Manuela Schwesig (SPD), Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin, spricht auf der 5. Windflüchter Charity-Gala.
Analyse

Schwesig und die Klimastiftung Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Stand: 06.03.2023 20:16 Uhr

Die Verquickung von Nord Stream 2 mit der Klimastiftung stand von Anfang an in der Kritik. Für die Schweriner Regierungschefin wird nun vor allem der Umgang damit zum Problem. Längst geht es auch um Schwesigs Glaubwürdigkeit.

Eine Analyse von Stefan Ludmann, NDR

Eines steht längst fest: Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV ist für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zu einer politischen Fußfessel geworden. Ihr einstiges Lieblingsprojekt gilt inzwischen als Symbol einer russlandfreundlichen Politik. Selten fuhr ein politisches Projekt, das zentral in Schwesigs Staatskanzlei gesteuert wurde, so krachend gegen die Wand - trotz vielerlei Warnung im Vorfeld.

Den vorerst letzten Beleg hat eine Steuerbeamtin im Finanzamt Ribnitz-Damgarten geliefert. Um eigene Fehler zu verdecken, nahm sie gleich drei wichtige Unterlagen der Stiftung mit nach Hause und verbrannte sie im Kamin. Von einer "Bananenrepublik" sprechen Oppositionspolitiker mit Blick auf Schwesigs Nordosten.

20 Millionen von Gazprom

Dabei sollte alles so schön werden. Nach vielen Gesprächen mit Nord-Stream-Managern, die in der Staatskanzlei und den Ministerien in Schwerin quasi ein- und ausgingen, war um die Jahreswende 2021/22 klar: Der russisches Staatskonzern Gazprom würde die Stiftung zunächst mit 20 Millionen Euro aus den Gewinnen mit Gas finanzieren - später vielleicht sogar mehr. Im Gegenzug sollte die Stiftung dem Kreml ermöglichen, die Ostseepipeline Nord Steam 2 unter Umgehung von US-Sanktionen zu Ende zu bauen. Der Kniff: Die Stiftung gründete eine Firma, die das erledigte.

Schwesigs Irrtum

"Mogel-Packung", "Fake-Stiftung", "Tarn-Organisation" waren damals die eher harmloser klingenden Vorwürfe. Die Landesregierung bekam quasi ein Handgeld zur Verfügung - verwaltet von Schwesigs Amtsvorgänger Erwin Sellering (SPD). Der Stiftungschef hatte wie Schwesig eine besonders enge Beziehung zu russischen Gaskonzernen - er installierte beispielsweise sogenannte Russlandtage in Mecklenburg-Vorpommern und reiste 2014 nach St. Petersburg zum Geburtstagsempfang des Gas-Lobbyisten, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Präsident Wladimir Putin war auch dabei.

Sellering und seine Stiftung sollten die eher dürftige Bilanz im Klimaschutz aufpolieren - mit Kita-Projekten wie "Buddeln für Bäume", denn bei den Erneuerbaren Energien kam Schwesigs Regierung schon damals kaum voran. Sie sei sich sicher, sagte Schwesig am 7. Januar 2021 zur Stiftungsgründung im Landtag, "dass in einigen Jahren viele sagen werden, es war der richtige Weg, es hat unserem Land etwas gebracht". Schwesig irrte. Die Klimastiftung hat ihren bundespolitischen Ansehensverlust ausgelöst, der Umgang mit diesem Problemfall hat den Absturz beschleunigt. Mittlerweile geht es um das Grundkapital in der Politik - es geht um Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Was wusste Schwesig?

Was hat Schwesig von den verbrannten Steuerunterlagen gewusst und was hat sie nicht gewusst? Die Antwort auf die Frage erscheint vertrackt, am Ende steht Aussage gegen Aussage. Rückblick: Die Stiftung hatte schon 2021 Anträge auf Befreiung von der Schenkungssteuer gestellt. Das schien geboten, denn eine Steuer hätte die Hälfte des Kapitals aufgezehrt. Das wollte auch Schwesig nicht - sie sprach immer von 20 Millionen Euro für den Klimaschutz, die volle Summe, die Gazprom freigab. Eine Schenkungssteuer war öffentlich nie Thema.

Die Anträge der Stiftung landeten aber nicht beim zuständigen Amt Ribnitz-Damgarten, sondern bei den Kollegen in Rostock. Die schickten die Papiere erst nach Monaten in Richtung Ribnitz-Damgarten. Dort aber gingen sie "verschütt". Die junge Beamtin "verfächerte" sie, die Papiere rutschten per angehefteter Büroklammer in einen anderen Vorgang, klärte Finanzminister Heiko Geue (SPD) in der vergangenen Woche auf. Erst als der Steuerberater der Stiftung sich am 28. Februar 2022 nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt habe, sei im Finanzamt eine interne Suche ausgelöst worden.

Opposition spricht von "Räuberpistole"

Auffällig erscheint die Zeitachse: Die Stiftung fragte vier Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nach. Offenbar fürchtete man, dass sich die Stimmung gegen die Stiftung dreht. Einen Tag später fasste der Landtag den Beschluss, die Stiftung solle aufgelöst werden. Die Debatte war aufgeheizt - das habe auch die Steuerbeamtin mitgekommen, so Finanzminister Geue in seiner Darstellung der Ereignisse zur verbrannten Steuerakte.

