Rolf Mützenich

Debatte im Bundestag gefordert Mützenich will AfD zu Geheimtreffen befragen

Stand: 12.01.2024 17:06 Uhr

Wer genau war beteiligt am rechtsextremen Treffen in Potsdam? SPD-Fraktionschef Mützenich will das im Bundestag besprechen - und bringt erneut ein AfD-Verbotsverfahren ins Spiel. Zu früh, meint der neue Chef der Innenministerkonferenz.

Die SPD-Fraktion will das Geheimtreffen Rechtextremer mit AfD-Funktionären im Parlament thematisieren. Man wolle von der AfD wissen, "ob möglicherweise auch aktive Politiker diesen Kreis (...) mitinitiiert haben, vielleicht sogar auch beteiligt gewesen sind", sagte Fraktionschef Rolf Mützenich. "Ich denke, dass wir versuchen müssen, in der nächsten Sitzungswoche die AfD zu dieser Frage auch zu stellen."

Ein solcher Schritt sei "ganz wichtig", so Mützenich. "Wir brauchen eine politische Auseinandersetzung." Er wolle den anderen Ampel-Fraktionen nun einen Vorschlag machen, wie genau diese Frage im Parlament thematisiert werden kann. Die nächste Plenarsitzung ist für den 17. Januar angesetzt.

Parteien ringen über Umgang mit der AfD nach Enthüllungen zu Geheimtreffen in Potsdam mit Rechtsextremen

Kilian Pfeffer, ARD Berlin, tagesthemen, 12.01.2024 21:45 Uhr

Im November hatten AfD-Funktionäre in Potsdam an einem Treffen mit dem Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen. Dieser stellte nach Recherchen der "Correctiv"-Redaktion Ideen dazu vor, wie erreicht werden könne, dass Menschen zum Verlassen des Landes gedrängt werden könnten. Verharmlosend werden Vertreibungen dabei als "Remigration" bezeichnet.

Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Mützenich zeigte sich "erschrocken" darüber. "Demokratische Parteien müssen sich von diesem braunen Sumpf fernhalten", mahnte er.

CDU will Teilnehmer ausschließen

Der nordrhein-westfälische CDU-Kreisverband Oberberg hat wegen dessen angeblicher Teilnahme an dem Treffen ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied eingeleitet. Das bestätigte der Vorsitzende, Carsten Brodesser. Den Namen dürfe er aus parteirechtlichen Gründen nicht nennen, sagte der Bundestagsabgeordnete. Das CDU-Mitglied habe bis zur nächsten Vorstandssitzung der Landespartei am 26. Januar Zeit, sich zu äußern.

"Die in den Berichten geschilderten Vorgänge sind abstoßend und widerlich", sagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak, der dpa. "Für die CDU Nordrhein-Westfalen ist klar: Wer das teilt oder unterstützt, verstößt erheblich gegen die Grundsätze unserer Partei." Solches Gedankengut werde in der CDU nicht toleriert. "Die erforderlichen Schritte für ein Parteiausschlussverfahren wurden durch den örtlich zuständigen Kreisverband eingeleitet", bestätigte Ziemiak.

Linnemann: "Wir werden hart und konsequent darauf reagieren"

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kündigte an, man werde "hart und konsequent reagieren". Der CDU-Bundesvorstand wird sich demnach bei der Klausurtagung in Heidelberg mit den Vorgängen befassen. "Die Vorfälle sind menschenverachtend, erschreckend, sie sind geschichtsvergessen." Man prüfe, ob Mitglieder der Werteunion in Potsdam dabei waren, die auch CDU-Mitglieder seien. Die Werteunion stellt sich selbst als konservativ dar, ist aber keine Organisation der Unionsparteien.

Laut "Spiegel" soll zudem im Juli der frühere Berliner CDU-Finanzsenator Peter Kurth ein Treffen mit Rechtsextremen in seiner Berliner Privatwohnung ausgerichtet haben. Daran nahmen demnach unter anderem der spätere AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek sowie der österreichische Rechtsextremist Sellner teil.

Kurth ist inzwischen Präsident des Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft. Nach Angaben eines Sprechers des CDU-Landesverbands Berlin trat Kurth inzwischen aus seinem Kreisverband Pankow aus und ist nicht mehr Mitglied der Berliner CDU. Unklar blieb, ob er danach als Mitglied in die CDU Brandenburg aufgenommen wurde. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte Kurth, er sei weiterhin Parteimitglied.

Stübgen: Für Verbotsantrag nötige Daten noch nicht da

SPD-Fraktionschef Mützenich brachte auch ein etwaiges Verbotsverfahren der AfD wieder ins Spiel. Gerade in den Bundesländern müsse die Möglichkeit eines Parteienverbots geprüft werden. "Wenn dort die Behörden von klaren verfassungsfeindlichen Tendenzen ausgehen, muss das natürlich auch Konsequenzen haben." Einen Verbotsantrag können Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat stellen. Darüber entscheiden würde das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Der neue Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), zeigt sich zur Diskussion über ein Verbot der AfD verhalten. "Die schnellen Forderungen für ein Verbotsverfahren sehen wir als Innenminister deshalb kritisch, weil wir sehr genau wissen, dass unsere Verfassung, unser Grundrecht, enorm hohe Hürden aufgebaut hat", sagte Stübgen in Potsdam. Er verwies darauf, dass die AfD im Bundestag, in Landtagen und Kommunalparlamenten vertreten sei.

"Ich kann Ihnen nur aus Sicht meines Verfassungsschutzes, meines Innenministeriums sagen, dass für ein Verbot der AfD als Landespartei die notwendigen Daten, die wir brauchen, im Moment noch nicht da sind", sagte Stübgen. SPD-Chefin Saskia Esken hält einen Verbotsantrag für die Partei für eine Option. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lehnt ein Verbotsverfahren dagegen ab.

"Werden nicht nachlassen"

Die AfD wird in drei ostdeutschen Ländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, die Jugendorganisation Junge Alternative als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung. Bundesweit gilt die Partei ebenfalls als Verdachtsfall. Die Partei wehrt sich juristisch gegen die Einstufung.

"Rechtsextremisten im Vorfeld der AfD träumen seit geraumer Zeit und auch ganz offen von der großen Remigration", sagte CDU-Politiker Stübgen. "Was diese politischen Kräfte Remigration nennen, bedeutet in Wahrheit Deportation. Erst die Deportation von denjenigen, die woanders herkommen, dann die Deportation von denen, die anders aussehen und zum Schluss die Deportation von denen, die anders denken, leben und fühlen."

"Wir warnen vor diesen Umtrieben seit Jahren. Sie können das in jedem Verfassungsschutzbericht der letzten Jahre ablesen", sagte Stübgen. Er verwies auf den Brandenburger Verfassungsschutzbericht des vergangenen Jahres, in dem detailliert über die Identitäre Bewegung berichtet worden sei. "Wir werden in dieser Frage auch nicht nachlassen, unseren Staat zu schützen vor solchen Einflüssen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Januar 2024 um 20:00 Uhr.