Bauern aus Hessen sind mit ihren Traktoren auf der Straße unterwegs

Bundesweite Blockaden Wo die Bauern protestieren

Stand: 08.01.2024 14:06 Uhr

Autobahnblockaden, Kolonnen und Schleichfahrten: In Deutschland haben am Morgen die Bauernproteste begonnen. Die Landwirte demonstrieren damit gegen die Streichung von Subventionen. Wo was geplant ist - ein Überblick.

Obwohl die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich teilweise zurückgenommen hat, gehen die Bauern ab heute bundesweit auf die Barrikaden. Auch andere Branchen wollen sich beteiligen. Polizei und Behörden rechnen mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen. Auch Schulen und zahlreiche andere gesellschaftliche Bereiche dürften betroffen sein.

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die Protestpläne als unverhältnismäßig. Auch die Polizei warnt vor Verkehrsgefährdungen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Bundesbehörden befürchten zudem eine Radikalisierung und Unterwanderung der Proteste.

Vor den Bauernprotesten - Sorge vor rechter Unterwanderung

Jenni Rieger, SWR, tagesthemen, 07.01.2024 23:15 Uhr

In den einzelnen Bundesländern sind unterschiedliche Aktionen geplant. Eine Übersicht:

Baden-Württemberg

Geplant ist eine Vielzahl an Aktionen, wie Kundgebungen, Traktor-Kolonnen und Mahnwachen. Das Innenministerium Baden-Württemberg warnte vor größeren Einschränkungen im Straßenverkehr - es seien fast alle Landkreise betroffen. "Die Protestaktionen sollen vor allem in Form von sogenannten Traktoren-Sternfahrten, vereinzelt auch als Aufzüge mit Traktoren auf Hauptverkehrswegen stattfinden, so dass mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen ist." Größere Aktionen gibt es etwa in Mannheim, Heilbronn, Ravensburg Karlsruhe und Stuttgart.

In der Landeshauptstadt soll es auf dem Cannstatter Wasen eine Kundgebung mit anschließendem Autokorso geben. Hier werden laut Veranstalter mindestens 150 Fahrzeuge teilnehmen. Eine weitere Protestaktion mit mehr als 1.000 Fahrzeugen soll am Freitag stattfinden.

Bayern

In ganz Bayern demonstrierten zahlreiche Bauern gegen die Steuerpläne. Seit dem frühen Morgen waren Tausende Traktoren auf Straßen und auch Autobahnen unterwegs, vielerorts kam es zu Verkehrsbehinderungen. Auf dem Münchner Odeonsplatz begann am Mittag eine zentrale Kundgebung, zu der 10.000 Teilnehmer erwartet wurden.

Thorsten Grimm, der stellvertretende Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern, befürchtet durch die Bauernproteste in dieser Woche eine massive Überlastung der Polizei: "Viele Aktionen schießen da nicht nur rechtlich weit übers Ziel hinaus, sie stellen in Teilen auch Verkehrsgefährdungen sowie Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar." Grimm sagte weiter: "Die Polizei schützt mit starken Einsatzkräften bayern- und bundesweit die Versammlungen und damit das Grundgesetz, was uns nächste Woche an die absolute Belastungsgrenze bringen wird."

Berlin

Am Protest beim Brandenburger Tor haben am Montagmorgen rund 550 Demonstranten mit ihren Fahrzeugen teilgenommen. Die Polizei zählte bis 10 Uhr 566 Traktoren, Lkw, Autos, Transporter und Anhänger sowie 550 Menschen auf der Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, wie eine Sprecherin sagte.

Neben den Bauern nahmen dort auch viele Bus- und Lastwagenfahrer an dem Protest teil, auch viele Handwerker befanden sich demnach unter den Demonstranten. Die Straße des 17. Juni wurde dazu bereits am Sonntagabend gesperrt. Erkenntnisse über geplante Straßenblockaden gebe es nicht, hieß es. Die Polizei stehe in engem Austausch mit dem Anmelder der Versammlung, so die Sprecherin.