Die Mitarbeiterin habe zunächst beteuert, sie wisse vom Verbleib der Akten nichts. Dann habe sie noch einmal intensiver nachgeforscht und die Unterlagen entdeckt. Um den Fehler zu verdecken, so Geue, habe sie die Papiere schließlich verbrannt. Kurz danach - am 25. April 2022 - aber sei sie reumütig geworden und habe sich ihrem Chef gegenüber erklärt.

Die Folge: Ermittlungen, Geldbuße und ein Disziplinarverfahren. Ein Schaden sei aber nicht entstanden, die Unterlagen seien schon zuvor nachgefordert worden und der Vorgang sei ordentlich abgearbeitet worden.

Von einer "Räuberpistole" spricht die CDU-Opposition im Landtag dennoch. Sie vermutet mehr. Der Finanzminister beteuerte in einer Pressekonferenz jedoch, es habe in dem Steuer-Fall "Klimastiftung"  keinen politischen Druck gegeben und auch die Ministerpräsidentin sei nicht informiert worden. Geue gab zu Protokoll, er habe Ende April 2022 von den verbrannten Akten erfahren, er habe aber seine Chefin nicht informiert - "wegen des Steuergeheimnisses".

Information "auf dem kurzen Dienstweg"?

Schwesig stützte die Darstellung am Sonntag im Bericht aus Berlin. Sie mische sich nicht in Steuerverfahren ein, es sei korrekt, dass Geue sie nicht informiert habe.

Im politischen Schwerin sind außerhalb der rot-roten Koalition an allen Ecken Zweifel an dieser Darstellung zu hören - auch von einem ehemaligen Minister. Ex-CDU-Wirtschaftsminister Harry Glawe, der zu rot-schwarzen Regierungszeiten lange auch Stellvertreter Schwesigs war, hatte sich 2021 vehement für die Stiftung ausgesprochen.

Glawe sagte dem NDR, Schwesigs Wunsch sei stets es gewesen, über jedes Detail informiert zu werden. Er hält es für "äußerst unwahrscheinlich", dass die Ministerpräsidentin in dem wichtigen Vorgang der Steuerunterlagen von ihrem Finanzminister nicht schon kurz nach den internen Bericht Ende April 2022 informiert worden sei, zumindest auf "dem kurzen Dienstweg". Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Schwesig sagte Glawe: "Ich hätte es gemacht."

Auch andere Beteiligte, die nicht genannt werden möchten, haben Zweifel. Sie berichten, dass Schwesig in der Fülle der Informationen auch schon einmal Dinge vergessen habe, über die sie vorher unterrichtet worden sei - mündlich, auf dem "kurzen Dienstweg".

Erwin Sellering (SPD), der frühere Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern vor einem Plakat der Stiftung.

Erwin Sellering (SPD), der frühere Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, wehrt sich gegen die Auflösung der Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern.

Sellering und Schwesig sind keine Freunde mehr

Die Stiftung bleibt für die Regierungschefin ein Problem. Nach dem russischen Angriffskrieg wollte sie ihr einstiges Vorzeigeprojekt so schnell wie möglich auflösen - doch ihr Parteifreund Sellering stellt sich quer. Juristisch sei sie "für die Ewigkeit" eingerichtet, meint der Verwaltungsjurist. Er und Schwesig haben sich längst überworfen - die Landesregierung wolle die Stiftung "vors Loch" schieben, um von eigenem Fehlverhalten abzulenken, schimpft er.

Sellering hat sich eine kleine Gemeinheit ausgedacht und vorgeschlagen, seine Amtsnachfolgerin Schwesig in dem Steuerverfahren vor dem Finanzgericht Greifswald als Zeugin aussagen zu lassen. Dort läuft eine Klage der Stiftung gegen den Bescheid auf Schenkungssteuer - 9,8 Millionen Euro waren im vergangenen September fällig. In den Augen der Stiftung ein unfreundlicher Akt, der nur dazu dienen solle, die Stiftung zu erledigen.

Schwesig könne doch bezeugen, so Sellering, dass der Chef von Nord Steam 2, Matthias Warnig, ihr in einem Vier-Augen-Gespräch Details der 20-Millionen-Euro-Zahlung erläuterte habe. Was Sellering meint: Warnig habe klar gesagt, die Summe sei für den Klimaschutz zu verwenden. Eine Gemeinwohlorientierung, so die Lesart der Stiftung, schließe eine Schenkungssteuer aus. Schwesig erklärte, über eine Schenkungssteuer sei nie geredet worden.

Auch daran gibt es Zweifel. Die will die Opposition im Untersuchungsausschuss des Landtags klären, der sich seit Mai 2022 mit den Vorgängen um die Klimastiftung beschäftigt. Eine Aufklärung dort komme aber nur schleppend voran, beklagte jüngst auch der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno. Auch der Steuerrechtsfall zieht sich in die Länge. Mit einer Entscheidung über die Schenkungssteuer sei in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen, so eine Sprecherin. Schwesig wird die Stiftung so schnell nicht los.

Stefan Ludmann, NDR, 07.03.2023 09:14 Uhr