Kanzler Scholz zur Asylpolitik "Wir müssen schneller abschieben"
Eine Begrenzung der Zuwanderung "macht uns nicht zu Unmenschen", sagt Kanzler Scholz dem "Spiegel" und fordert Abschiebungen "im großen Stil". Unbegrenzte Zuwanderung gefährde den Sozialstaat.
Der Terrorüberfall der Hamas auf Israel und die Folgen hat ein innenpolitisches Thema etwas in den Hintergrund rücken lassen: die Migrationspolitik. In einem Interview mit dem "Spiegel" äußert sich Kanzler Olaf Scholz nun für seine Verhältnisse ziemlich klar zu der Problematik. "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben", sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenmagazin. Wer sich nicht auf Schutzgründe berufen könne und keine Bleibeperspektive habe, müsse gehen. "Wir müssen mehr und schneller abschieben."
"Das macht uns nicht zu Unmenschen"
Scholz sieht den Sozialstaat in Gefahr, wenn die Zuwanderung unbegrenzt bleibt. "Wer eine unbegrenzte Zuwanderung will, muss so ehrlich sein und sagen, dass wir dann unseren Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, nicht aufrechterhalten könnten." Die Regierung trage Verantwortung dafür, "dass unser Gemeinwesen funktioniert". Dazu gehöre auch "eine gewisse Härte". Eine Begrenzung der Zuwanderung mache "uns nicht zu Unmenschen", unterstrich der Kanzler.
Gegenüber dem Magazin beschrieb er eine restriktivere Linie im Umgang mit "irregulärer Migration". Es gebe Geflüchtete, die Anspruch auf Asyl hätten, etwa weil sie politisch verfolgt würden - und davon unabhängig sei Deutschland auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen.
Andererseits heiße das aber: "Wer weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe gehört, kann nicht bei uns bleiben." Scholz betonte: "Deshalb begrenzen wir die irreguläre Migration nach Deutschland - es kommen zu viele." Dafür brauche es "ein ganzes Bündel an Maßnahmen", unter anderem den Schutz der europäischen Außengrenzen und schärfere Kontrollen an den Grenzen zu europäischen Nachbarstaaten. Innenministerin Nancy Faeser (ebenfalls SPD) hatte sich lange gegen stationäre Grenzkontrollen an den Binnengrenzen gewehrt, schließlich aber doch umgeschwenkt.
Sachleistungen statt Bargeld
Scholz lobte in diesem Zusammenhang die Pläne seiner Ampelregierung. Und er sieht zugleich die Bundesländer in der Pflicht: Wichtig sei es etwa, einheitliche und schnellere Verfahren in den Bundesländern zu schaffen. "In manchen Bundesländern braucht die erste Instanz in einem Abschiebungsverfahren vier Monate, in anderen 39." Das müsse sich ändern.
Zudem solle die Arbeit der Ausländerämter vollständig digitalisiert und die Erreichbarkeit der Behörden rund um die Uhr ausgedehnt werden, damit sie Abschiebungen auch durchführen könnten. Bundesländer, die die Anreize für irreguläre Migration etwa durch Sachleistungen statt Geld oder durch Bezahlkarten für Geflüchtete senken wollen, würden dabei von der Bundesregierung unterstützt, erklärte Scholz. "Außerdem finden wir es richtig, Asylsuchenden gemeinnützige Arbeit anzubieten."
Union macht Druck
Zuletzt hatte die Union den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Sie fordert eine "Asylwende". Doch auch in der Regierungskoalition ist man bei der Asyl- und Zuwanderungspolitik nicht einig. Vor allem die Grünen stehen wegen ihrer liberalen Haltung in der Kritik, insbesondere bei der FDP. Beim Koalitionsausschuss heute Nachmittag dürfte das Thema auf der Agenda stehen.
Auch mit der Union und Ländervertretern hatte sich Scholz kürzlich im Kanzleramt zum Spitzengespräch getroffen. Bis zu einem Treffen aller Ministerpräsidenten mit Scholz in Berlin am 6. November sollen nun konkrete Lösungen gefunden werden, wie man den Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland in den Griff bekommen kann. Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233.744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.