Eine Frau steht am Enpfangstresen in der Jugendberufsagentur Berlin.

Debatte im Bundestag Viel Kritik an Heils Sparplänen im Sozialetat

Stand: 08.09.2023 14:13 Uhr

Arbeitsminister Heil plant für 2024 den ausgabenstärksten Einzeletat des Bundeshaushalts. Neben dem Bürgergeld soll es aber auch Kürzungen für Jobcenter geben. Grüne und Union üben Kritik.

In der Haushaltsdebatte im Bundestag haben Politiker der Opposition, aber auch der Koalition geplante Mittelkürzungen für Jobcenter, heftig kritisiert. "Die Mittelkürzung beim Verwaltungs- und Eingliederungstitel läuft den mit der Bürgergeldreform verbundenen Bestrebungen glatt zuwider", sagte der Grünen-Sozialexperte Frank Bsirske zum geplanten Sozialetat für das Jahr 2024, den Minister Hubertus Heil vorgelegt hatte. "Mehr und bessere Leistungen mit weniger Mitteln erbringen zu wollen, kann nicht funktionieren", sagte Bsirske. In Wirklichkeit bräuchten die Jobcenter mehr und nicht weniger Geld.

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe sagte, 200 Millionen Euro sollten allein für die Verwaltungskosten der Jobcenter gespart werden, obwohl der jüngste Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst sogar Mehrkosten von 300 Millionen Euro verursache. "Fehlende Mittel der Verwaltung werden dem Eingliederungsmittel entnommen, und die kürzen sie dann auch noch einmal um 200 Millionen", sagte Gröhe. Bereits früher waren Mittel, die eigentlich für Weiterbildungskurse gedacht waren, zur Bezahlung von Personal verwendet worden.

Etatvolumen von 171,7 Milliarden Euro

Insgesamt ist Heils Etat mit geplanten Ausgaben von 171,7 Milliarden Euro der mit Abstand ausgabenstärkste Einzeletat des Bundeshaushalts. In diesem Jahr umfasst der Etat 166,2 Milliarden Euro. Für das Bürgergeld, bisher Arbeitslosengeld II, sind im Entwurf 24,3 Milliarden Euro vorgesehen, rund 500 Millionen mehr als im laufenden Jahr. Der Arbeitsminister hatte vor kurzem angekündigt, dass das Bürgergeld für über fünf Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung 2024 in der höchsten Stufe um 61 Euro auf 563 Euro monatlich steigen soll.

Allein für die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sieht der Entwurf 126,87 Milliarden Euro vor - nach 121,05 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Für die Eingliederung in Arbeit sollen die Mittel allerdings um 200 Millionen auf 4,2 Milliarden Euro gekürzt werden.

Grüne und FDP sehen Beratungsbedarf

Über den Etatplan sollen die Fraktionen die nächsten drei Monate im Bundestag beraten bis am 1. Dezember die abschließende Abstimmung ansteht. Heil und sein Ministerium sehen dabei auch vor, dass junge Arbeitslose unter 25 ab 2025 von den Jobcentern zu den Arbeitsagenturen wechseln. Für die rund 700.000 Betroffenen würde durch die Änderung die Arbeitslosenversicherung und nicht mehr der Steuerzahler aufkommen. Entlastet würde der Etat des Arbeitsressorts um rund 900 Millionen Euro.

Die Grünen wollen die geplanten Kürzungen im Arbeitsetat als auch den Wechsel bei der Betreuung noch genauer unter die Lupe nehmen. Ihr Sozialexperte Markus Kurth sprach von "neuralgischen Punkten", die man sich ansehen werde. Auch FDP-Politikerin Claudia Raffelhüschen sagte, es müsse noch geklärt werden, ob es sich bei der Zuständigkeitsfrage "um wirkliche Sparmaßnahmen oder um einen Verschiebebahnhof" handele. CDU-Politiker Gröhe warf der Regierung vor, das bestehende Hilfesystem für junge Arbeitslose zu "zerschlagen".

Heil: Arbeit lohnt sich auch nach Erhöhung

Heil verteidigte in der Bundestagsdebatte die deutliche Erhöhung der staatlichen Zahlungen beim Bürgergeld. "Arbeit macht den Unterschied und Arbeit lohnt sich", sagte der SPD-Politiker über den Etatentwurf seines Ministeriums. Die Regelsätze beim Bürgergeld sicherten das Existenzminimum, nicht mehr und nicht weniger.

"Das ist keine willkürliche Idee der Koalition, sondern das ist das Gebot unserer Verfassung", sagte Heil. Es sei "gesellschaftliches Gift", Beschäftigte und Bedürftige gegeneinander auszuspielen. Heil sprach ausdrücklich die oppositionelle Union an. Deren Fraktionschef Friedrich Merz hatte jüngst erklärt, Menschen gingen nicht mehr arbeiten, weil sie sich ausrechnen könnten, dass sie mit staatlichen Transferleistungen mehr herausbekämen.

Auch Sozialexperte Kurth von den Grünen machte Unions-Fraktionschef Merz für dessen Behauptungen Vorwürfe. "Es ist nicht wahr", sagte Kurth. Bei 170 Stunden Vollzeit im Monat zum Mindestlohn von zwölf Euro bleibe noch eine "beträchtliche Kluft" im Vergleich zum Bürgergeld.

AfD spricht von Entwertung der Arbeit

Die AfD warf Heil indes eine "Entwertung der ehrlichen Arbeit durch das sogenannte Bürgergeld" vor. Millionen von Arbeitnehmern könnten von einer Angleichung der Reallöhne nur träumen, sagte AfD-Sozialpolitiker René Springer. Mit Blick auf Migranten sprach der AfD-Politiker von einer "Einwanderung in unser Sozialsystem auf Kosten deutschen Steuerzahler".

Linken-Politikerin Gesine Lötzsch warf Kritikern der Bürgergelderhöhung vor, sie wollten Arme gegen Arme aufhetzen. Das solle nur davon ablenken, wo das Verteilungsproblem liege: "Sie zetteln diesen Streit an, um nicht von einer notwendigen höheren Besteuerung der Vermögen sprechen zu müssen."

Kai Clement, ARD Berlin, tagesschau, 08.09.2023 14:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 08. September 2023 um 14:15 Uhr.