Demonstration von Fridays for Future in Hamburg (Archivbild vom 23.09.2022)
interview

"Fridays for Future" "Niemandem in der Klimabewegung ist nach Feiern zumute"

Stand: 08.08.2023 15:49 Uhr

Seit fünf Jahren gibt es "Fridays for Future". Man habe viel erreicht, sagt Sprecherin Brünger - und zugleich nicht genug. Im Interview mit tagesschau24 äußert sie sich auch zur "Letzten Generation".

tagesschau24: Zuletzt ist es um "Fridays for Future" medial relativ still geworden, was vielleicht ein bisschen an der Konkurrenz liegen könnte: Die "Letzte Generation" sorgt immer wieder für Aufruhr. Stehlen die Ihnen gerade die Show? 

Pauline Brünger: "Fridays for Future" schafft es immer noch, mehrmals im Jahr Hunderttausende Menschen auf die Straße zu bringen. Und ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir weiter an dieser Strategie festhalten. Die Breite der Gesellschaft sichtbar zu machen, die gerade für den Klimaschutz ist, was auch neueste Umfragen mal wieder gezeigt haben.

Für uns ist es da besonders wichtig, dass wirklich jeder, der sich gerade bei der Untätigkeit der Regierung und bei diesem eskalierenden Hitzesommer Sorgen macht, politisch aktiv wird und mit "Fridays for Future" auf die Straße geht. Egal, was man von den "Klimaklebern" hält und ob man mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zur Arbeit fährt. 

"Hängen hinterher", Pauline Brünger, Sprecherin "Fridays for Future", zum Sommerkongress

tagesschau24, 08.08.2023 12:00 Uhr

tagesschau24: Was halten Sie denn von den "Klimaklebern"? 

Brünger: Mich macht das ehrlicherweise total traurig, dass junge Menschen so verzweifelt sind, dass sie glauben, sich auf die Straße zu kleben, ist das letzte Mittel für den Klimaschutz. Ich sehe das auch als ein politisches Versagen, dass wir nach fünf Jahren "Fridays for Future", nach fünf Jahren jugendlichem Klimaprotest, immer noch so weit vom 1,5 Grad Ziel entfernt sind, wir alle unsere internationalen Verpflichtungen nicht einhalten und die Ampelregierung sich im Kleinklein verliert und die Menschen verunsichert, statt mutige Schritte in die richtige Richtung zu gehen.

Ich glaube, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dem etwas entgegenzusetzen und politischen Druck zu erzeugen, der dafür sorgt, dass es zu diesem Wandel kommt.

"Wir machen nicht die gleichen Aktionsformen"

tagesschau24: Zerstört die "Letzte Generation" vielleicht auch das Image von "Fridays for Future"? 

Brünger: "Fridays für Future" und die "Letzte Generation" sind unterschiedliche Organisationen. Wir machen nicht die gleichen Aktionsformen, sondern das, was "Fridays for Future" macht, ist, dass wir großen Massenprotest, also Demonstrationen, friedlich auf die Straße bringen.

Wenn wir wollen, dass das funktioniert, geht es damit, dass wirklich sehr viele Menschen nicht nur erkennen, dass gerade was schiefläuft, sondern dass viele Menschen auch konkret die Transformation unterstützen. Ich glaube, dass es darauf sehr gute Antworten gibt, indem wir jetzt zum Beispiel vom Staat einfordern, massive öffentliche Investitionen zu tätigen, die am Ende dafür sorgen, dass wir nicht nur das Klima durch einen besser ausgebauten ÖPNV schützen, sondern auch mehr Menschen Zugang zu Mobilität haben, dass unsere Städte sauberer werden und auch die Luft, dass es gute und sichere Klimajobs gibt.

Da gibt es ganz schön viel zu gewinnen und ich denke, dass es uns allen gut tun würde, wenn wir wieder den Fokus darauf legen und uns auf das einigen, was wir alle denken. Und zwar, dass es im Klimaschutz gerade nicht schnell genug geht. 

"Fridays for Future" diskutiert beim Sommerkongress in Lüneburg über Strategien für Klimaschutz

Johannes Koch, NDR, tagesschau, 08.08.2023 12:00 Uhr

tagesschau24: Jetzt sind sie aber schon seit Jahren dabei, mit vielen großen Demos, die zuletzt ja auch eine wachsende Anhängerschaft hatten. Aber hat das schon genug gebracht?

Brünger: Es ist eine total schwierige Situation. Wir haben natürlich gesehen, dass der Protest von "Fridays for Future" Sprünge in der Klimapolitik verursacht hat, die vorher überhaupt nicht vorstellbar waren. Also wirklich gigantische Erfolge. Und wenn man das Ganze dann mit den eigentlichen Ansprüchen an Klimaschutz vergleicht, hängen wir natürlich trotzdem total hinterher. Und da ist wahrscheinlich gerade auch niemandem in der Klimabewegung, die eigentlich viel erreicht hat, gerade nach großem Feiern zumute.

Ich glaube schon, dass wir uns deswegen natürlich fragen müssen: Wie sehen zukünftige Strategien aus? Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass wir gesellschaftlich anerkennen, dass nicht ein paar Kinder und Jugendliche das Problem für uns lösen werden. Wir geben unser Bestes, aber am Ende braucht es natürlich Menschen von überall, mit unterschiedlichen Überzeugungen, mit unterschiedlichen Ideen und Ansätzen, die das in die Hand nehmen. Denn die Zeit ist verdammt knapp.

"Wir hinken massiv hinterher"

tageschau24: Jetzt haben wir ja die Grünen in der Bundesregierung, was sie ja vermutlich anfangs auch gefreut hat. Aber die zerstreitet sich jetzt an vielen Themen im Kleinklein. Hat die Bundesregierung das Thema Klimaschutz noch weit genug oben auf der Agenda? 

Brünger: Ich glaube zu sagen, dass Klimaschutz gerade ausreichend priorisiert wird, wäre eine komplette Fehleinschätzung der Lage, weil wir gerade wirklich massiv hinterherhinken mit dem, was passieren müsste. Die andere Regierung ist angetreten mit einem Fortschrittsversprechen. Und ich glaube, dass es auch viele Menschen gab, die darauf gehofft haben, dass das eingelöst wird. Mittlerweile wissen wir, dass das nicht der Fall ist.

Man hat jetzt lange keinen Klimaschutz gemacht - mit der Erklärung, dass das mit dem sozialen Zusammenhalt nicht funktionieren würde. Jetzt sehen wir, dass die Regierung selber die sozialen Ausgaben massiv kürzt, das Problem damit selber befeuert und es überhaupt nicht schafft, richtige Lösungen für die soziale Krise und richtige Lösungen für die Klimakrise zu finden.

Da müssen wir dann, glaube ich, ansetzen und genau diese Fehler aufzeigen. Aber auch immer sagen, dass es besser geht und dass es dafür Lösungen gibt. Wenn die Menschen sich zusammentun und dafür eintreten.

Das Gespräch führte André Schünke für tagesschau24. Für die schriftliche Version wurde es redigiert und gekürzt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 08. August 2023 um 12:00 Uhr.