Regierungschefin Schwesig
Analyse

Russland-Verbindungen Für Schwesig wird die Luft dünn

Stand: 22.04.2022 16:02 Uhr

Die Russland-Verstrickungen bringen Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig zunehmend in Erklärungsnot. Einen Rücktritt lehnt sie ab, doch die Opposition hat viele Fragen - nun kommt ein Untersuchungsausschuss.

Eine Analyse von Stefan Ludmann, NDR

Von der SPD-Hoffnungsträgerin mit Kanzlerin-Potenzial zur Belastung der Gesamtpartei: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erlebt wegen ihres langjährigen Kuschelkurses mit Russland in diesen Tagen einen dramatischen Ansehensverlust - dabei geht es nicht nur um ihre umstrittene Klimastiftung. Die Regierungschefin wirkt angezählt, sie lehnt einen Rücktritt aber ab.

Schwesig erklärte erst am Mittwoch in der für sie typischen Textbaustein-Rhetorik: "Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben mich vor gut einem halben Jahr mit einem hohen Vertrauen gewählt und mich im Amt bestätigt und natürlich werde ich dem weiter gerecht."

Die Weigerung, Konsequenzen zu ziehen, lässt die Opposition im Schweriner Landtags nur lauter werden. Schwesig müsse alle Karten auf den Tisch legen, volle Transparenz herstellen, fordern CDU, Grüne und FDP, die sich selbstbewusst die "Jamaika-Opposition" nennen. Auch nach den Berichten und Meldungen der vergangenen Wochen bleiben viele Fragen und die Angst bei der SPD: "Was kommt da noch?"

Worum geht es bei den Vorwürfen?

Im Kern geht es um die als Filz empfundene Verbindung zwischen der SPD-geführten Landesregierung und der russischen Nord Stream 2 AG. Schwesigs SPD hat dem Tochterunternehmen des Kreml-Konzerns Gazprom ermöglicht, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu Ende zu bauen. Dafür ist die landeseigene "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" im Januar 2021 gegründet worden - nach etlichen Treffen zwischen Schwesig und Spitzenvertretern von Nord Stream 2. Einmal, im September 2020 bei einem festlichen Dinner in Heringsdorf auf Usedom, saß neben Nord-Stream-2-Geschäftsführer Mathias Warnig - einem Putin-Vertrauten und ehemaligen Stasi-Offizier -  auch der Lobbyist für russisches Gas, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), dabei.

Aus internen Unterlagen der Landesregierung geht hervor, dass die Geschäftsleitung um Nord Stream 2 im Frühjahr 2020 immer nervöser wurde. Anlass waren die Sanktionsankündigungen der US-Regierung. Die Amerikaner drohten allen wirtschaftlich Beteiligten an dem Pipeline-Projekt mit marktverdrängenden Konsequenzen. Damals warnten die USA die Europäer vor einer einseitigen Energie-Abhängigkeit von Russland. Schwesig und ihre SPD meinten mit bewusst antiamerikanischen Untertönen, die USA wollten nur ihr schmutziges Fracking-Gas verkaufen.

Eine Stiftung als "Mogelpackung"?

Die Lösung war Schwesigs Klimastiftung: Anders als normale gemeinwohlorientierte Stiftungen hatte die MV-Variante einen besonderen Dreh: Die Stiftung gründete eine eigene Firma - "einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb" -, die dafür sorgte, dass die Röhre in der Ostsee fertig wird. Die Firma kaufte unter anderem ein Schiff, das Restarbeiten erledigte. Wie viel Geld dafür aus russischen Quellen geflossen ist, bleibt bis heute unklar. Die Stiftung verweigert Auskünfte.

Das Sagen hat ohnehin Nord Stream, das Unternehmen bestellte den Geschäftsführer, laut Satzung kann es zwei Vertreter im Kuratorium besetzen. Bekannt ist nur, dass Nord Stream 2 insgesamt 20 Millionen Euro für die zweitrangige Aufgabe der Stiftung gegeben hat, den Klimaschutz. Gerade einmal ein Prozent der Summe - 200.000 Euro - steuerte das Land bei.

