Markus Söder während eines Presse-Statements

Antisemitismusvorwürfe Söder erhöht Druck auf Aiwanger

Stand: 01.09.2023 13:52 Uhr

Bayerns Ministerpräsident Söder hat seinen Stellvertreter Aiwanger aufgefordert, den Fragebogen zur Flugblatt-Affäre noch heute zu beantworten. Doch auch Söder selbst gerät unter Druck: Er solle zügig für Aufklärung sorgen, so die FDP.

In der Flugblatt-Affäre hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ein Ultimatum gestellt. Dieser solle die 25 Fragen, die Söder ihm am Dienstag zur Aufklärung übergeben habe, "umfassend und glaubwürdig" beantworten, sagte der Landeschef in einer kurzfristig anberaumten Stellungnahme. "Und zwar zeitnah. Zeitnah heißt am Besten noch heute im Laufe des Tages."

Erst dann könne er eine faire und glaubwürdige Entscheidung treffen. Aiwanger hatte sich gestern für seinen Umgang mit der Flugblatt-Affäre entschuldigt, einen Rücktritt aber abgelehnt. Den Vorwurf, er habe als 17-Jähriger an seiner damaligen Schule ein antisemitisches Flugblatt verfasst, wies er zurück.

"Die Entschuldigung war dringend notwendig, sie war auch überfällig", sagte Söder. "Ob es am Ende alles ausreicht, wird man erst nach der Beantwortung der Fragen entscheiden können."

FDP fordert Aufklärung von Söder

Die FDP-Bundestagsfraktion wiederum sieht auch Söder in der Verantwortung, die Affäre aufzuklären. "Die Vorwürfe wiegen schwer", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. "Und es ist jetzt auch am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, hier zügig für Aufklärung zu sorgen. Herr Aiwanger ist schließlich sein Stellvertreter."

Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisierte die Reaktionen von Aiwanger nach dessen öffentlicher Entschuldigung. Das Krisenmanagement von Aiwanger "ist offen gestanden nicht das, was ich mir vorstelle, wie jemand, der in einer solchen Lage ist, damit umgeht", sagte der CDU-Chef. "Ich empfinde den ganzen Vorgang in jeder Hinsicht als wirklich hoch verstörend, irritierend und auch grauenhaft."

Welche Schlussfolgerungen aus den Vorgängen zu ziehen seien, könne er nicht sagen, da er weder die Fragen von Söder an Aiwanger noch dessen Antworten kenne. "Aber irgendwann muss er hinreichend, ausreichend nachvollziehbar erklären, was da war, und auch deutlich machen, dass er heute so nicht mehr denkt und handeln würde." Die Schlussfolgerungen daraus müssten dann in der bayerischen Staatsregierung gezogen werden.

"Schlechtes Vorbild der Politik"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, sein Eindruck sei, dass Aiwanger anders als zuvor versucht habe, "der Öffentlichkeit zumindest zu signalisieren, dass es da deutlichste Fehler in der Vergangenheit gegeben hat". Er hoffe, dass Aiwanger in den Antworten auf die ihm gestellten Fragen weitere Erklärungen finde. Daraufhin werde man beraten und Entscheidungen treffen können.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warf Aiwanger eine Schädigung der Erinnerungskultur in Deutschland vor. "Das bisherige Vorgehen des Ministers, sich als Opfer einer gegen ihn gerichteten Kampagne zu stilisieren und sich möglichst spät, möglichst wenig und möglichst empathielos zu äußern, dient als schlechtes Vorbild der Politik für junge Menschen in Deutschland", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Aiwanger verteidigt sich

Bei einem Bierzeltauftritt in Niederbayern verteidigte Aiwanger sich indes erneut. "Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß' gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht", sagte er beim Karpfhamer Fest in Bad Griesbach (Landkreis Passau). Und weiter: "Das Flugblatt war scheußlich, das ist nicht wegzudiskutieren."

Er finde es aber nicht in Ordnung, jemanden später in seinem Leben mit Dingen, die 35 bis 40 Jahre zurückliegen, zu konfrontieren "bis zu seiner beruflichen Existenzvernichtung". Es gebe viele Dinge, die man im Nachhinein nicht mehr machen würde. Aber man müsse einem Menschen auch zubilligen, im Leben gescheiter zu werden. Er sprach erneut von einer von langer Hand geplanten Schmutzkampagne gegen ihn, "vielleicht, um die Grünen in die Landesregierung zu bringen".

Auch seine Lebensgefährtin Tanja Schweiger sprang ihm zur Seite. Aiwanger sei über die Vorwürfe gegen ihn "wirklich erschüttert". Der Freie-Wähler-Chef sei jemand, "der integriert und nicht ausgrenzt", sagte die Landrätin des Landkreises Regensburg (ebenfalls Freie Wähler) dem TV-Sender Welt. Sie bekomme in dem Zusammenhang E-Mails mit Unterstützung von "wildfremden Leuten". "Die sagen: Der soll durchhalten, wir setzen auf ihn", sagte Schweiger. "Die Solidarität wird täglich größer."

Die Freien Wähler in Bayern stellten sich ebenfalls geschlossen hinter Aiwanger.

Briefwahl in Bayern bereits gestartet

Der Vorfall überschattet den bayerischen Wahlkampf. In sechs Wochen wird dort ein neuer Landtag gewählt. Aiwanger ist Spitzenkandidat für die Freien Wähler, Söder tritt erneut für die CSU an. Die Briefwahl in Bayern läuft bereits.

Aiwanger hatte bereits am vergangenen Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 01. September 2023 um 14:30 Uhr sowie Deutschlandfunk um 14:14 Uhr.