Erfolg", unterstrich der Minister. Die deutsche Volkswirtschaft sei international vernetzt. "Rassismus und Nationalismus können wir uns auch deshalb nicht leisten."
Heil bezeichnete die AfD als "Standortrisiko" und als Partei, "die nicht nur unsere Demokratie angreift, sondern unserem Land auch wirtschaftlich und sozial schadet". Qualifizierte Fachkräfte, die Deutschland dringend brauche, würden nur dann kommen, wenn sie sicher sein könnten, dass sie nicht ausgegrenzt oder gar bedroht würden.
Konfliktforscher: Ampel muss reagieren
Nach Ansicht des Bielefelder Konfliktforschers Andreas Zick ist nun die Mitte der Bevölkerung aufgewacht. Damit Menschen auf die Straße gingen, seien drei Faktoren wichtig, sagte er dem Deutschlandfunk: "Motivation, Gelegenheit und gemeinsame Identifikation". Dies sei jetzt da. Gleichzeitig sollte man seiner Meinung nach die Erwartungen an die Proteste nicht überfordern. Für eine Demokratie sei es aber wichtig, dass immer wieder ein Signal gesetzt werde.
Der Konfliktforscher sieht die Demonstrationen zugleich als Aufforderung an die Ampel-Regierung. Diese müsse auf die Demonstrationen reagieren, Parteien und Politik müssten den Menschen ein Angebot machen. Derzeit würden die Ampel-Parteien keine Möglichkeit finden, Konflikte innerhalb der Koalition positiv zu regulieren.
Faeser: Erinnerungen an Wannsee-Konferenz
Bereits gestern hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Demonstranten den Rücken gestärkt. In einer Videoansprache sagte er, alle Menschen in Deutschland seien gefordert, klar und deutlich Stellung für Toleranz, für Zusammenhalt und für die Demokratie zu beziehen. Die Vertrebungspläne Rechtsradikaler verglich er mit der Rassenideologie des Nationalsozialisten. "Wenn etwas in Deutschland nie wieder Platz haben darf, dann ist es die völkische Rassenideologie der Nationalsozialisten."
Ähnliche Assoziationen äußerte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser "Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannsee-Konferenz", sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. Sie wolle beides nicht miteinander gleichsetzen. "Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie 'Remigration' versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren."
Ein AfD-Verbotsverfahren sieht Faeser skeptisch. "Unsere Verfassung sieht dieses schärfste Instrument der wehrhaften Demokratie zurecht als Ultima Ratio vor." Es gebe sehr hohe Hürden. Bei entsprechender Sachlage könne dies niemand ausschließen. In der politischen Auseinandersetzung sei dies jedoch kein Mittel. "Wenn sich Menschen einer solchen Partei zuwenden, müssen wir dafür werben, dass diese Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkommen."
Viele Demos am Wochenende
Bundesweit waren in den vergangenen Tagen Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straßen gegangen. Eine der größten Demonstrationen fand am Freitag in Hamburg statt. Sie musste abgebrochen werden, weil viel mehr Menschen gekommen waren, als erwartet. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 80.000. Angemeldet gewesen waren nur 10.000 Teilnehmer.
In Münster waren am Freitag 20.000 Menschen einem Demoaufruf gefolgt, in Bochum waren mehr als 10.000 Menschen auf der Straße.