Schwesig machte sich die Argumentation von Nord Stream 2 zu eigen: Das Gas aus der Pipeline sei als "Brückentechnologie" nötig, um die Energiewende zu schaffen. Die Ministerpräsidentin musste ihre Stiftung schon im Gründungsmonat Januar 2021 gegen heftige Kritik verteidigen: Die Grünen, alle namhaften Umweltverbände und Energieexperten sprachen abwechselnd von einer "Tarnorganisation", einer "Mogelpackung" oder einer "Fakestiftung". Fossile Energie als Argument für eine ökologische Energiewende zu benutzen, sei widersinnig.

Schwesigs Versuch, die Umweltverbände mit Sitzen im Kuratorium zu "kaufen", scheiterte. BUND, NABU und WWF zeigten ihr die kalte Schulter. Auch der Landesrechnungshof meldete Zweifel an, die Deutsche Umwelthilfe und Transparency International kündigten juristische Schritte an. Mehr als ein Jahr später setzte der "Spiegel" kurz vor Ostern eins drauf und nannte die Stiftung "eine der größten Dummdreistigkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte". 

Moskau näher als Washington

Schwesigs SPD hat das alles ausgesessen. Bis zum russischen Angriff auf die Ukraine war die Regierungschefin im Nordosten die lauteste Befürworterin des Pipeline-Projekts und ihrer Stiftung. Den Verantwortlichen in Schwerin schien Moskau nicht nur geografisch, sondern auch politisch näher als die Partner in Washington. Bis zuletzt garnierte Schwesig ihr Pro-Pipeline-Aussagen mit einem Schuss Antiamerikanismus. Im Deutschlandfunk warf ihr das zuletzt auch Grünen-Chef Omid Nouripour vor.

Allerdings ist die Argumentation der SPD mit dem russischen Angriff auf die Ukraine zusammengebrochen. Jetzt heißt es auch bei Schwesig, "mit dem Wissen von heute ist die Entscheidung für Nord Stream 2 und die Klimastiftung falsch gewesen". Ihre Kritiker halten dagegen, die SPD mache es sich zu einfach: Die aggressive Haltung Russland sei spätestens mit der Annexion der Krim klar gewesen, trotz der Bomben in Syrien, der Morde an Oppositionellen und der Missachtung der Menschenrechte habe sich Mecklenburg-Vorpommern kritiklos an Putins Reich angelehnt.

Untersuchungsausschuss ab Mai

Als Beispiele nennen Grüne und FDP die "Russlandtage" in Rostock, mit Sponsoren, die die Landes-SPD auch mit mehreren 1000 Euro an Parteispenden förderten, die Partnerschaft mit der Region St.Petersburg, die Installation eines eigenen Russland-Beauftragten in Moskau oder die öffentliche Förderung eines Russland-Vereins in Schwerin. All das steht in den Augen der Opposition für ein "Kreml-Netzwerk" in Mecklenburg-Vorpommern.

CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow nennt Schwesig eine "Werbe-Ikone" Russlands. Nun liegen die Nerven in der SPD offenbar blank. SPD-Fraktionschef Julian Barlen beklagt ein "regelrechtes Kesseltreiben" der Opposition. Er schwor die Genossen in einem Mitgliederbrief auf Solidarität und Gemeinsamkeit ein. Die Opposition sei unehrlich und unglaubwürdig, sie versuche, "Putins Krieg parteipolitisch auszuschlachten", wetterte Barlen.

Die Grünen konterten: Die SPD wolle berechtigte Kritik diskreditieren und Mitleid einheimsen, so die Landes-Vorsitzende Weike Bandlow. Man nehme die Kontrollpflicht als Opposition sehr ernst und werde weiter auf hundertprozentige Transparenz aller Vorgänge um Nord Stream 2 pochen.

Im Mai soll ein Untersuchungsausschuss im Landtag seine Arbeit dazu beginnen. Das Thema Klimastiftung bleibt Schwesig nicht nur deshalb erhalten. Der Stiftungschef, ihr Amtsvorgänger Erwin Sellering (SPD), wehrt sich gegen eine Auflösung. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten stützt seine Haltung. Sellering sagte, er wolle weitermachen. In Schwesigs Staatskanzlei hören sie diese Impertinenz nicht gerne. Dort ist man gewohnt, dass sich vor allem die eigenen Leute den Bitten der Regierungschefin fügen. Schwesigs Nimbus scheint zu bröckeln - aus der Bundespartei springt ihr niemand bei.

Silke Hasselmann, DLF, 22.04.2022 16:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. April 2022 um 10:00 Uhr.