Die von der Flut zerstörte Rathausstraße in Stolberg.

Konferenz der Innenminister Vorbereitungen für den Ernstfall

Stand: 01.06.2022 14:16 Uhr

Ob Hochwasser oder Cyberattacken: Künftig sollen Experten in einem "Kompetenzzentrum" Gefahrenlagen besser einschätzen. Bei der Innenministerkonferenz geht es auch ums Geld.

Von Michael Stempfle, ARD Berlin

Die Innenminister der Länder fordern rund zehn Milliarden Euro vom Bund für den Zivilschutz. Die Forderung stammt ursprünglich vom niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius und wird nun vom Gastgeber der Innenministerkonferenz Joachim Herrmann aufgegriffen. Außerdem soll das sogenannte Gemeinsame Kompentenzzentrum Bevölkerungsschutz eingeweiht werden, das zum Beispiel im Falle von Katastrophen die Zusammenarbeit der zuständigen Akteure koordinieren soll.

Mehr Cyberattacken

Die Innenminister der Länder müssen bei ihrer halbjährlichen Konferenz alle möglichen Bedrohungsszenarien durchdenken. Dazu zählt in diesem Jahr auch die Frage: Wie reagiert Russland auf die geplante Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine? Außen-Experten wie Roderich Kiesewetter von der CDU rechnen mit einer Zunahme an Cyberangriffen.

Vorbereitung statt Panik

Aus Sicht von Niedersachsens Innenminister Pistorius ist es erforderlich, "alle Aufgaben der Zivilen Verteidigung vor dem Hintergrund der neuen Sicherheitslage zu bewerten und die notwendigen Vorkehrungen zu treffen". Damit meint er zum Beispiel die Vorbereitung auf Cyberattacken, auf mögliche Ausfälle der Kritischen Infrastrukturen - also etwa bei Krankenhäusern oder bei Bahnstrecken - sowie den Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Gefahren. "Allerdings sollten wir nicht den Fehler machen, in Panik zu verfallen", so der SPD-Politiker.

Kompetenzzentrum in Bonn

Um auf den Extremfall vorbereitet zu sein, wollen die Innenminister auch Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Vor allem aus der Hochwasser-Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vor knapp einem Jahr. Mehr als 180 Menschen starben.

Im Nachhinein ist klar: Das Krisenmanagement vor Ort hat versagt. Die Innenminister setzen künftig auf das sogenannte Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz, das beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn angesiedelt sein wird. Vereinfacht ausgedrückt sollen Experten verschiedener Fachdisziplinen Gefahren frühzeitig erkennen und Informationen austauschen.

Die Entscheidung würden jedoch auch weiterhin von den Verantwortlichen vor Ort getroffen, so der sächsische Innenminister Armin Schuster von der CDU.

Relevante Lagen

Das Kompetenzzentrum befasse sich nicht nur mit Naturkatastrophen, sondern mit allen für den Zivil- und Katastrophenschutz relevanten Lagen, so Pistorius. "Dabei kann es sich um technische Unfälle handeln, zum Beispiel in Kernkraftwerken, oder auch um kriegerische Auseinandersetzungen, wie aktuell in der Ukraine, und deren Auswirkungen hier in Deutschland handeln. Die gewonnenen Ergebnisse werden in einem sogenannten 360°-Lagebild zusammengefasst und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt", so Pistorius.

Dadurch werde das Risiko, dass ein wichtiger Faktor unberücksichtigt bleibt, erheblich minimiert. Bund und Länder könnten von Anfang an gemeinsam eine Bewertung der Lage vornehmen. In der Folge könnten die nötigen Schritte einleitet werden, so zumindest die Theorie. Dabei könne es sich nach Ansicht von Pistorius zum Beispiel um einen koordinierten Einsatz von Warnmitteln - von Sirenen über Radiodurchsagen bis hin zu Apps - handeln, mit dem die Bevölkerung dazu aufgerufen wird, sich in Sicherheit zu bringen.

Zehn Milliarden vom Bund

Das Beispiel zeigt, dass auf die Länder hohe Kosten zukommen. Dafür wollen sie zehn Milliarden Euro vom Bund - und zwar nicht nur für ein besseres Warnsystem durch Sirenen, so der bayerische Innenminister Herrmann, sondern für den Zivilschutz insgesamt. Es müssten künftig zum Beispiel auch Nationale Reserven aufgebaut werden, insbesondere Notstrom-Reserven - im Falle von langanhaltenden Stromausfällen, so der CSU-Politiker.

Grünen fordern Geld für Cybersicherheit

Die Grünen hatten sich in den vergangenen Monaten dafür ausgesprochen, das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro nicht ausschließlich in eine bessere Ausstattung der Bundeswehr zu investieren, sondern teilweise auch für eine bessere Abwehr von Cyberattacken. Zwar konnten sie sich damit nicht durchsetzen, dennoch ist ihre innenpolitische Sprecherin Lamya Kaddor "sehr froh, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun angekündigt hat, über den Sommer eine Strategie zur Stärkung der Cybersicherheit zu entwickeln."

Die finanziellen Forderungen der Grünen scheinen allerdings noch höher zu liegen als bei den Innenministern der Länder: Allein für die Cybersicherheit werde es einen zweistelligen Milliardenbetrag brauchen, schätzt Kaddor. Von Finanzminister Christian Lindner erwarte sie "Bewegung in den Haushaltsverhandlungen", so die Grünen-Politikerin.

FDP fordert Reformwillen

Das könnte noch harte Verhandlungen geben, denn die FDP warnt vor noch höheren Schulden und fordert mehr Reformwillen. Der innenpolitische Sprecher der FDP Manuel Höferlin nennt ein Beispiel: "Anstatt zum Beispiel einfach neue Hubschrauber für den Katastrophenschutz anzuschaffen, könnten Hubschrauber der Polizei zusätzlich mit Seilwinden zur Rettung von Menschen ausgestattet werden."

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 01. Juni 2022 um 14:36 Uhr.