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DJV-Chef zur rbb-Krise "Ein einzigartiger Vorgang"

Stand: 20.08.2022 20:27 Uhr

Dass die ARD der rbb-Leitung das Vertrauen entzieht, sei ein "einzigartiger Vorgang", sagt der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, Frank Überall im Interview mit tagesschau24. Er rechnet nun mit weiteren Rücktritten.

tagesschau24: Wie bewerten Sie die Distanzierung des ARD-Vorsitzenden Buhrow?

Frank Überall: Das ist ein einzigartiger Vorgang, den wir so noch nie erlebt haben: Dass die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland, die ARD, sich von einem ihrer Mitglieder distanziert. Das ist wirklich einzigartig. Und es zeigt auch die Not, in der man insgesamt als ARD und öffentlich-rechtlicher Rundfunk jetzt ist. Ich denke, es ist der Versuch eines Befreiungsschlags. Und es liegt jetzt am rbb, ob der tatsächlich gelingt.

DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall
Zur Person

Frank Überall ist seit 2015 Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er lehrt zudem als Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln Journalismus und Politikwissenschaft.

"Es muss jetzt umfassend aufgeklärt werden"

tagesschau24: Nun kann man niemandem zum Rücktritt zwingen. Sollte der rbb weitere personelle Konsequenzen ziehen?

Überall: Ich denke, eigentlich bleibt ihnen gar nicht mehr viel anderes übrig. Wir haben erlebt, dass es Wut, dass es Scham gibt bei den Kolleginnen und Kollegen, bei den journalistischen Mitarbeitenden beim rbb. Das muss aufhören. Es muss jetzt umfassend aufgeklärt werden - da sind wir auf einem guten Weg.

Aber offensichtlich hat man intern festgestellt, dass dieser Weg noch nicht energisch genug beschritten wird. Die Forderung, die jetzt im Raum steht, ist nicht alleine eine Forderung des WDR-Intendanten und amtierenden ARD-Vorsitzenden Buhrow, sondern er hat extra betont, dass alle Intendantinnen und Intendanten hinter diesem Appell stehen. Dass dann ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft da ausscheren sollte und dem überhaupt nicht folgt - das kann, nein, das will ich mir gar nicht vorstellen.

tagesschau24: Bei der Erklärung der Intendanten werden keine Einzelheiten genannt. Was läuft denn aus Ihrer Sicht bisher schief?

Überall: Es scheint so, dass auch dieses Gremium der ARD-Intendantinnen und Intendanten Neuigkeiten immer nur aus den Medien erfahren hat. Dass man erwartet hatte, dass diese Aufklärung auch intern gegenüber den Schwestersendern zügiger, intensiver und vertrauenswürdiger gemacht würde. Dieses Vertrauen scheint verspielt zu sein und da hat man jetzt ein klares Zeichen gesetzt.

Frank Überall, Vorsitzender Dt. Journalisten-Verband, zum rbb-Skandal

tagesschau24 18:00 Uhr

War Aufsichtsgremien juristische Tragweite nicht klar?

tagesschau24: Schauen wir noch einmal auf eines der Grundprobleme: Es gab offensichtlich ein Versagen der Kontrollinstanzen, allen voran des Verwaltungsrats. Lag das an der Struktur oder an Personen, wie etwa Wolf-Dieter Wolf?

Überall: Ich denke, es liegt vor allem an Personen, die möglicherweise unkundig waren, die möglicherweise aber auch vorsätzlich gehandelt haben und die vor allem rechtlich sehr, sehr schlecht beraten waren. Auch die Aufsichtsgremien.

Man muss sich bewusst machen, dass Funktionsträgerinnen und Funktionsträger im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im strafrechtlichen Sinne sogenannte Amtsträger sind. Das heißt, es gelten für sie die strengen Strafvorschriften - zum Beispiel bei Korruptions- oder Untreue-Delikten - wie für Beamtinnen und Beamte. Ob ich einen Polizeibeamten besteche oder ob ich eine Intendantin besteche, ist strafrechtlich das Gleiche und wird härter bestraft als in der freien Wirtschaft.

Da gibt es viele Regeln - der Vorteilsannahme etwa, also ohne Gegenleistung und damit keine klare Bestechlichkeit, kann man sich in der freien Wirtschaft gar nicht schuldig machen. Das geht nur als Amtsträger. Ich glaube, das hatte man in weiten Teilen nicht auf dem Plan. Man wollte sich anscheinend damit nicht beschäftigen. Da hat sich möglicherweise ein System verselbstständigt, denn wir sehen jetzt, dass es wahrscheinlich nicht nur um Vorwürfe gegen die Intendantin selbst geht. Ansonsten hätte man eine so weitreichende Rücktrittsforderung der ARD jetzt sicherlich nicht ausgesprochen.

Überall: Affäre wird auch instrumentalisiert

tagesschau24: Ist das nur ein rbb- oder ein ARD-Problem?

Überall: Mir liegen keine Verdachtsmomente aus irgendeiner anderen Anstalt der ARD vor oder auch anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten wie ZDF oder Deutschlandradio. Das scheint hier tatsächlich ein personelles, konkretes rbb-Problem zu sein.

Aber ja, um dauerhaft die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, müssen wir in der ganzen ARD, im ganzen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Prozesse und Strukturen schaffen, die da wirklich zweifelsfrei sind. Denn Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut - dass wir Nachrichtensendungen machen, dass wir berichten, dafür brauchen wir Glaubwürdigkeit.

Von interessierter Seite wird diese Affäre nun auch instrumentalisiert, um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaden. Die Vorwürfe müssen deswegen ganz besonders schnell und ganz besonders gründlich aufgeklärt werden und vermieden werden, dass so etwas noch einmal passieren kann.

Das Interview führte Michail Paweletz für tagesschau24.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. August 2022 um 20:00 Uhr.