Brandenburg

Protestierende Landwirte haben am Morgen in Brandenburg Autobahnauffahrten blockiert und Staus ausgelöst. Mit ihren Traktoren versperrten sie die Straßen, es kam zu massiven Verkehrsbehinderungen. Mehr als 500 Fahrzeuge starteten in Beelitz und rollten durch Potsdam bis zur Staatskanzlei.

In Brandenburg seien insgesamt 134 Versammlungen angemeldet, teilte das Polizeipräsidium in Potsdam mit. Die Polizei im Norden Brandenburgs bewertete das Vorgehen der protestierenden Landwirte bei ihren Straßenblockaden als weitgehend friedlich und kooperativ. "Wir merken schon, dass alles sehr gesittet abläuft. Man ist auch mit Augenmaß dabei", sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Nord am Vormittag. Es kam aber auch zu einzelnen Zwischenfällen, weil Autofahrer versuchten, doch an den Sperrungen vorbeizukommen.

Bremen

Wegen der Bauernproteste gibt es im Gebiet der Stadt Bremen an vielen Stellen Verkehrsbehinderungen. Erste Verkehrsknotenpunkte seien seit 5 Uhr von Landwirten blockiert worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Der Sprecher verwies auf die Übersicht der Verkehrsmanagementzentrale.

Im Lauf des Tages erwartete die Polizei bis zu 2.000 Fahrzeuge, die von Niedersachsen aus sternförmig in die Hansestadt fahren. Nach der Blockade eines Streifenwagens durch einen Traktor, der auf dem Weg zu einem Einsatz war, sei der Landwirt angezeigt worden, hieß es von der Polizei.

Hamburg

Mit Tausenden Treckern und anderen Fahrzeugen waren Landwirte in Hamburg unterwegs. Nach Angaben des Vereins "Land schafft Verbindung", der die Versammlung angemeldet hatte, fuhren am Vormittag mehr als 4.000 Fahrzeuge aus dem Umland in verschiedenen Kolonnen in die Innenstadt. Die Polizei sprach von rund 2.000 Fahrzeugen. Das befürchtete große Verkehrschaos blieb jedoch aus.

Nach Angaben der Veranstalter sollte am Nachmittag noch ein weiterer Konvoi aus Niedersachsen in der Innenstadt eintreffen. Erwartet würden weitere etwa 600 Fahrzeuge, hieß es.

Hessen

Die größte hessische Protestaktion ist in Wiesbaden geplant. Dort soll eine gemeinsame Sternfahrt mit Hunderten Traktoren stattfinden. Im Verlauf der Woche sind zahlreiche weitere, regionale Aktionen in Hessen geplant, etwa in Kassel, Frankfurt, Limburg und dem Untertaunus.

In Zusammenhang mit den geplanten Bauernprotesten gibt es von deutschen Sicherheitsbehörden Befürchtungen, dass Rechtsextreme und Teilnehmer aus der "Querdenker"-Szene die Proteste unterwandern könnten. Laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" fand das Bundeskriminalamt entsprechende Aufrufe im Internet. Darin sei von Generalstreik und Umsturz-Randalen die Rede.

Mecklenburg-Vorpommern

Landwirte und Spediteure haben mit Hunderten Traktoren und Lastwagen landesweit für mehrere Stunden rund 60 Auffahrten zu Autobahnen blockiert. Nach Angaben des Landesbauernverbandes MV beteiligten sich mehr als 1.500 Traktoren und Lkw an der Aktion.

Zwischenfälle habe es keine gegeben, teilte der Verband mit, der die Aktion nach rund drei Stunden offiziell für beendet erklärte.

Niedersachsen

Die Bauernproteste haben in Niedersachsen deutliche Auswirkungen auf den Straßenverkehr gehabt. Nicht nur in zahlreichen Innenstädten gab es blockierte Straßen, auch außerorts stockte der Verkehr auf Bundes- und Landesstraßen sowie auf Autobahnen.

