Kampfjet "Tornado IDS ASSTA 3.0", bestückt mit dem Lenkflugkörper "Taurus".
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Marschflugkörper für die Ukraine Wer über "Taurus" entscheidet

Stand: 22.02.2024 08:47 Uhr

Sollen "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden? Darüber debattiert heute der Bundestag. Der Kanzler zögert, die Opposition drängt, und die Ampelfraktionen sind sich nicht wirklich einig. Worum geht es? Ein Überblick.

Die Ampelkoalition tut sich weiter schwer mit einer gemeinsamen Linie bei der Frage, ob "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werde sollen. Heute debattiert der Bundestag darüber. Zwei Anträge sollen eingebracht werden: Während die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP eher allgemein die "Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen" verlangen, erwähnt die CDU/CSU-Opposition in ihrem Antrag explizit auch "Taurus".

Die ukrainische Seite hatte bereits im Mai vergangenen Jahres die offizielle Bitte nach einer Lieferung der "Taurus"-Marschflugkörper mit hoher Treffsicherheit und einer Reichweite von 500 Kilometern an die Bundesregierung gerichtet. Seither schwelt die Debatte.

Wer entscheidet eigentlich über "Taurus"?

Grundsätzlich ist bei Waffenexporten nicht der Bundestag, sondern der geheim tagende Bundessicherheitsrat zuständig. Mitglieder sind neben dem Kanzler unter anderem auch die Außenministerin, der Verteidigungsminister und der Finanzminister.

Doch entscheidend ist der Bundeskanzler. Er hat die Richtlinienkompetenz für die Politik der Bundesregierung und seine Minister werden ihn in der wichtigen "Taurus"-Frage nicht überstimmen.

Warum zögert die Bundesregierung?

Es gibt offenbar Bedenken, dass die Marschflugkörper mit 500 Kilometern Reichweite auf russischem Gebiet einschlagen könnten. Völkerrechtlich wäre das legal. Und auch technische Fragen beim Einsatz der "Taurus"-Marschflugkörper durch die Ukrainer scheinen lösbar.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte gestern aber nochmal, dass es drei Kriterien für die Waffenlieferungen gebe: Deutschland und die NATO dürften nicht Kriegspartei werden, man stimme sich eng mit den internationalen Partnern - vor allem den USA - ab und die Regierung unterstütze die Ukraine mit dem Material, dessen Abgabe nötig und verantwortbar unter deutschen Sicherheitsinteressen sei.

Unklar ist aber beispielsweise, ob die Bundeswehr tatsächlich noch 600 funktionsfähige Marschflugkörper besitzt. Außerdem ist unklar, ob die Bundeswehr die "Taurus" abgeben kann oder ob beispielsweise auch NATO-Vorgaben dagegen sprechen. Letztlich kennt man aber die Beweggründe von Bundeskanzler Olaf Scholz, warum er "Taurus" bislang nicht liefern will, nicht bis ins letzte Detail.

Warum gibt es darüber Streit?

Innerhalb der Ampelkoalition gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit "Taurus" zu verfahren ist. Irritationen hatte zuletzt die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ausgelöst. Denn sie will auch für einen Antrag der Opposition, genauer der Union, zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine stimmen.

Das brachte ihr heftige Kritik aus den Reihen von SPD und Grünen ein. Schließlich hatte sich die Ampelkoalition vorher eigentlich auf einen eigenen Antrag verständigt, der weitreichende und schwere Waffensysteme für die Ukraine fordert. "Taurus"-Marschflugkörper werden in dem Antrag jedoch nicht konkret benannt.

Wie einig sind sich SPD, Grüne und FDP?

Nicht nur die Ankündigung Strack-Zimmmermanns zeugt von sehr unterschiedlichen Haltungen innerhalb der Regierungskoalition. Auch darüber, wie der gemeinsame Antrag zu verstehen ist, gibt es Dissens.

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter sagte etwa dem "Spiegel", es sei vollkommen klar, dass die Formulierung aus dem Antrag auf die "Taurus"-Marschflugkörper abziele. "Ich erwarte vom Kanzler, dass er umsetzt, was ihm die Ampelfraktionen auftragen. Die Konsequenz dieses Antrags kann nur sein, dass er den 'Taurus' freigibt."

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sagte im "Tagesspiegel" dagegen: "Der Bundestag fordert die Regierung nicht ultimativ auf, jetzt sofort Marschflugkörper zu liefern, schließt aber für die Zukunft nichts aus, wenn die Regierung zu einer anderen Abwägung als im Augenblick gelangen sollte."

Scholz lehne zwar bisher eine "Taurus"-Lieferung ab, habe diese aber nicht für alle Zeit ausgeschlossen. "Diese Position findet sich jetzt auch im eng mit dem Kanzleramt abgesprochenen Antrag wieder", sagte Schmid.

Was für ein Waffensystem ist der Marschflugkörper "Taurus"?

Der Marschflugkörper vom Typ "Taurus" ist rund fünf Meter lang und wiegt fast 1.400 Kilogramm. Er ist mit einem eigenen Triebwerk und mehreren Navigationssystemen ausgestattet, die einen autonomen Tiefflug durch gegnerisches Gebiet ermöglichen. Das bedeutet, die Marschflugkörper können im Krieg aus sicherer Entfernung von Kampfflugzeugen abgefeuert werden und Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung treffen und zerstören.

Da die Marschflugkörper besonders tief fliegen und relativ klein sind, können sie von der gegnerischen Flugabwehr nur schwer getroffen werden. Die Bundeswehr hat das Waffensystem "Taurus" seit 2005. Es kann mit den Kampfflugzeugen "Tornado" und "Eurofighter" zum Einsatz gebracht werden. Hersteller ist eine Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.

Der Marschflugkörper "Taurus" ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel entwickelten britisch-französischen Marschflugkörpern "Storm Shadow" und "Scalp".

Mit Informationen von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio und der Nachrichtenagentur dpa.

Andreas Reuter, ARD Berlin, tagesschau, 22.02.2024 08:58 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 20. Februar 2024 um 22:15 Uhr.