Das Logo der SPD leuchtet beim SPD-Bundesparteitag

SPD-Fraktion Suche nach dem Impfpflicht-Ausweg

Stand: 21.01.2022 12:52 Uhr

Bei der SPD wächst die Sorge, keine Mehrheit für eine Impfpflicht zu finden. Mit einer Kompromisslösung sollen nun auch die Skeptiker überzeugt werden - allen voran die FDP.

Von Moritz Rödle, ARD Berlin

Vier Tagesordnungspunkte stehen auf der übersichtlichen Einladung zur Fraktionsklausur der SPD-Bundestagsfraktion. Besonders der zweite könnte interessant werden. Er heißt: "Weiteres Vorgehen allgemeine Impfpflicht."

Zwar bemühen sich alle in der Fraktion zu versichern, dass während der Klausur sicher keine Entscheidungen getroffen werden und die Fraktion als solche auch gar nicht Urheberin eines Antrages zur allgemeinen Impfpflicht sei, aber es wächst die Sorge keine Mehrheit im Parlament für eine solche Regelung zu finden.

Vom Ausgang für Helden ist die Rede - also einer Lösung, die zwar irgendwie eine allgemeine Impfpflicht sei aber auch den Kritikern die Möglichkeit bietet, dem Vorhaben doch zuzustimmen. Das Ziel: ein Kompromiss, um die FDP an Bord zu holen.

Welches Impfpflicht-Modell ist möglich?

Und so lastet wohl die größte Aufmerksamkeit auf den beiden Abgeordneten Dagmar Schmidt und Dirk Wiese. Bei ihnen laufen die Fäden zusammen, wenn die SPD-Fraktion über die Impfpflicht debattiert. Zeitlich klar begrenzt müsse diese Pflicht wohl sein und eine Art Rahmen bieten.

Ein sogenanntes Opt-In-Modell wird debattiert: Grundsätzlich wäre eine Impfpflicht dann möglich, aber es bedürfe nochmal einer Regierungsentscheidung, ob man diese scharf stelle. Zum Beispiel wenn absehbar sei, dass die Omikron-Variante eben nicht für Durchseuchung gesorgt habe und dadurch erneut ein schwieriger Herbst und Winter bevorstehe.

Fahrplan steht offenbar

Schwierig ist dabei aber die zeitliche Dimension, denn Stand heute müssten ungeimpfte Personen ja drei Spritzen im Abstand von Wochen bekommen. Ein "Scharfstellen" müsste also mit genügend Vorlauf passieren. Außerdem könnte es sein, dass die Impfpflicht nur für bestimmte Gruppen gelten wird. SPD-Fraktionschef Mützenich sagte, er gehe davon aus, "dass wir über eine Impfpflicht diskutieren, die ab einer bestimmten Altersgrenze gelten wird".

Ausdiskutiert ist das alles wohl noch nicht, aber der Fahrplan steht offenbar. Der zuständige SPD-Abgeordnete Wiese sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, er rechne damit, dass der Bundestag noch in diesem Quartal über die Impfpflicht entscheiden werde. Also bis Ende März. Allerdings muss dann auch noch der Bundesrat grünes Licht geben. Das könnte auf der Bundesratssitzung am 8. April passieren.

Konflikt mit Russland

Das vermutlich andere bestimmende Thema steht gar nicht auf der Tagesordnung der Klausur. Aber natürlich werde der Konflikt mit Russland diskutiert, heißt es aus der Fraktion. Auch eine Aussprache sei denkbar. Die ist offenbar nötig, denn die SPD war in den vergangenen Tagen durch Vielstimmigkeit aufgefallen.

Besonders in Bezug auf das deutsch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2 war die Partei in den vergangenen Tagen alles andere als einig. Doch nun scheint sich die eher russlandkritische Linie durchzusetzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte nicht mehr ausgeschlossen, dass bei einem russischen Angriff auf die Ukraine auch die Gaspipeline zur Debatte stehe. Eine Festlegung darauf hatte er lange vermieden und damit auch Widerspruch aus der eigenen Partei provoziert. Dass es zu einem großen Streit kommt, ist trotzdem unwahrscheinlich. Noch immer dominiert in Partei und Fraktion die Freude über die neue eigene Stärke.

Der Stil des Kanzlers

Außerdem wissen die Abgeordneten um den Stil ihres Bundeskanzlers. Nach außen legt der sich nur äußerst ungern fest. Scholz führt nach innen mit klaren Ansagen und denkt Dinge wie seine Vorgängerin Angela Merkel vom Ende her. Die Kommunikation nach außen bleibt dabei aber oft auf der Strecke.

Am kommenden Samstag kann Scholz die Kommunikation aber anderen überlassen. Dann steht schon die nächste Klausur auf dem Programm. Das SPD-Präsidium trifft sich in Berlin. Streit ist auch hier nicht zu erwarten. Das Parteipräsidium ist offiziell das engste Führungsgremium der SPD. Bei dem Treffen geht es neben der Planung für die kommenden Monate auch um die Vorbereitung auf die drei wichtigen Landtagswahlen im ersten Halbjahr 2022.

Grundsätzlicher Kurs

Es ist die erste Klausur in der Verantwortung des neuen Generalsekretärs Kevin Kühnert. Der will das Treffen auch nutzen, um neben der Tagespolitik den grundsätzlichen Kurs der SPD zu diskutieren. Dafür hat Kühnert drei Gäste eingeladen, die den Präsidiumsmitgliedern neue und kontroverse Perspektiven eröffnen sollen. Der Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis und die Publizistin Carolin Emcke sollen in kurzen Referaten die Breite der gesellschaftlichen Debatte abbilden.

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas soll nicht Umfragen oder Wahlergebnis analysieren, sondern auf soziodemografische Entwicklungen hinweisen, die für die SPD relevant sein könnten. Alles weit weg vom Tagesgeschäft. Von dem dürfte die Partei aber früh genug wieder eingeholt werden. Für den Nachmittag ist eine Pressekonferenz der beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil geplant. Dann werden wohl eher Aussagen zu Nord Stream 2 und Russland gefragt sein als zu politikwissenschaftliche Erkenntnissen.

Anmerkung: Die Formulierung, dass die Omikron-Variante "nicht für die erhoffte Durchseuchung gesorgt habe" war missverständlich und wurde präzisiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Januar 2022 um 16:02 Uhr.