Ein Forscher von Eli-Lilly testet in einem Labor in Indianapolis mögliche Covid-19-Antikörper.
FAQ

Kampf gegen Corona-Infektion Was bringen Antikörper-Medikamente?

Stand: 25.01.2021 18:34 Uhr

Für 400 Millionen Euro kauft Deutschland noch nicht zugelassene Antikörper-Medikamente, darunter ein Mittel, das Ex-Präsident Trump als "Wunder" pries. Wie wirkt die Therapie gegen Covid-19 - und was kann sie nicht?

Von (Mit Informationen von Anja Martini, tagesschau.de sowie dpa, AFP)

Was hat Minister Spahn eingekauft?

Die Bundesregierung hat für Deutschland 200.000 Dosen von zwei Antikörper-Mitteln für 400 Millionen Euro gekauft. Laut Bundesgesundheitsministerium handelt es sich um REGN-COV2 sowie das Mittel Bamlavinimab des US-Pharmakonzerns Eli Lilly. Beide haben in den USA bereits eine Notfallzulassung erhalten, in der EU sind sie bislang nicht zugelassen. Gesundheitsminister Jens Spahn zufolge sollen die sogenannten monoklonalen Antikörper ab nächster Woche in Deutschland als erstem Land in der EU eingesetzt werden. Weil die Mittel bislang nicht zugelassen sind, dürfen sie nur in Universitätskliniken unter strenger Kontrolle Patienten verabreicht werden.

Was sind das für Antikörper?

Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt und sollen das Virus nach einer Infektion außer Gefecht setzen. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen. Im Unterschied dazu bildet der menschliche Körper nach einer Impfung einen Mix an Antikörpern, die an das Virus an verschiedenen Stellen binden können. Fachleute sprechen in diesem Fall von polyklonalen Antikörpern.

Welche Mittel sind in den USA bereits im Einsatz?

Das Mittel REGN-COV2 der US-Firma Regeneron ist eine Kombination aus zwei monoklonalen Antikörpern, Casirivimab und Imdevimab, die sich an das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus binden und so dessen Struktur deformieren können. Die Antikörper sollen das Vordringen der Viren in die menschlichen Zellen und ihre Vermehrung bremsen. Die Kombination von zwei Antikörper hat den Vorteil, dass das Medikament eine bessere Chance hat, auch im Falle einer Mutation noch zu wirken, beziehungsweise die Dominanz eines mutierten Virus verhindern kann.

Der Vorteil der Mischung sei, dass so die Wahrscheinlichkeit steige, dass mindestens ein Antikörper bei jeder speziellen Anwendung auch wirklich wirksam sein könne, erklärte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast "Coronavirus-Update". Das Mittel der US-Firma Eli Lilly enthält im Gegensatz dazu nur einen monoklonalen Antikörper.

Für welche Patienten sind die Medikamente gedacht?

Beide Mittel dürfen in den USA zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden, bei denen das Risiko besteht, dass sie schwere Covid-19-Symptome entwickeln. Die Medikamente können laut der US-Arzneimittelbehörde FDA die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs senken. Patienten, die sich im Krankenhaus befinden oder Sauerstoff benötigen, dürfen das Medikament nicht bekommen.

Eine Pflegekraft betreut im besonders geschützten Teil der Intensivstation des Universitätsklinikums Greifswald einen Corona-Patienten.

Patienten, die bereits schwer an Covid-19 erkrankt sind, dürfen die Antikörper-Mittel nicht bekommen.

Am stärksten profitierten Regeneron zufolge Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper gegen das Virus gebildet hatte. Innerhalb der ersten zehn Tage nach einer Infektion habe es in Studien die besten Ergebnisse gegeben, sagte FDA-Chef Stephen Hahn. Es gebe aber insgesamt noch nicht ausreichend Daten, sagen viele Wissenschaftler. Auch in Deutschland sollen die Mittel erwachsenen Patienten mit milden oder moderaten Symptomen und einem Risiko für schwere Verläufe zugute kommen.

Wie wirken diese Antikörper gegen Covid-19?

Die Antikörper sollen verhindern, dass das Virus in die Zelle eintreten kann. Die Behandlung führt Regeneron zufolge zu einer Reduzierung der Viruslast, also der Menge an nachweisbaren Viren, und zu einem rascheren Abklingen der Symptome.

Welche Studienergebnisse gibt es?

