Aus einem Geldbeutel stehen 300 Euro in Bargeld heraus.

Beratungen zu Entlastungen Was die Länder fordern

Stand: 28.09.2022 10:59 Uhr

Wenn die Länderchefs und -chefinnen nachher über die geplanten milliardenschweren Entlastungen beraten, ist eine zentrale Person nicht dabei: Kanzler Scholz. Dass sie sich trotz der Absage treffen, zeigt: Es hat sich Ärger angestaut.

Natürlich geht es ums Geld. 65 Milliarden Euro schwer soll das dritte Entlastungspaket des Bundes sein, das Kanzler Olaf Scholz und seine Ampel-Regierung Anfang September vorgestellt haben. Dazu zählen Einmalzahlungen für Rentner und Studierende, höheres Wohngeld, ein Preisdeckel für einen Grundbedarf an Strom, ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets. Der Haken aus Sicht der Länder: Sie sollen einen Großteil der Kosten schultern und kritisieren den Stil der Ampel-Koalition, da sie sich nur unzureichend in die Beratungen eingebunden fühlten. Der Unmut war entsprechend groß. Einzelne Länder drohen bereits damit, das Entlastungspaket im Bundesrat scheitern zu lassen.

Tom Garus, ARD Berlin, zu den Beratungen der Ministerpräsidenten über Entlastungspakete

tagesschau 17:00 Uhr

Heute wollten sie eigentlich ihrem Ärger Luft machen und zusammen mit dem Kanzler nach konkreten Lösungen des Finanzierungsproblems suchen. Denn das Entlastungspaket, auf das viele Menschen in Zeiten horrender Energiekosten und hoher Lebensmittelpreise dringend angewiesen sind, wirklich scheitern zu lassen, das will im Grunde niemand. Nun treffen sie sich ohne Kanzler, vermutlich auch, um sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen.

Zwischen Versöhnung und Krawall

"Wir strecken dem Bund die Hand aus", signalisierte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen, vor dem Treffen in der ARD. Nötig seien schnell substanzielle Entlastungen, damit im Winter mit steigenden Preisen die schlimmsten soziale Härten spürbar abgemildert werden könnten, so der CDU-Politiker. Er hoffe, dass die rot-gelb-grüne Bundesregierung ihren internen Streit rechtzeitig beende, "damit wir gemeinsam wirksam helfen können".

Wüst spielte damit auf das Gezerre innerhalb der Ampel-Koalition um die Gasumlage und den Clinch besonders zwischen den Ministerkollegen Robert Habeck und Christian Lindner an. Statt der Umlage dürfte es nun auf einen Gaspreisdeckel hinauslaufen, um Menschen und mittelständische Unternehmen zu entlasten. Die Finanzierung? Auch hier noch unklar. Schuldenbremse erneut aussetzen, Sondervermögen ...

Was ist "fair"?

Auch bei den Beratungen der Länder geht's um viel Geld beziehungsweise die Frage, wer die angekündigten Entlastungen bezahlen soll. "Bei der Finanzierung des Pakets muss es zu einer fairen Lastenverteilung kommen, damit Länder und Kommunen vor Ort ihrer eigenen Verantwortung in dieser Krise gerecht werden können", sagte Wüst der Nachrichtenagentur dpa.

Die Lastenteilung sei sowohl bei der geplanten Erhöhung und Ausweitung des Wohngelds konkret zu klären als auch beim Mehrbedarf der Krankenhäuser infolge steigender Energie- und Sachkosten. Das gelte auch für eine "klare Verbindlichkeit" bei dem von der Bundesregierung im vergangenen Jahr zugesagten Ausbau der Regionalisierungsmittel für Busse und Bahnen ebenso wie für die Finanzierung der Flüchtlingskosten. Die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine seien vor Ort vielfältig spürbar. "Eine faire Teilung der Lasten sind wir daher nicht zuletzt den Städten, Gemeinden und Kreisen vor Ort schuldig", mahnte der MPK-Vorsitzende.