Im Landkreis Cloppenburg wurde ein Teilnehmer von einem Autofahrer mutmaßlich schwer verletzt. Er wurde mit einem Hubschrauber in eine Klinik gebracht. Nach Angaben der Polizei ist noch nicht klar, ob der Autofahrer den Teilnehmer beim Umfahren absichtlich verletzt habe oder nicht.

In zahlreichen Regionen und Städten wurden Blockaden, Kundgebungen und Schleichfahrten geplant, darunter Braunschweig, Cloppenburg, Cuxhaven, Göttingen oder der Heidekreis. Die Stadt Hannover und die Region sollen voraussichtlich die ganze Woche von Protestaktionen betroffen sein.

Nordrhein-Westfalen

Zahlreiche Landwirte haben in Nordrhein-Westfalen mit ihren Traktoren protestiert. Zu "massiven Verkehrsbehinderungen" kam es laut Polizei etwa im Kreis Borken. Dort wurde im Tagesverlauf mit insgesamt mehr als 1.000 Traktoren gerechnet, die an rund 25 Demonstrationen teilnehmen wollten.

Im Rhein-Sieg-Kreis gab es nach Angaben eines Polizeisprechers am Morgen "Zufahrtsbehinderungen" an mehreren Anschlussstellen auf die Autobahnen 59 und 560. Später war dort eine Sternfahrt nach Siegburg geplant. In Wuppertal sorgten Landwirte am Morgen für die Sperrung einer A46-Auffahrt. Auch auf der A61 bei Heimerzheim war eine Auffahrt blockiert. In der Essener Innenstadt fuhren acht Traktoren zum WDR-Studio in der Innenstadt. In Düsseldorf waren am Vormittag sechs Demonstrationen mit Traktoren und eine mit Lastwagen geplant.

Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz könnte einer der Schwerpunkte der Proteste werden. Der Bauern- und Winzerverband will in allen 14 Kreisen Demonstrationen und Kundgebungen durchführen. Der Verband rechnet mit mehr als 10.000 Teilnehmern. Am Vormittag bewegte sich laut Polizei ein 18 bis 20 Kilometer langer Konvoi mit mehr als 1.000 Traktoren und Lastwagen über die Autobahn 63 in Richtung der Landeshauptstadt Mainz. Die Autobahn war demnach voll gesperrt.

Nach Angaben des Innenministeriums wird den Landwirten ein Rahmen für ihre Proteste gesteckt: Es gehe darum, dass Not- und Rettungswege jederzeit befahrbar sind und lediglich die rechte Autobahnspur blockiert wird. Zudem sollen Blockaden von Autobahnauffahrten maximal eine Stunde dauern.

Saarland

Die angemeldete Sternfahrt der saarländischen Bauern wird nach Einschätzung der Polizei landesweit für erhebliche Verkehrsbehinderungen und Staus sorgen. Zudem werden wohl etliche Autobahnauffahrten blockiert sein, so zum Beispiel in Freisen, Braunshausen, Waldmohr und Perl.

Am Saarbrücker Schloss ist für den Nachmittag die Abschlusskundgebung mit einer Sternfahrt geplant. Einige angrenzende Straßen wurden ab mittags für den Verkehr gesperrt. Dort kann es bis zum Abend Behinderungen geben.

Sachsen

In dem östlichen Bundesland sind Hunderte Aktionen geplant, die massiv den Verkehr beeinträchtigen dürften. Diese reichen vom Korso mit Traktoren und mit Autos über Blockaden von Autobahnauffahrten und Verkehrsknotenpunkten bis hin zu Sternfahrten. Laut den Protestlern sollen 95 Prozent aller Autobahnauffahrten in Sachsen blockiert werden. Für den Mittwoch ist in Dresden eine große Kundgebung geplant.

