Streit um Studie Wer schaut auf Rassismus bei der Polizei?
Polizeigewalt und Racial Profiling - vor einem Jahr ein großes Thema. Innenminister Seehofer geriet unter Druck, weil er eine Studie zu Rassismus bei der Polizei ablehnte, und beauftragte eine Motivationsstudie. Was ist daraus geworden?
Wenn Blaise Francis El Mourabit durch einen Bahnhof läuft, heißt es regelmäßig: Polizeikontrolle! "Mir wurde beispielsweise schon gesagt: Rücken Sie die Drogen doch gleich raus." Was der deutsch-kongolesische Menschenrechtsanwalt beschreibt, nennt sich Racial Profiling.
Menschen geraten zum Beispiel durch ihre Hautfarbe ins Visier der Polizei. Dabei sind Kontrollen ohne konkreten Anlass, nur aufgrund des Erscheinungsbilds verboten. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz kommt im März 2020 zu dem Ergebnis: In Deutschland gebe es "starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling". Die Kommission empfiehlt eine Studie dazu.
Seehofer lehnt Forderungen nach Polizeistudie ab
Die Diskussion wird lauter, durch die Ermordung von George Floyd in den USA und Polizisten-Chats mit rechtsextremen Inhalten. Doch vor einem Jahr sagt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über eine Rassismus-Studie: "Jetzt nicht. Jetzt machen wir mal alles andere und setzen das um, was wir vereinbart haben. Wir können nicht jede Woche ein Wünsch-Dir-Was spielen."
Seehofer weiche aus, sagt Irene Mihalic im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie ist selbst Polizistin und sitzt für die Grünen im Bundestag. "Horst Seehofer duckt sich vor diesem Thema einfach total weg." Mihalic ist der Ansicht, dass Seehofer mit seinem Verhalten den Beamten, die vorbildlich ihren Dienst machen, keinen Gefallen tue. Sie seien permanent einem Rassismus-Verdacht ausgesetzt.
Bundesinnenminister sieht Polizei verunglimpft
Im Oktober 2020 beschließt die Bundesregierung eine Studie zu Alltagsrassismus in Auftrag zu geben. Auch eine Untersuchung des Polizeialltags soll es geben. Aber keine Rassismusstudie. Seehofers Begründung: "Die halten ja für uns den Kopf hin und deshalb gibt es jetzt keine Studie, die sich gegen die Polizei mit Unterstellungen oder Vorwürfen richtet."
Der Bundesinnenminister beauftragt stattdessen Anfang Dezember die Hochschule der Polizei in Münster mit einer Studie zur Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten. Es ist eine Untersuchung zu Seehofers Bedingungen. Studienleiterin Anja Schiemann betont aber die Unabhängigkeit: "Die Forschung ist ergebnisoffen. Wir machen keine Studie, um Herrn Seehofer zu gefallen."
Polizeistudie soll in drei Jahren Ergebnisse liefern
Der Bundesinnenminister sagt immer wieder, wie wichtig für ihn der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus sei. Seehofer begründet das auch mit den Anschlägen in Hanau und Halle und der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Zu diesem Kampf gehört auch die Polizeistudie. Sie steht im Abschlussbericht des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.
Die Hochschule der Polizei in Münster plant zwei Befragungswellen. Die erste im Oktober. Die Beamten sollen per Fragebogen und in Interviews Auskunft geben über ihre Einstellungen. Außerdem beobachten Forscher sie bei ihrer Arbeit. Erste Ergebnisse: in drei Jahren.
SPD verlangt konsequentes Durchgreifen
Uli Grötsch reicht das nicht. Der SPD-Innenpolitiker aus der Oberpfalz hat lange als Polizist gearbeitet. "Die Lage kann in drei Jahren schon wieder eine ganz andere sein als sie das jetzt gerade ist. Es ploppen immer wieder neue Fälle auf, denen muss konsequent begegnet werden." Grötsch verweist im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die jüngsten Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Bundestagspolizei.
Auch Menschenrechtsanwalt El Mourabit fordert schnelle Konsequenzen. Um Vorwürfe von Racial Profiling und Polizeigewalt besser aufklären zu können, schlägt er vor, dass Polizisten bei Kontrollen künftig Bodycams einschalten müssen.