Die Länder sehen vornehmlich den Bund in der Pflicht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, die Bundesregierung müsse die Länder an anderer Stelle finanziell viel stärker unterstützen, wenn sie das Paket mittragen sollten. "Wo es da dringend Bewegung vom Bund braucht, und zwar richtig, das sind die Regionalisierungsmittel, das Wohngeld, die Krankenhausfinanzierung und die flüchtlingsbezogenen Kosten." Der Grünen-Politiker dringt zudem darauf, dass der Rettungsschirm des Bundes ausgeweitet wird für kleine und mittlere Unternehmen, deren Existenz durch die Energiekrise gefährdet ist.

Zu langsam?

Laut Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer wollen die Länder mit einem mit Kommunen und Wirtschaft abgestimmten Maßnahmenpaket ins Treffen mit dem Bundeskanzler gehen. "Unser Vorschlag sind nicht einzelne Projekte und Programme der Entlastung, sondern in der Tat ein Preisdeckel für Energie, vor allem für Gas", sagte der CDU-Politiker. Andere Länder in Europa hätten schon Preisdeckel organisiert. Aus Sicht der betroffenen Bürger dauerten die Entscheidungen der Bundesregierung zu lange, das derzeitige Handeln hinterlasse "einen klaren Eindruck von Ignoranz".

"Wir strecken dem Bund die Hand aus", Hendrik Wüst, CDU, Ministerpräsident NRW, über MPK-Konferenz zu Entlastungspaketen

Morgenmagazin

Auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil drängt zur Eile. In seinem Bundesland steht in elf Tagen eine Landtagswahl an, der SPD-Politiker will die Staatskanzlei verteidigen. Noch vor der Einigung der Bundesregierung legte er ein eigenes Modell für eine Gaspreisbremse vor. Schnelle Lösungen seien "überfällig", sagte er, wohlwissend, dass es die Ampel in Berlin ist, die über eine Gaspreisbremse entscheidet.

Ein Energiepreisdeckel?

Aus den ebenfalls SPD-geführten Ländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern kommt der Ruf nach einem Energiepreisdeckel. Der solle nicht nur Strom, sondern auch Gas und Wärme umfassen, so Berlins Regierende Bürgermeistern Franziska Giffey im rbb. Der Bund solle die Preise für Energie deckeln, das könnten die Länder nicht allein gewährleisten. Wegen der hohen Kosten müsse dafür die Schuldenbremse ausgesetzt werden.

Giffeys Amtskollegin aus dem Nordosten, Manuela Schwesig, setzte zudem eine Frist: Noch in dieser Woche solle der Bund einen auf bis zu zwei Jahre befristeten Energiepreisdeckel mit den Ländern verabreden. Damit will Schwesig Planungssicherheit und Bezahlbarkeit sicherstellen.

Fundamentalkritik aus Bayern

Wenig versöhnliche Töne Richtung Bund kommen aus Bayern. Er sei "enttäuscht" von der gesamten Bundesregierung bisher, sagte Markus Söder dem Bayerischen Rundfunk. Das Konzept des Bundes zu den Entlastungen sei "länderunfreundlich wie nie, überhaupt nicht kooperativ". Angesichts der Krise sei das der völlig falsche Ansatz. "Der Bund macht Rechnungen, bezahlt sie aber nicht, sondern schickt sie den Ländern", sagte der CSU-Politiker. Er forderte unter anderem ein Ende der Gasumlage und mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr.

Die Länder wollen das Ergebnis ihrer Beratungen am Nachmittag vorstellen. Im Kanzleramt dürfte man dies interessiert zur Kenntnis nehmen. Nächste Woche Dienstag wollen sich Länder und Bund dann zusammensetzen. Bis dahin sollte Scholz seine Corona-Infektion überwunden haben und - noch wichtiger - im Hintergrund Gespräche mit den Ländern über die Kostenverteilung geführt worden sein. Damit am Dienstag auch konkrete Ergebnisse verkündet werden können.

Jan Zimmermann, Jan Zimmermann, ARD Berlin, 27.09.2022 19:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. September 2022 um 10:00 Uhr.