Der Landesbauernverband arbeitet für die Aktionswoche mit der Vereinigung "Land schafft Verbindung" zusammen. Unterstützung erhalten die Gruppen dabei von anderen Verbänden, wie dem Hotel- und Gaststättenverband Sachsen (DEHOGA), Fleischerinnungen oder dem Landesverband "Sächsisches Obst". Gleichzeitig distanzieren sich die Landwirte nach eigenen Angaben von Aktionen, die von Akteuren wie den rechtsextremen "Freien Sachsen" im Fahrwasser der Bauernproteste geplant werden.

Experten beobachten, dass Rechtsextreme gezielt um die Gunst der Landwirte kämpfen. So treten die "Freien Sachsen" als "Kümmerer" für die Interessen von Landwirten auf, um antidemokratische Ziele zu verfolgen, heißt es vom Kulturbüro Sachsen im MDR. Das Kulturbüro berät nach eigenen Angaben unter anderem die Kommunalpolitik, um rechtsextremistischen Strukturen eine demokratische Zivilgesellschaft entgegenzusetzen; es veröffentlicht jährlich den Bericht "Sachsen rechts unten". 

Der Zuspruch zur AfD unter Bäuerinnen und Bauern sei zudem sehr hoch. So hätten bei den vergangenen Landtagswahlen 34 Prozent der Landwirte die mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD gewählt.

Sachsen-Anhalt

Mehrere Tausend Landwirte und Menschen aus anderen Berufen haben auf dem Magdeburger Domplatz für die Beibehaltung der Steuervergünstigungen demonstriert. Der aktuelle Status müsse beibehalten werden, sagte der Präsident des Landesbauernverbands, Olaf Feuerborn.

Laut Veranstalterangaben waren rund 5.000 Protestierende auf dem Domplatz vor dem Landtag zusammengekommen, die Polizei sprach von rund 2.000. Viele Landwirte waren mit Traktoren und anderen Fahrzeugen in Konvois angereist - laut Polizei waren es 1.500, die der Demonstration zugeordnet werden konnten. Die Konvois sorgten für Verkehrsbehinderungen.

Zum Auftakt der Aktionswoche soll eine weitere Kundgebung nach Angaben des Bauernverbands im Zentrum von Halle stattfinden. Die Polizei empfiehlt, die Stadt möglichst weiträumig zu umfahren und auf unnötige Fahrten zu verzichten. Zwischen etwa 8 Uhr und 16 Uhr werden der Riebeckplatz und die angrenzenden Verkehrsflächen gesperrt.

Schleswig-Holstein

Zu Beginn der bundesweiten Aktionswoche haben hunderte Landwirte am Morgen in Schleswig-Holstein den Verkehr behindert. Im ganzen Land soll es an drei Tagen Demonstrationen geben, kündigte der Landesbauernverband zuvor an. Dabei werde es durch langsamfahrende Kolonnen zu Verkehrsbehinderungen kommen.

In Kiel sind mehrere Demonstrationen zwischen 9 und 18 Uhr geplant. Dafür werden der Wilhelmplatz und der Exerzierplatz gesperrt. Außerdem wurde bei den Behörden angemeldet, dass die A7-Auffahrten ab Bad Bramstedt bis zur dänischen Grenze blockiert werden sollen. Am Mittwoch seien Aktionen in Flensburg, Ostholstein, Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Lübeck geplant. Am Freitag wollen Landwirte aus den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde nach Kiel zu einer Kundgebung fahren.

Thüringen

Der Thüringer Bauernverband hat für Montag mit 900 Traktoren gerechnet, die sich aus allen Ecken des Landes auf den Weg nach Erfurt machen werden. Der Verband hat eigenen Angaben nach zwar nicht zu Blockaden von Kreuzungen oder Straßen aufgerufen, dennoch müssten sich Autofahrer und auch Fahrgäste im Erfurter Nahverkehr auf teils erhebliche Einschränkungen einstellen, hieß es seitens des Verbands und auch der Erfurter Stadtwerke. Auch in anderen Städten Thüringens wurden Versammlungen für heute angemeldet.

Kai Clement, ARD Berlin, tagesschau, 07.01.2024 11:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 07. Januar 2024 um 10:32 Uhr.