Teilnehmer sammeln sich zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen vor dem Brandenburger Tor in Berlin. (Archivbild)

Antisemitische Verschwörungsmythen Fachleute warnen vor Verharmlosung

Stand: 09.08.2021 12:17 Uhr

Experten warnen eindringlich vor einer Verharmlosung von Verschwörungsmythen. Eine vom AJC in Auftrag gegebene Untersuchung dokumentiert, wie in der Corona-Pandemie antisemitische Legenden verbreitet wurden.

Das American Jewish Committee (AJC) warnt davor, die Teilnehmer von Corona-Demonstrationen und die Proteste selbst zu unterschätzen. Der Direktor des AJC Berlin Ramer Institute, Remko Leemhuis, schreibt in einer vom AJC in Auftrag gegebenen Studie über Verschwörungsmythen: "Zweifellos waren einige der auf diesen Demonstrationen geäußerten Verschwörungsmythen derart grotesk, dass sie bei der Betrachterin und dem Betrachter eher Schmunzeln als Sorge ausgelöst haben."

Allerdings hätten etwa auch die Attentäter von Halle und Hanau solchen Erzählungen, die schon vor der Pandemie im Internet verbreitet wurden, angehangen.

Zwischen 17. März 2020 und 17. März 2021 erfasste der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias), der die Studie erstellt hat, 561 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Corona. Bei 57,7 Prozent sei es um antisemitische Äußerungen auf Demos und Versammlungen gegangen. 22,8 Prozent der Vorfälle seien online passiert.

"Trotz der Abwesenheit unmittelbarer Gewaltvorfälle handelt es sich bei diesen Vorfällen doch häufig um Situationen, die von Angesicht zu Angesicht stattfanden und konkrete Betroffene hatten", heißt es in der Studie. Die polizeiliche Kriminalstatistik weise im Kontext mit Corona-Protesten 225 antisemitisch motivierte Straftaten aus.

Dass an Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen neben Rechtsextremen auch Menschen jenseits dieses Spektrums teilgenommen und sich "am offensichtlichen Antisemitismus nicht gestört oder diesen sogar geteilt" hätten, unterstreiche, dass Judenfeindschaft ein Problem der gesamten Gesellschaft sei und sich nicht auf "antidemokratische Strömungen" reduzieren lasse, schreibt Leemhuis.

Er erinnert daran, dass staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht als "notwendige Regelungen zum Gesundheitsschutz" begriffen worden seien, sondern als "Verschwörung einer im Geheimen agierenden Elite, die damit finanzielle oder politische Ziele erreichen wollte".

In der Studie untersuchen Fachleute zudem die Bedeutung der QAnon-Verschwörungserzählung, die mittlerweile eine zentrale Bedeutung habe. Dabei wird die Frage diskutiert, ob es sich um ein Beispiel für einen neuartigen antisemitischen Verschwörungsmythos handelt.

Die Untersuchung gibt auch Ratschläge zum Umgang mit Menschen, die an solche Legenden glauben. Dazu gehört unter anderem, dass man sich Zeit für Diskussionen nimmt, ruhig bleibt und Quellen überprüft. Zudem solle man Fragen stellen, um Einblick in das Denken des Gegenübers zu bekommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. August 2021 um 13:00 Uhr.