Valerie Fischer
Mittendrin

Schutz für Zugpersonal Ticketkontrolle mit Bodycam

Stand: 26.04.2023 14:44 Uhr

Zugbegleiter und Zugbegleiterinnen bekommen immer öfter den Frust von Bahnreisenden ab - und häufig bleibt es nicht bei Worten. Testweise setzt die Bahn nun Bodycams ein - können sie für mehr Schutz sorgen?

Von Jens Paul, SWR

"Hier noch jemand zugestiegen? Die Fahrscheine bitte": Valerie Fischer macht seinen Job mit viel Routine, seit mehr als 30 Jahren arbeitet er bei der Deutschen Bahn. Angefangen hat er als Gleisbauer, jetzt ist er Zugbegleiter.

Heute fährt er mit dem Schwarzwaldexpress zwischen Offenburg und Karlsruhe. Eine knappe Stunde dauert die Fahrt. In der Zeit läuft Fischer durch die fünf Waggons und kontrolliert die Tickets. Er ist für den Zug verantwortlich und bei Konflikten auf sich allein gestellt. Und die gibt es immer öfter. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn werden immer häufiger angegriffen. Mehr als 3000 Angriffe auf Bahnpersonal gab es 2022, rund 21 Prozent mehr als im Vorjahr.

"Da war ich auch kurz weg"

Oft bleibt es nicht bei Worten, die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter werden auch körperlich attackiert. Auch Fischer hat das schon erlebt: "Ein Fahrgast hat mich gezogen und auf einen Sitz geschmissen. Da war ich auch kurz weg. Das war schon grausam."

Deshalb testet die Deutsche Bahn auf der Schwarzwaldstrecke bis Ende des Jahres den Einsatz von Bodycams - um ihr Personal zu schützen. Fischer trägt heute eine solche Bodycam. Vor Schichtbeginn hat er sie abgeholt, jetzt hängt sie beim 64-Jährigen auf Brusthöhe in einer Halterung.

Auf einem kleinen Bildschirm können die Fahrgäste erkennen, welchen Ausschnitt die Kamera einfängt. Die Aufzeichnung beginnt aber erst, wenn Fischer in eine bedrohliche Situation kommt und er einen Knopf auf der Seite drückt. "Wenn es eskaliert, dann sage ich zum Fahrgast: Ich mache ein Video. Vorher darf ich die Kamera nicht einschalten," erklärt der Zugbegleiter.

#mittendrin aus Offenburg: Zugbegleiter tragen probeweise Bodycams

tagesthemen, 25.04.2023 22:42 Uhr

Abschreckung und Beweismittel

Wenn es tatsächlich zu einem Angriff kommt, wird das Videomaterial automatisch an die Polizei geschickt. Diese kann das Material dann als Beweismittel nutzen, um Angreifer oder Angreiferinnen ausfindig zu machen. Aber so weit soll es möglichst gar nicht erst kommen: "Manchmal eskalieren Situationen aus dem Nichts heraus. Wenn die Leute dann aber die Kamera sehen, ziehen sie sich gleich zurück. So habe ich mehr Sicherheit", berichtet Fischer.

Die Bodycam trägt er nun seit über einem Monat und musste sie auch etliche Male einsetzen. So wie an diesem Tag: Zwei Frauen haben keinen gültigen Fahrschein dabei und wollen das fällige Bußgeld nicht bezahlen. Sie weigern sich, ihre Ausweise vorzuzeigen. Fischer bleibt keine andere Wahl: "Ich mache jetzt die Kamera an und werde sie aufzeichnen, okay? Ich darf das machen."

Doch dann geht es ganz schnell. Noch bevor der Zugbegleiter die Kamera auslöst, zeigen die beiden Frauen ihre Ausweise vor und akzeptieren das Bußgeld.

Valerie Fischer

Mit der Kamera fühlt sich Valerie Fischer sicherer.

Gewerkschaft fordert personelle Verstärkung

Reichen die Bodycams? "Wir dürfen die Leute nicht festhalten", erklärt Fischer. Das dürfe nur die Bundespolizei. Deshalb sei es so wichtig, mit der Bodycam Beweise aufzunehmen. Kollegen seien auch schon körperlich attackiert worden, erzählt er. "Ich ziehe mich immer zurück, so wie ich es gelernt habe." Oft eskaliere eine Situation innerhalb von Sekunden. Mit der Kamera fühle er sich in solchen Situationen jetzt sicherer.

Der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) reichen die Bodycams nicht aus. "Wenn eine Bodycam eingesetzt wird, braucht es auch einen zweiten Zugbegleiter oder Zugbegleiterin auf dem Zug", fordert Lutz Dächert von der GDL. Doch zusätzliche Kollegen oder Kolleginnen für Fischer sind erstmal nicht in Sicht. Deshalb würde er gerne seine Bodycam behalten.

Zwei Jahre hat Fischer noch bis zur Rente. Bis dahin hofft er, dass die Bodycams zum Standard für alle Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 25. April 2023 um 22:15 Uhr.