Menschen hinter einem Zaun

Sichere Herkunftsstaaten Moldau und Georgien ja, Maghreb-Staaten nein

Stand: 04.09.2023 10:55 Uhr

CDU-Chef Merz will weitere Länder zu "sicheren Herkunftsstaaten" machen, um Abschiebungen zu erleichtern. Georgien und Moldau sollen diesen Status bekommen. Doch die Ampelkoalition ist sich bei dem Thema nicht einig.

Von Oliver Neuroth, ARD Berlin

Joachim Stamp dürfte Tiflis und Chişinău inzwischen ganz gut kennen. Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen ist in den vergangenen Monaten mehrmals in die Hauptstädte von Georgien und Moldau gereist, um mit den dortigen Regierungen über Migration zu sprechen. Geplant sind Migrationsabkommen, um die legale Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland zu erleichtern. Auch Saisonkräfte von dort sind immer wieder ein Thema.

Der erste Schritt ist nun getan: Die Bundesregierung stuft Moldau und Georgien als sichere Herkunftsstaaten ein. Aus diesen Ländern seien in der Vergangenheit mehr als zehn Prozent der Asylanträge gekommen, sagt der FDP-Politiker Stamp im Interview mit dem SWR. Deutschland habe daher ein großes Interesse, Georgien und Moldau auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu setzen.

Die Behörden können dann Asylanträge von dort als "offensichtlich unbegründet" ablehnen. Denn man geht davon aus, dass es in diesen Staaten keine politische Verfolgung oder unmenschliche Behandlung gibt - den Menschen von dort also kein Schaden droht, wenn sie zurückgeschickt werden.

Entscheidung sorgt für Kritik

Die Einschätzung ist aber umstritten. Laut Pro Asyl werden in Moldau Angehörige der Volksgruppe der Roma diskriminiert. In Georgien berichtet die Menschenrechtsorganisation über Rückschritte bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Ähnliche Beobachtungen macht Clara Bünger, die fluchtpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag. "Georgien insbesondere ist bekannt dafür, dass queere Menschen verfolgt werden. Die Einstufung als sicheres Herkunftsland ist ein falsches Signal an alle Menschen, die von dort fliehen müssen, die bedroht werden", sagt Bünger im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Sie befürchtet, dass Menschen aus Georgien und Moldau ihr individuelles Recht auf Asyl verlieren könnten und Asylanträge von dort künftig pauschal abgelehnt werden.

Das werde nicht passieren, versichert der Beauftragte für Migrationsabkommen Stamp. Er verweist darauf, dass in beiden Ländern Visafreiheit für Reisen in die Europäische Union gilt. Laut Stamp kann daher jeder, der verfolgt wird, ausreisen und ein Asylverfahren in der EU anstoßen - zum Beispiel in Deutschland. Aus Sicht des FDP-Politikers dürfte es sich dabei aber um Einzelfälle handeln. Denn mehr als 99 Prozent der Antragssteller aus Georgien und Moldau erfüllen zurzeit die Asylkriterien nicht. Ihre Anträge werden also abgelehnt.

Klagen gegen abgelehntes Asyl werden schwieriger

Viele von ihnen klagen dagegen: Ein Verfahren, das sich oft über Monate, manchmal sogar Jahre zieht. Der Grund: Viele deutsche Gerichte sind überlastet. Solange ein Klageverfahren läuft, haben die Menschen Recht auf Sozialleistungen in Deutschland. "Sie nutzen das Sozialsystem aus", sagt Stamp. "Das ist beiden Ländern sehr peinlich. Sie möchten gerne als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, damit sich eine Asylantragsstellung gar nicht lohnt."

Klagt ein Bürger aus einem sicheren Herkunftsstaat gegen die Ablehnung seines Asylantrags, muss er das aus dem Heimatland tun. Dann gibt es keine Sozialleistungen aus Deutschland.

Umstritten in der Ampelkoalition

Die FDP steht hinter dem Konzept der sicheren Herkunftsländer, Bundesinnenministerin und SPD-Politikerin Nancy Faeser ebenfalls. Die Grünen sind der einzige Partner der Ampelkoalition, der sich schwertut.

Nach den Worten von Co-Parteichef Omid Nouripour halten die Grünen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten für falsch. "Wir glauben nicht, dass es irgendwelche Probleme löst. Gleichzeitig gibt es so etwas wie einen Freifahrtschein für Staaten, die uns dann erklären, dass ihre Menschenrechtslage kein Problem sei", meint Nouripour.

Trotzdem gehen die Grünen im konkreten Fall mit. Sie nicken den Vorstoß aus dem Bundesinnenministerium ab, Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Nouripour verweist darauf, dass beide Staaten auf dem Weg in die Europäische Union sind. Er spricht außerdem von Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit.

CDU will mehr sichere Herkunftsländer

CDU-Chef Friedrich Merz möchte mehr Ländern den Status sicherer Herkunftsstaat geben. "Das Grundrecht auf Asyl hat Grenzen in der Anerkennung der tatsächlichen Asylgründe", so Merz in den Funke-Medien. Er kann sich vorstellen, dass nordafrikanische Staaten auf die Liste gesetzt werden - als Beispiele nennt er Tunesien und Algerien. Dem CDU-Vorsitzenden geht es um die Möglichkeit schnellerer Abschiebungen.

Doch an diesem Punkt hört die Verhandlungsbereitschaft der Grünen auf. Gerade in Algerien sei die Menschenrechtslage zu problematisch, sagt Parteichef Nouripour.

Es gab schon mehrmals Vorstöße, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären - und die Grünen spielten nicht mit. Sie blockierten das Vorhaben im Bundesrat. Nouripours Worte deuten nun an, dass so etwas im Fall von Georgien und Moldau nicht passiert, dass sich Landesregierungen mit grüner Beteiligung nicht querstellen. Der verlängerten Liste der sicheren Herkunftsstaaten dürfte in diesem Fall also nichts im Wege stehen.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 04.09.2023 10:02 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 03. September 2023 um 02:00 Uhr.