
Mehr Infektionen erwartet Erste Corona-Regelungen für Herbst gebilligt
Die Regierung bereitet sich auf steigende Corona-Zahlen im Herbst vor. Das Kabinett billigte einen Entwurf des Gesundheitsministeriums, der unter anderem Mindeststandards für Pflegeheime und eine bessere Datenerfassung vorsieht.
Die Bundesregierung hat erste praktische Regelungen für den Corona-Kurs im Herbst auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte einen Entwurf des Gesundheitsministeriums, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Damit sollen unter anderem die Grundlage für weitere Impfungen, genauere Daten und verstärkten Schutz von Risikogruppen in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte diese Aspekte schon in einem Sieben-Punkte-Plan für den Herbst angekündigt. Noch nicht in dem Entwurf enthalten sind jedoch Regelungen zu möglichen weitergehenden Alltagsbeschränkungen im Infektionsschutzgesetz. Sie sollen im weiteren parlamentarischen Verfahren berücksichtigt werden.
Mindeststandards und bessere Datenerfassung
Konkret sollen demnach wohl unter anderem die Rechtsgrundlagen für Corona-Impfungen bis 30. April 2023 verlängert werden. Für Pflegeeinrichtungen sollen bundesweite Mindeststandards zur Infektionsprävention und Hygiene ermöglicht werden. Die Länder sollen regeln können, dass in Pflegeheimen etwa Hygienebeauftragte eingesetzt werden.
Um Engpässe in Kliniken früher zu erkennen, sollen laut dem Entwurf nicht nur für Intensivstationen, sondern künftig auch auf Normalstationen freie und belegte Betten erfasst und zentral gemeldet werden. Krankenhäuser sollen daher zu täglichen Meldungen verpflichtet werden. Angestrebt wird zudem eine aktuelle Vollerfassung von PCR-Tests - also aller Ergebnisse. Bisher besteht eine Meldepflicht nur für positive Tests.
Lauterbach drückt bei Schutzmaßnahmen aufs Tempo
Lauterbach setzt nun auf schnelle Verhandlungen in der Bundesregierung für ausreichende Corona-Schutzmaßnahmen für den Herbst. Die Verhandlungen zwischen ihm und Bundesjustizminister Marco Buschmann hätten begonnen, sagte Lauterbach nach der Entgegennahme eines Berichts über die Evaluierung der bisherigen Corona-Auflagen. "Wir arbeiten konstruktiv und sehr schnell in Vertraulichkeit, und wir müssen für den Herbst gut vorbereitet sein", so der SPD-Politiker.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten zu Recht, dass dann das komplette Instrumentarium zur Hand sei, um mit einer Herbstwelle umgehen zu können, "die ich als eine schwere Herbstwelle erwarte". Das Sachverständigengutachten bringe eine wichtige, wenn auch nicht die alleinige Perspektive.
Lauterbach sagte, der endemische Zustand sei noch nicht erreicht, also ein Zustand, in der das Virus dauerhaft vorhanden sei. In Deutschland gebe es derzeit eine "richtige Sommerwelle", so der Gesundheitsminister. "Die Sommerwelle wird sich wahrscheinlich nicht von selbst beenden."
Lauterbach: Bürgertests stehen weiter zur Verfügung
Trotz des Wirbels um die Abrechnung soll es nach Auskunft von Lauterbach weiter Corona-Bürgertests geben. Die Diskussionen änderten nichts daran, "dass die Bürgertests auch weiter zur Verfügung stehen", sagte er. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die für die Abrechnungen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen hatten in einem Schreiben erklärt, dass sie Bürgertestungen "zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können".
Lauterbach sagte hingegen, die Tests seien sinnvoll. Er sei froh, dass sie nicht abgeschafft würden. "Die Bürgertests verhindern Infektionsketten", sagte der Minister. Die KBV habe ein berechtigtes Anliegen. Sie wolle Klarheit haben, wie die Neuregelung umzusetzen sei. "Wir werden in den nächsten Tagen zu guten Regelungen kommen", sagte er.
Buschmann: Zügige Verständigung auf Corona-Kurs
Buschmann stellte eine zügige Verständigung innerhalb der Regierung über Corona-Schutzinstrumente für den Herbst in Aussicht. Er sei sehr zuversichtlich, dass im Laufe des Juli in der Koalition ein guter Vorschlag gemacht werden könne, sagte der FDP-Politiker. Schon direkt nach der Vorlage des Evaluationsberichts der Fachleute zu bisherigen Pandemie-Maßnahmen gebe es große Einigkeit in mehreren Punkten.
Buschmann sagte, man könne sagen, dass Eingriffe wie Lockdowns, Schulschließungen und Ausgangssperren nicht mehr verhältnismäßig seien. Sicher seien auch Impfungen gegen das Coronavirus wie gegen die Grippe ein wichtiges Element. Die Bundesregierung habe außerdem geplante Neuregelungen für bessere und aktuelle Daten etwa zu Bettenbelegungen in Kliniken auf den Weg gebracht.
Länder wollen dieses Mal einbezogen werden
Auf einen zeitnahen Corona-Instrumentenkasten pochen auch die Bundesländer. Deren Gesundheitsminister verlangten auf ihrer Konferenz in Hamburg noch vor der Sommerpause ein novelliertes Infektionsschutzgesetz mit weitgehenden Länderbefugnissen. "Man muss immer bedenken, das muss noch durch den Bundesrat, und wir Länder wollen diesmal einbezogen werden", sagte Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne als Konferenzvorsitzende.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard betonte, die Entwicklung der Pandemie sei nicht planbar. "Aus genau diesem Grund müssen jetzt die Hausaufgaben gemacht werden, um bundesrechtliche Regelungen zu schaffen." Nachdem nun die Stellungnahme des Sachverständigenausschusses, des Expertenrates der Bundesregierung und der Sieben-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministeriums vorliegen, verlangen die Ressortchefs der Länder neben Basismaßnahmen wie einer möglichen Maskenpflicht und Abstandsgeboten in Innenräumen auch die Möglichkeit einer Testpflicht. Corona-Tests sollen etwa in Einrichtungen mit vulnerablen Personen, in Schulen oder Kitas angeordnet werden können. Auch sollen Hygienekonzepte verlangt werden können.
Im Falle einer ungünstigen Entwicklung der Corona-Pandemie sollen zudem Zugangsbeschränkungen erlassen und Personenobergrenzen festgelegt werden können. "Für uns ist ganz wichtig, wir wollen keine weiteren Schließungen", sagte Grimm-Benne. Das gelte sowohl für Schulen und Kitas als auch für Veranstaltungen. "Gleichwohl müssen auch diese Instrumente der Pandemiebekämpfung im Worst-Case-Szenario zur Verfügung stehen", heißt es in dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz. Voraussetzung hierfür sei, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems unmittelbar bevorstehe oder schon eingetreten sei.
Gutachten zur Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen vorgestellt
Zuvor hatten die Sachverständigen ihr lange erwartetes Gutachten vorgestellt. Demnach können Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen auch weiter gegen das Coronavirus hilfreich sein. Hinter vielen anderen bekannten Auflagen setzte der Sachverständigenausschuss jedoch große Fragezeichen: Mangels ausreichender Daten seien keine sicheren Bewertungen möglich.