Derzeit wird das Mittel in einer Phase-II/III-Studie mit ambulant behandelten Patienten erprobt. Auch bei hospitalisierten Covid-19-Patienten zeigte REGN-COV2 laut dem Verband forschender Arzneimittelhersteller antivirale Effekte. Außerdem läuft eine Phase-III-Studie, in der es Freiwillige zur Prävention erhalten. Bereits sein dem vergangenen Sommer arbeitet Regeneron mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche zusammen, der das Mittel nach einer Zulassung in Europa vertreiben will.

Nach einer Bewertung des für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) steht demnach einer Anwendung nach individueller Nutzen-Risiko-Einschätzung grundsätzlich nichts im Wege. Behandelt könnten "in bestimmten einzelnen Fällen" an Covid-19 erkrankte Erwachsene mit milden oder moderaten Symptomen und Risiko für schwere Verläufe. 

Auch eine Fachgruppe am Robert Koch-Institut befasste sich im Dezember mit REGN-COV2 und kam zu dem Schluss, dass das Mittel im Rahmen von kontrollierten klinischen Prüfungen eingesetzt werden kann. Es sei eine "vielversprechende Therapieoption" in der frühen Phase einer Coronavirus-Infektion und komme auch als Prophylaxe nach Kontakt mit dem Erreger in Frage.

Was hat der ehemalige US-Präsident Trump damit zu tun?

Nachdem sich Trump im Oktober mit dem Coronavirus infiziert hatte, wurde er - unter anderem - mit dem Antikörper-Cocktail von Regeneron behandelt. Zum damaligen Zeitpunkt war das Mittel in den USA noch nicht zugelassen. Nach seiner vergleichsweise raschen Genesung bezeichnete Trump den Cocktail öffentlich als "Wunder" und "Heilmittel" und versprach, es in kürzester Zeit weitreichend verfügbar machen zu wollen. Viele Forscher waren allerdings deutlich skeptischer. Unter anderem weil sich gezeigt hatte, dass die Antikörper bei einer fortgeschrittenen Covid-19-Erkrankung wohl nicht wirklich helfen können.

Was ist über Nebenwirkungen bekannt?

In einer klinischen Studie gab es bei Patienten, die mit dem Regeneron-Mittel behandelt wurden, keine gehäuften schweren Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Die FDA weist aber darauf hin, dass es ein gewisses Potenzial unter anderem für schwere Überempfindlichkeitsreaktionen bei den beiden eingesetzten Antikörpern gibt. Zudem würden sie immer noch untersucht, bestimmte Risiken könnten deshalb noch gar nicht bekannt sein. Bei dem Mittel von Eli Lilly traten bei Studien laut FDA in zwei von 850 Fällen schwerere Nebenwirkungen auf. Auch hier seien möglicherweise manche Nebenwirkungen noch gar nicht bekannt.

Welche Kliniken in Deutschland bekommen die Medikamente?

Das Bundesgesundheitsministerium hat verschiedenen Universitätskliniken in Deutschland informiert, dass sie in den kommenden Tagen das Medikament erhalten. Auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wird die zwei vom Bund gekauften neuen Corona-Antikörper-Medikamente einsetzen. Das sagte die Leiterin der Infektiologie Marylyn Addo gegenüber dem NDR. Es sei angekündigt, dass die Medikamente in den nächsten Wochen im UKE ankommen werden. Wie viele Dosen und wann genau sei bislang noch unklar, so Addo. Auch das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München wartet nach Angaben des Infektiologen Christoph Spinner auf die Medikamente.

Sind Antikörper-Mittel ein Ausweg aus der Krise?

Experten, wie Infektiologin Addo warnen vor zu hohen Erwartungen. "Die Daten sind vielversprechend, aber momentan geht keiner in der Expertengemeinschaft davon aus, dass das nun das Medikament ist, dass den Schalter in der Pandemie umlegt." Das Arzneimittel könne ein weiterer Baustein sein in der Bekämpfung der Pandemie und vielleicht für bestimmte Patienten geeignet sein, aber das müsse nun noch genauer erarbeitet werden. 

Wann könnte es für die Mittel eine Zulassung auch in Europa geben?

Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA läuft bislang kein Zulassungsprozess für eine solche Antikörper-Behandlung, wie aus Angaben auf der Behörden-Webseite hervorgeht. Regeneron plant aber, gemeinsam mit dem Pharmakonzern Roche als Partner, auch in der EU Zulassungen zu beantragen, wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte. Eli Lilly und andere Firmen dürften folgen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 25. Januar 2021 um 11:39 Uhr.